Die neue DIN 19573 - Anforderungen an zementgebundene Mörtel

23.08.2016

Erstmals in der Geschichte des Kanalbaues sind die zu verwendenden Mörtel für diese Anwendung genormt. In diesem Fachbericht wird über die Hintergründe und Erkenntnisse aus der über zehn Jahre langen Erarbeitung berichtet. Wichtigste Ergänzung zum Europäischen Regelwerk sind die Einordnung in die chemischen Expositionsklassen, die Sulfatbeständigkeit und die Widerstandsfestigkeit gegenüber der BSK.

Bild 1: Glätten unterer Teil. [Foto: HERMES Technologie]

Vor über 130 Jahren begann der Bau von Abwasserkanälen. Heute entsorgen über 95 % aller Haushalte in öffentliche Kanalnetze. Vor ca. 30 Jahren begannen die Netzbetreiber mit der Renovierung ihrer Kanalnetze. Als Neubaumörtel mischte man zu der Zeit immer noch Sand und Zement in einem sehr beliebigen Mischungsverhältnis. Im Hochbau war das damals schon viel differenzierter. Im Kanalbau gab es hierfür jedoch noch sehr viele Unbekannte. Im Rahmen von Kanalbeschichtungen fragten vorausschauende Auftraggeber allerdings bereits nach Prüfzeugnissen.

Anfang 2004 kam mit der GSTT die erste Vorschrift über die Anforderungen an Mörtel für die Sanierung von Abwasserkanalleitungen auf den Markt. Im Jahre 2006 erschien dann das DWA-Merkblatt M-143-17. Dieses wird im Augenblick überarbeitet und im Jahr 2016 neu erscheinen.

Heute, im Jahre 2016, gibt es eine DIN, der alle Mörtel entsprechen müssen, die im Kanalbau eingesetzt werden. Die immer noch weit verbreitete Anforderung der Mörtel Gruppe 3 hat ausgedient. Die europäischen Normen berücksichtigen kaum die besonderen Anforderungen im Wasser und Abwasserbereich. Sämtliche im Neubau und der Sanierung eingesetzten Mörtel müssen zum einen den Allgemeinen Anforderungen für Mörtel gemäß der Europäischen Normen entsprechen und, wenn sie im Abwasserbereich eingesetzt werden, auch der DIN 19573. Im Einzelnen ist dieses in Tabelle 1 aufgeführt, ebenso wie auch alle unterschiedlichen Mörtelsorten.

Tabelle 1: Beanspruchung und europäische Normen [Quelle: HERMES Technologie]

Mörtelart

Produktnorm

Mögliche zusätzliche Beanspruchung durch

Abwasser

Grundwasser

Boden

Frost

BSK

Mauermörtel

DIN EN 998-2

x

x

x

x

x

Fugenmörtel

DIN EN 998-2

x

x

 

x

x

Beschichtungsmörtel

DIN EN 1504-3

x

x

 

x

x

Dichtschlämmen

DIN EN 18195-2

x

x

 

x

 

Reparaturmörtel

DIN EN 1504-3

x

x

x

x

x

Schachtkopfmörtel

DIN EN 998-2

 

 

x

x

 

Vergussmörtel

DAfStb-Richtlinie

x

 

x

x

 

Verlegemörtel

DIN EN 12004

x

x

 

 

 

Injektionsmörtel

DIN EN 1504-5

x

x

x

 

 

Füllmörtel

DIN EN 1504-3

 

x

x

 

 

Definitionen der Mörtel

WW-Mauermörtel ist in seiner Konsistenz plastisch mit einer Körnung ≤ 4 mm. Er wird zum Mauern von Klinkern für Kanäle und Schächte eingesetzt. Bermen können unter Verwendung von Mauermörtel hergestellt werden. Der Mauermörtel hat die Aufgabe, Kanalklinker oder Natursteine fest und dauerhaft zu einer Einheit zu verbinden. Er überträgt im Wesentlichen Druckkräfte und gleicht Unebenheiten
zwischen zwei Bauteilen aus. Das Mauerwerk ist vollfugig zu erstellen. Bei höheren Anforderungen an den Korrosionsschutz sollte die Fuge ca. 2 cm ausgekratzt und anschließend mit einem Fugenmörtel höherer Beständigkeit verfugt werden. Das Größtkorn von WW-Mauermörtel weicht von den Vorgaben der DIN EN 998 ab. Dort wird das Größtkorn mit 2 mm angegeben.

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Mauermörtels mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW1:
WW-Mauermörtel DIN 19573 - XWW1

WW-Fugenmörtel ist in seiner Konsistenz steif bis plastisch mit einer Körnung ≤ 2 mm. Er wird zum Verfugen von Mauerwerk, Verfüllen von Rohrstößen und korrodierten, ausgewaschenen Fugen eingesetzt. Schachtringfugen werden mit Fugenmörtel auf 2-4 cm Tiefe verschlossen. Hohlkehlen, kleinere Fehlstellen, die keine flächige Ausdehnungen aufweisen, und Risse werden mit Fugenmörtel geschlossen. Im begehbaren Rohrbereich werden Seiteneinläufe ebenfalls mit Fugenmörtel eingebunden. Die Anwendungsbereiche
des WW-Fugenmörtels können sich mit denen des WWReparaturmörtels überschneiden.

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Fugenmörtels mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW2:
WW-Fugenmörtel DIN 19573 - XWW2

WW-Beschichtungsmörtel sind in der Konsistenz plastisch mit einer Körnung, die von 0,5 mm bis 4 mm variiert. Sie werden zur nachträglichen Beschichtung von Beton, Mauerwerk oder Stahlbauteilen in allen Lagen eingesetzt. Beschichtungsmörtel werden von Hand oder maschinell aufgetragen. Sie dienen auch zur Wiederherstellung oder Verbesserung der statischen Festigkeit der Bauteile, der Abriebfestigkeit, der Erhöhung der Korrosionsfestigkeit und zur Herstellung von Abdichtungen gegen drückendes Grundwasser. Letzteres als positive und negative Abdichtung. Die Schichtdicken betragen in der Regel 5-40 mm. Bei Sanierungen betragen die Schichtdicken mindestens 8 mm. Es werden sowohl Teil- als auch die Gesamtflächen von abwassertechnischen Anlagen beschichtet.

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Beschichtungsmörtels Klasse B1 mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW1:
WW-Beschichtungsmörtel DIN 19573 - B1 - XWW1

WW-Dichtungsschlämme sind nicht rissüberbrückende, mineralische Dichtungsschlämme nach DIN 18195-2 Tabelle 7 für unbewehrten und bewehrten Beton und Mauerwerk. Dichtungsschlämme werden von Hand oder maschinell aufgetragen. Sie dienen u. a. der Erhöhung des Abriebwiderstandes oder zur Herstellung von Abdichtungen gegen Grundwasser als positive Abdichtung.

Beispiel für die Bezeichnung mineralischer Dichtungsschlämmen mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW1:
WW-Dichtungsschlämmen DIN 19573 - XWW1

Verlegemörtel sind in der Konsistenz plastisch mit einer Körnung ≤ 2 mm und dienen zum Verkleben von Fliesen. Das gilt sowohl für kleinformatige als auch großformatige Platten aus Keramik oder Schmelzbasalt mit Schwalbenschwanz oder Aufrauungen auf der Rückseite. Sie werden in Kanälen und Bauwerken in allen Lagen eingesetzt. Verlegemörtel sind nach der Aushärtung auch bei rückwärtiger Durchfeuchtung geeignet. In der Regel werden die Platten im Butteringfloating-Verfahren verlegt. Manche dieser Mörtel kommen auch in der Reprofilierung zum Einsatz.

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Verlegemörtels:
WW-Verlegemörtel DIN 19573

Injektionsmörtel für die Reparatur von Zulaufeinbindungen oder Renovierung von Zulaufeinbindungen mit Robotern für die nachträgliche Abdichtung von undichten Bauteilen müssen den Anforderungen nach Tabelle 7 entsprechen. Die Konformitätsbewertung für die Identifikations- und Leistungsmerkmale nach Tabelle 7 ist nach DIN EN 1504-5:2013, Abschnitt 7 durchzuführen.

Beispiel für die Bezeichnung eines Injektionsmörtels für Reparatur/Renovierung von Seiteneinläufen mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW1:
WW-Injektionsmörtel für Reparatur/Renovierung von Zulaufeinbindungen DIN 19573 - XWW1

WW-Injektionsmörtel zum Verfüllen von Rissen, nicht beweglichen Fugen, Hohlräumen und zur Bodenstabilisierung sind, je nach Anwendungsfall, in der Konsistenz weich bis flüssig mit einer Körnung ≤ 0,5 mm. Injek-tionsmörtel wird besonders in Trinkwasserschutzzonen zur nachträglichen Abdichtung von undichten Bauteilen, bei Rissinjektionen und zur Bodenstabilisierung eingesetzt. Mit Injektionsmörteln lassen sich auch größere Wassereinbrüche im fließenden Grundwasser abdichten. Aufgrund der Zementinjek-tionstechnik können in kürzester Zeit größere Mörtelmengen verarbeitet werden. Durch ihre Verwendung sind große Hohlräume statisch tragend verfüllbar.

Beispiel für die Bezeichnung eines Injektionsmörtels für Risse, nicht bewegliche Fugen, Hohlräume mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW1:
WW-Injektionsmörtel für Risse, nicht bewegliche Fugen, Hohlräume DIN 19573 - XWW1

WW-Injektionsmörtel in dünnflüssiger Konsistenz werden auch als Fließmörtel bezeichnet. Sie werden beim Lining mit einer Körnung ≤ 0,5 mm zum Verfüllen von Ringspalten zwischen Liner- und Altrohr eingesetzt. Es werden schwere Mörtel mit einer Rohdichte > 1,3 kg/ dm3 und leichte Mörtel mit Rohdichten zwischen 0,7 kg/ dm3 und 1,3 kg/dm3 unterschieden. Eine weitere Unterscheidung wird zwischen festen, raumbeständigen Suspensionen mit geringen Festigkeiten und Fließmörteln mit höheren Festigkeiten getroffen.

Beispiel für die Bezeichnung eines Injektionsmörtels für Lining bei selbsttragenden Innenrohren:
WW-Injektionsmörtel für Lining DIN 19573 - selbsttragende Innenrohre

WW-Injektionsmörtel für Lining bei nicht selbsttragenden Innenrohren: Hochfließfähiger Injektionsmörtel, der beim Lining für nicht selbsttragende Innenrohre zum formschlüssigen Verfüllen von Spalten und Ringräumen zwischen Liner und Untergrund verwendet wird, und mit dem die Tragfähigkeit des Systems sicherstellt werden kann, muss den Anforderungen nach Tabelle 10 entsprechen (SPR oder Trolining). Die Konformitätsbewertung für die Identifikations- und Leistungsmerkmale nach Tabelle 10 ist nach DIN EN 1504-5:2013, Abschnitt 7 durchzuführen.

Beispiel für die Bezeichnung eines Injektionsmörtels für Lining bei nicht selbsttragenden Innenrohren:
WW-Injektionsmörtel für Lining DIN 19573 - nicht selbsttragende Innenrohre

WW-Reparaturmörtel sind in der Konsistenz plastisch mit einer Körnung, die in der Regel ≤ 4,0 mm erreicht. Sie dienen zur partiellen Sanierung, Instandsetzung und Reprofilierung von schadhaften Bauteilen aus Beton oder Mauerwerk. Es werden damit auch Einbauteile eingesetzt oder beigeputzt. Ihr Einsatzbereich überschneidet sich mit dem vom Fugen- und Beschichtungsmörtel.

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Reparaturmörtels, Klasse B2 mit einem chemischen Widerstand bei Angriff XWW1:
WW-Reparaturmörtel DIN 19573 - XWW1 - B2

WW-Schachtkopfmörtel sind in der Konsistenz steif bis fließfähig. Die Körnung liegt bei ≤ 4,0 mm. Der Schachtkopfmörtel ist ein Mauermörtel oder Vergussmörtel mit besonderen Anforderungen an Festigkeiten, Frostbeständigkeit  und Frost-Tausalzbeständigkeit. Er wird zur  Schachtrahmenregulierung eingesetzt bzw. für Arbeiten im Schachtkopfbereich.

Beispiel für die Bezeichnung eines fließfähigen WW-Schachtkopfmörtels:
WW-Schachtkopfmörtel DIN 19573 - fließfähig

WW-Vergussmörtel sind in der Konsistenz fließfähig mit einer Körnung ≤ 8 mm. Sie werden zum Verfüllen der von oben zugänglichen Hohlräume, z. B. Sohlhalbschalen, eingesetzt (bei Schachtrahmenregulierung siehe Schachtkopfmörtel).

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Vergussmörtels:
WW-Vergussmörtel DIN 19573

WW-Füllmörtel sind Mörtel, die größere Hohlräume in beschädigten Kanälen statisch tragend ausfüllen. Die Körnung liegt bei ≤ 4,0 mm. Sie dürfen keinen Kontakt mit dem Abwasser bekommen. Es werden außer der Sulfatbeständigkeit keine spezifischen Anforderungen gestellt.

Beispiel für die Bezeichnung eines WW-Füllmörtels im Abwasserbereich:
WW-Füllmörtel DIN 19573
Nachweise

Alle Prüfungen, die in der DIN 19573 gefordert sind, sind Erstprüfungen und müssen im Leben des Produktes nur einmal nachgewiesen werden. Erst wenn Rohstoffumstellungen oder wesentliche Veränderungen am Mörtel vorgenommen werden, sind die Prüfungen zu wiederholen. Auf den Produktunterlagen sind Hinweise auf die Konformität des Produktes mit DIN 19573 wie oben geschrieben anzugeben. Sie müssen nicht auf dem Sack aufgedruckt werden.

Haftzugfestigkeit
Im Rahmen der Erstellung der DIN 19573 haben wir untersucht, ob die Schichtdicken einer Beschichtung Auswirkungen auf die Haftzugfestigkeitsmessungen haben. Es wurden vom MPA NRW Dortmund vergleichende Untersuchungen durchgeführt. Auf gleichartig gestrahlte Norm-Betonplatten erfolgte ein Auftrag von Frischmörtel aus ERGELIT-KBi in 5, 10, 15, 20, 25, 30, 40 mm. Nach einer Lagerung unter feuchten Bedingungen über 27 Tage wurden die Probekörper am 28. Tag mit 50 mm vorgebohrt, und die Stempel auf die trockene Probeflächen aufgeklebt gemäß DIN EN 1542:1999- 07, danach wurden die Proben vom MPA gezogen. Die Prüfer stellten zweifelsfrei fest, dass das Haftzugverfahren nur bis zu einer Schichtdicke von ca. 15 mm richtige Ergebnisse liefert.

Bei Schichtdicken über 20 mm fallen die Ergebnisse deutlich ab, und bei > 40 mm werden die Probekörper durch das Vorbohren so stark geschädigt, dass keine Haftzugfestigkeit mehr messbar ist. Dem Expertenteam war ebenfalls bekannt, dass Haftzugfestigkeitsprüfungen sehr feuchtigkeitsempfindlich sind. Wenn der Untergrund unter der Beschichtung nass ist oder auch nur die Ringnut teilweise mit Wasser gefüllt ist, werden die Ergebnisse negativ beeinflusst. Es ergeben sich deutlich niedrigere Haftzugwerte. Es ist bei Haftzugfestigkeitsprüfungen „vor Ort“ zukünftig zu berücksichtigen, dass nur Messungen bei Schichtdicken unter 15 mm und trockenen Betonuntergründen aussagekräftige Messergebnisse liefern. Soll dennoch eine Haftzugprüfung durchgeführt werden, ist entweder auf das Vorbohren zu verzichten oder es muss rechtwinklig geschnitten werden. Da man im Kanalbau meistens nur wasserdurchtränkte Betone antrifft, ist mit einem noch zu erforschenden Aufwertungsfaktor zu rechnen. Hier ist die Wissenschaft gefordert.

Säurebeständigkeit
Erstmals werden mit der DIN 19573 Prüfverfahren zur Beurteilung der Tauglichkeit von Mörteln für den Kanalbau und die Kanalsanierung klar definiert. Es sind in Anhang A und B zwei Prüfverfahren für die Säurebeständigkeit der Mörtel beschrieben. Im Anhang A wird das Prüfverfahren zum Nachweis gegen biogene Schwefelsäurekorrosion für die neue Klasse XWW4 (ehemals XBSK gemäß DWA-M 211) genau beschrieben. Die Zusammenhänge dieser Korrosion sind in DWA-M 168 erläutert. Weitere Zusammenhänge findet man in dem Buch Sulfid-Praxishandbuch der Abwassertechnik [10]. Dieses Prüfverfahren geht auf die Hamburger Sielbaurichtlinie der 1990er Jahre zurück. In Hamburg hat man sich mit dem Thema sehr intensiv seit Mitte der 1980er Jahre beschäftigt.

Es handelt sich in beiden Fällen um ein „zeitraffendes“ Verfahren. Da es nicht möglich ist, mit einem Versuch alle Nachweise bezüglich der Säurebeständigkeit durchzuführen, mussten zwei Prüfverfahren beschrieben werden. Es sei darauf hingewiesen, dass Beständigkeit nicht bedeutet, dass der Baustoff nie vergeht. Diese Eigenschaft ist kaum einem Baustoff zu eigen. Gold gilt allgemein als unzerstörbar. Wenn hier und anderswo von beständig gesprochen wird, so ist eine Nutzungsdauer „über Jahrzehnte“ gemeint. Es wird davon ausgegangen, dass die Korrosionsraten, die im Labor nachgewiesen wurden, in der Praxis nach ca. zehn Jahren erreicht werden. Beide Versuche basieren auf umfangreichen wissenschaftlichen Tests der TUHH. Es handelt sich um ein Prüfverfahren, in dem der Widerstand des Mörtels gegen BSK im Vergleich zu einem Referenzmörtel1) bewertet wird.

Es werden Mörtelprismen in Schwefelsäure mit pH 0 für 14 Tage bzw. mit pH 1 für 70 Tage eingelagert. Die Versuchsparameter pH-Wert und Temperatur werden konstant gehalten. Im Hinblick auf die Einstufung des Mörtels hinsichtlich der Korrosionsbeständigkeit gegenüber biogener Schwefelsäure wird die relative Restdruckfestigkeit und die Korrosionstiefe Xf,D an den in der Säure gelagerten Prismen ermittelt. Die Anforderungen an den Mörtel für die Anwendung gemäß der DIN 19573 sollen so sein, dass das Material mit hinreichender Sicherheit mindestens die Beständigkeit gegen BSK aufweist, die ein Referenzmörtel erreicht hat. Die Anforderungen an die Schwefelsäurebeständigkeit werden bei relativen Restdruckfestigkeiten von mindestens 55 % für pH 0 und mindestens 75 % für pH 1 als erfüllt angesehen. In Tabelle 2 aus DIN 19573 sind die Angriffsgrade definiert. Und nun zum zweiten angesprochenen Prüfverfahren.

Um die Säurebeständigkeit der Mörtel für die XWW1 – XWW3 Klassen bestimmen zu können, wurde ein weiteres neues Prüfverfahren entwickelt. Es wird in Anhang B der DIN 19573 beschrieben. Zur wissenschaftlichen Absicherung wurde diese Prüfung auch an anderen Instituten, z. B. dem MFPA Weimar, durchgeführt. Es erfolgte eine Veröffentlichung2) zu diesem Thema von Prof. Franke und Prof. Schmidt-Döhl von der TUHH. Diese Versuchsreihen laufen über 167 Tage. Als Säure wird hier ebenfalls Schwefelsäure eingesetzt. Es handelt sich auch um ein „zeitraffendes“ Prüfverfahren, bei dem der Säurewiderstand von Mörteln durch Einlagerungsversuche von Prismen (Badverfahren) in Schwefelsäure pH 4 über 4000 Stunden, sowie durch Auflösen der Bindemittelkomponente der aufgemahlenen Mörtelprobe in Schwefelsäure (Pulververfahren) bestimmt wird. Die Ergebnisse werden im Vergleich zu einem definierten Referenzmörtel1) bewertet. Zur Klassifizierung des Mörtels hinsichtlich des Korrosionswiderstandes gegenüber den Expositionsklassen XWW1 bis XWW3 wird die auf Basis von Protonenverbrauchsmessungen ermittelte Schädigungstiefe herangezogen.

Tabelle 2: XWW-Expositionsklassen und Grenzwerte bei chemischem Angriff durch Boden, Grundwasser und Abwasser unter Beachtung der Bildung biogener Schwefelsäure aus DIN 19573 [Quelle: HERMES Technologie]

Chemisches Merkmal Referenzprüfverfahren Angreifende Umgebung
chemisch schwach
XWW1
chemisch mittel
XWW2
chemisch stark
XWW3
biogene Schwefelsäure
XWW4a)
Boden
SO4 2- mg/l DIN EN 196-2 > 2 000 bis
≤ 3 000 b)
> 3000b bis
≤ 12 000
> 12 000 bis
≤ 24 000
-
Säuregrad, ml/kg DIN 4030-2 > 200 in der Praxis nicht anzutreffen
Grundwasser
SO4 2- mg/l DIN EN 196-2 ≥ 200 bis
≤ 600
> 600 bis
≤ 3 000
> 3 000 bis
≤ 6 000
-
pH-Wert ISO 4316 ≤ 6,5 bis ≥ 5,5 < 5,5 bis ≥ 4,5 < 4,5 bis ≥ 4,0
Kalklösende
Kohlensäure,
CO2 mg/l
DIN EN 13577 ≥ 15 bis ≤ 40 40 bis ≤ 100 > 100 bis zur
Sättigung
NH4 + mg/l ISO 7150-1 ≥ 15 bis ≤ 30 > 30 bis ≤ 60 > 60 bis ≤ 100
Mg2+ mg/l DIN EN ISO 7980 ≥ 300 bis ≤ 1000 > 1 000 bis
≤ 3 000
> 3 000 bis zur
Sättigung
Abwasser
SO4 2- mg/l DIN EN 196-2 ≥ 200 bis ≤ 600 > 600 bis ≤ 3000 > 3 000 bis
≤ 6 000
-
pH-Wert ISO 4316 ≤ 6,5 bis ≥ 5,5 < 5,5 bis ≥ 4,5 < 4,5 bis ≥ 4,0
Kalklösende
Kohlensäure, CO2 mg/l
DIN EN 13577 ≥ 15 bis ≤ 40 > 40 bis ≤ 100 > 100 bis zur
Sättigung
NH4 + mg/l ISO 7150-1 ≥ 15 bis ≤ 30 > 30 bis ≤ 60 > 60 bis ≤ 100
Mg2+ mg/l DIN EN ISO 7980 ≥ 300 bis ≤ 1 000 > 1 000 bis
≤ 3 000
> 3 000 bis zur
Sättigung
oberhalb des Abwasserspiegels (Gasraum)
H2S-Konzentration
[ppm] c)
Messverfahren
H2S-Konzentration
≥ 0,1 bis ≤ 1 > 1 bis ≤ 5 > 5 bis ≤ 10 > 10
pH-Wert Oberfläche d) Indikatorpapier e) > 5,5 < 5,5 bis ≥ 4,5 < 4,5 bis ≥ 4,0 < 4,0

a) In diesem Zusammenhang wird XWW4 über den ph-Wert definiert, der auf eine Schwefelsäurebelastung  zurückzuführen
b) Falls die Gefahr der Anhäufung von Sulfationen im Baustoff, zurückzuführen auf wechselndes Trocknen und Durchfeuchten  oder kapillares Saugen, besteht, ist der Grenzwert von 3000 mg/kg auf 2000 mg/kg zu vermindern.
c) Freigesetztes H2S im Gasraum bei unter 20 °C und deutschen klimatischen Bedingungen. Die H2S-Konzentrationen basieren auf Messungen in Deutschland sowie auf DWA-M 168, Juni 2010.
d) Auf der Bauteiloberfläche im Gasraum.
e) Es sind Teststreifen zu verwenden, die bis zum Erreichen einer Farbkonstanz auf der nassen, ggf. vorgenässten Oberfläche, belassen werden.

 


1) In diesem Prüfverfahren wird Bezug genommen auf einen Referenzmörtel mit einem W/Z-Wert 0,45 unter Verwendung eines CEM I 42,5 R HS/NA. Der Zementgehalt beträgt 450 g und der Gehalt an Gesteinskörnung (CENNormsand) 1350 g.

2) Hingewiesen wird auf die zusätzlichen Anforderungen (Oberflächenschutz) nach DIN 1045-2:2008-08 Abschnitt 5.3.2 bzw. DIN EN  206-1:2001-07 Tabelle 2 bei entsprechenden Anwendungen des Mörtelproduktes.


Literatur

[1] DIN EN 206-1 „Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität; Deutsche Fassung EN 206-1:2000“ (2001-07)
[2] DIN EN 1504-3 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität - Teil 3: Statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung; Deutsche Fassung EN 1504-3:2005“ (2006-03)
[3] CEN/TR 15697 „Zement - Prüfung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Sulfatwiderstandes - Bericht zum Stand der Technik“ (2008)
[4] DIN 19573 „Mörtel für Neubau und Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden“ (2015-12)
[5] DIN EN 15885 „Klassifizierung und Eigenschaften von Techniken für die Renovierung und Reparatur von Abwasserkanälen und -leitungen“ (2010)
[6] GSTT-Information Nr. 18: Anforderungen an Mörtel für abwassertechnische Anlagen (2004)
[7] DWA-M 143 – 17 „Beschichtung von Abwasserleitungen, -kanälen und Schächten mit zementgebundenen mineralischen Mörteln“ (2006
[8] DWA-M 168 „Korrosion von Abwasseranlagen - Abwasserableitung“ (2010)
[9] DWA-M 211 „Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken in kommunalen Kläranlagen“ (2008)
[10] Sulfid – Praxishandbuch der Abwassertechnik, D. Weismann und M. Lohse, Vulkan-Verlag GmbH, 2007
[11] Prüfung der Beständigkeit von Mörtelprodukten gegenüber saurem Angriff bis pH 3 und Einstufung in Expositionsklassen; Lutz Franke, Holger Schmitt, Frank Schmidt-Döhl; Beton 1+2 2010, Verlag Bau+Technik


(Erstveröffentlichung in: 3R Ausgabe 03/2016, Vulkan-Verlag GmbH, Essen)

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