Benchmarking in der Kanalsanierung am Beispiel der Stutzensanierung nach dem 6-in 8-Prinzip
29.09.2010
Hausanschluss-, Einlauf- und Stutzensanierungen gehören zum Standardverfahren in der Rohrsanierung. Mehr als 70 % der sanierten Stutzen werden dabei mit mineralischen Injektionsmörteln von mobilen Anlagen ausgeführt (beispielsweise Hächler-, Strobel- und andere Anlagensysteme). Die Qualität der Sanierungsmaßnahme ist von den komplexen Verfahrensabläufen und dem individuellen Können der Operateure abhängig. Ziel war es, ein Schulungsverfahren zu entwickeln, das direkt auf der Baustelle den aktuellen Kenntnisstand intensiv und umfassend vermittelt und die Leistungsfähigkeit optimiert – Frei nach dem Motto: Lerne von den Besten oder neudeutsch: Benchmarking in der Stutzensanierung nach dem 6-in-8-Prinzip.
In der aktiven Ausführungszeit wurden mit der firmeneigenen Hächler-Anlage vom Typ EL 300/600 bundesweit Stutzen mit Injektionsmaterialien von verschiedenen Herstellern saniert. Diese Erfahrungen nutzte der Mörtelhersteller IBW Baustoffe GmbH und beauftragt uns eine anwenderorientierte Schulung für Mitarbeiter zu entwickeln. Diese Schulung sollte direkt auf der Baustelle erfolgen und den Gesamtkomplex Baustellenorganisation, Material, Anlagentechnik und Verfahrensabläufe gleichermaßen umfassen. Nach den Erfahrungen des Mörtelherstellers erzielten bei vergleichbaren Rahmenbedingungen die verschiedenen Operateure unterschiedliche Tagesleistungen. Diese Abweichungen sollten in einem Benchmarking-Verfahren ermittelt, analysiert und verbessert werden. Das Schulungsziel war, dass alle Operateure die regelmäßige Standard-Tagesleistung von 6 Stutzen innerhalb von 8 Stunden erreichen (6-in-8–Prinzip).
Anschließend wurde in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Operateure bewertet. Bei den Vergleichsuntersuchungen flossen eigene, systematisch erfasste Daten von Außentemperatur, Material- und Wassertemperatur, Schlauchlänge, Materialmenge und Ausschalzeiten in die Grenzwertbetrachtungen ein. Daraus entwickelten wir gemeinsam ein Schulungsschema, das anwenderorientiert die wesentlichen Verfahrensgrößen umfasste und Optimierungsansätze beschrieb.
Auf der Baustelle wird zuerst der erste Stutzen ohne Eingriffe von außen aufgenommen und Material- und Zeitdaten dokumentiert. Danach folgt eine kleine Gesprächsrunde, in der die Operateure die derzeitigen Handlungsabläufe erläutern und Hinweise für unterlassene Verbesserungen geben.
In dem Gespräch werden die möglichen Veränderungen bei den Arbeitsabläufen, Materialeinsätzen und Ausschalzeit beschrieben und erläutert. Die praxisgewohnte Zurückhaltung vor Veränderungen ist bekannt und wird in den nachfolgenden Praxiseinsätzen entsprechend berücksichtigt.
Zuerst werden mögliche technische Veränderungen, beginnend mit dem Austausch defekter Teile, Reinigung der Misch- und Pumpaggregate, Einsatz eines Druckmanometers u.ä. vorgenommen. Danach wird die zweite Stutzensanierung des Tages nach unseren Anweisungen vorgenommen. Hierbei wird auf die strikte Umsetzung der gewünschten Veränderungen geachtet und bestanden.
Der erste schwierige Vorgang ist das Setzen der Schalung und die Überprüfung des Schalungssitzes auf Dichtheit durch Druckproben mittels Wasser- oder Luftdruck. Bei diesem Vorgang werden Hinweise über die Beschaffenheit der Schadensstelle, mögliche Hohlraumgröße und erforderliche Materialmenge erfasst.
Die weitverbreitete Annahme, dass dieser Vorgang unnütz, zu zeitaufwendig ist und nichts bringt, führt in der Praxis zu überhöhtem oder zu geringem Materialeinsatz und ggf. unnötig hohen Entsorgungskosten. Ebenso entstehen, durch nicht komplett dicht anliegende Schalungen, evtl. Betonablagerungen in der Rohrsohle durch auslaufendes Sanierungsmaterial, das dann wieder aufwendig mir Fräsrobotern entfernt werden muss.
Grundlage der Mörtelherstellung ist das Wissen über die Zusammenhänge von Temperaturen, Mörteleigenschaften, Misch- und Pumpeinheiten, Schlauchlänge- und Durchmesser und Ablauforganisation.
Basis der Mörtelherstellung ist der IBW® Robotermörtel ROT und die Beschleunigerkomponente IBW® Stopfmörtel R. Mit der Beschleunigerkomponente wird die Ausschalzeit auch bei niedrigen Temperaturverhältnissen fast punktgenau eingestellt. Die positiven Erfahrungen von mehr als 13 Jahren Baustelleneinsatz sind immer noch hilfreich bei den Praxiseinweisungen. Dem Verarbeiter wird durch den sehr günstigen Materialpreis gleichzeitig auch eine wirtschaftliche Alternative aufgezeigt. Mit Einsparungen von rd. 50 € pro Stutzen können konkurrenzfähigere Angebote bei zukünftigen Ausschreibungen entscheidend sein.
Die immer wieder angeführte Möglichkeit mit erwärmten Wasser die Ausschalzeiten zu beeinflussen, versagt bei den gravierenden Temperatureinflüssen von Mischer, Pumpe, Schlauch und Abwasser. Einfache Massenberechnungen führen diesen Wunschgedanken auf den Boden der Realität.
Einen wesentlichen Einfluss übt die Menge des eingesetzten Anmachwassers auf die Erstarrungs- und Festigkeitsentwicklung und nutzbare Pumplänge aus. Bei längeren angeschlossenen Schläuchen darf die Zugabemenge festgelegte Grenzbereiche nicht überschreiten, da es einen direkten Zusammenhang zwischen Mörtelmasse und nachfolgendem Pumpwasser gibt und die Gefahr von Verstopfer signifikant ansteigt.
Die maschinellen Komponenten wie Mischer, Zwischenbehälter und Pumpe unterliegen natürlich auch Verschleiß durch Abnutzung. Die Auswirkungen auf die Sanierungsergebnisse werden deutlich und eindrucksvoll dargelegt. Die alte Weisheit SOS (Sauberkeit-Ordnung-Sicherheit) beginnt bei der Sauberkeit des Auffangbehälters und endet bei einem funktionsfähigen und lesbaren Druckmanometer. Gerade in schwierigen Ablaufphasen sind diese kleinen Dinge entscheidend. Mit praktischen Darstellungen und Einsatz eines funktionsfähigem Manometer werden den Operateuren die Auswirkungen veranschaulicht.
Die Frage aller Fragen ist: Wann kann ich die Schalung entfernen? Wie kann ich sicherstellen, dass meine Beurteilungsgrundlage den tatsächlichen Gegebenheiten an der Sanierungsstelle möglichst nahe kommt?
Diese wichtigen Fragen werden mit einfachen Mitteln sichergestellt. An dieser Stelle kommen alle Hilfestellungen, Unterweisungen und begleitende Informationen zusammen und entscheiden über das Sanierungsergebnis. Zu frühes Ausschalen bedeutet nochmalige Sanierung mit vorherigen umfangreichen Vorbereitungs- und Fräsarbeiten. Zu langes Warten verringert die Tagesleistung, erhöht die spezifischen Kosten und mindert die Wettbewerbsfähigkeit.
Erstmals wurde mit der ganzheitlichen Betrachtung die Stutzensanierung professionell und praxisbezogen untersucht, bewertet, Schwachstellen beschrieben und Lösungen vorgestellt. Das komplexe System Stutzensanierung kann nicht auf die einzelnen Bereiche Anlagentechnik, Material und Verfahrensablauf begrenzt bleiben, sondern wird mit leistungsstarken Operateurmannschaften verglichen und die leistungssteigernden Unterschiede herausgearbeitet. Das ist praxisbezogenes Benchmarking, eine neue und dringend notwendige Verfahrensanalyse zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Mit unseren Praxiserfahrungen und dem technischen Verständnis für manchmal ungewöhnliche Ansätze ist es gelungen, die Kunden der IBW Baustoffe GmbH intensiv auf der Baustelle zu schulen, neue Verfahrensabläufe umzusetzen und die kontinuierliche Tagesleistung auf 6 Stutzen innerhalb von 8 Stunden zu steigern (6-in-8-Prinzip).
Nach mehr als 10 Monaten sind alle Kunden und Neukunden der IBW Baustoffe GmbH auf der Baustelle mit diesem Konzept geschult worden. In allen Fällen sind die Tagesleistungen signifikant höher, die Abläufe berechenbarer, stabiler und Störungen deutlich weniger geworden. Aufgrund des günstigen Einkaufspreises und der Reduzierung der kalkulatorischen Kosten durch die höhere Standardleistung von 6 Stutzen in 8 Stunden, wird die Wirtschaftlichkeit erheblich gesteigert.
Benchmarking in der Kanalsanierung ist machbar und in der Stutzensanierung gemeinsam mit Hersteller, Verarbeiter und Ingenieurbüro erfolgreich umgesetzt. Nach dem Motto: "Aus der Praxis für die Praxis".
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