Mangelursachen in der Kanalsanierung aus Unternehmersicht - Fachbericht zum 17. VSB-Beratertag in Frankfurt

26.10.2016

Der allgemeine Zustand unserer Kanalisation wird mit zunehmendem Alter leider nicht besser… Im Falle einer Havarie stellen Abwasserkanäle und Abwasserdruckleitungen eine potenzielle Gefahr für unser Alltagsleben dar. Doch auch der Werterhalt unseres Kanalnetzes ist zu berücksichtigen und diese Aufgabe stellt eine besondere Herausforderung dar. Eine aktuelle Analyse unserer Angebotsvolumen und der allgemeinen Marktdaten belegt einen Instandhaltungsaufwand (Erneuerung, Sanierung und Reparatur) unserer öffentlichen Auftraggeber in Deutschland von ca. 7.000 km/Jahr. Dies ist eine beachtenswerte Leistung unserer Netzbetreiber, da sie eine jährliche Strecke von Berlin nach Peking umfasst. Dass es bei diesem Ausführungsvolumen zu Mängeln kommen kann, ist evtl. nachvollziehbar. Jedoch ist bei diesem Volumen ein professioneller beidseitiger Umgang mit der Mangelbeseitgung unabdingbar.

Einleitung

Für den Bauherrn und Planer ist es enorm wichtig, VOB-konforme Bau- und Leistungsbeschreibungen zu erstellen. Denn mittlerweile landen Ausschreibungsunterlagen bei Bauunternehmen nicht mehr nur in der Kalkulations-, sondern auch in der Rechtsabteilung. Dort wird die Ausschreibung auf Mängel geprüft, um später (evtl. überzogene) Nachträge platzieren zu können. Diese Aussage ist im Internet bei Wikipedia zum Thema mangelhafte Bauausführung zu finden, welche vom Autor bestritten wird, denn diese Vorgehensweise würde geltendem Recht widersprechen.

So ist der Auftragnehmer verpflichtet bei der Prüfung der Verdingungsunterlagen etwaige Lückenhaftigkeiten oder unklare Beschreibungen vor Abgabe seines Angebots mit dem Bauherrn zu klären. Tut er dies nicht und missachtet somit die Notwendigkeit der Aufklärung dieses Sachverhalts, sind Arbeiten, mit denen objektiv gerechnet werden musste, ebenfalls ein abzuleistender Vertragsbestandteil. Entgegen der hin und wieder auch in Fachkreisen vertretenen Position der nachtragsgierigen Bauunternehmen, bedingen diese Arbeiten keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung und besitzen somit auch kein Nachtragspotential. Final handelt es sich hierbei also um vertragliche Leistungen mit denen der Auftragnehmer hätte rechnen müssen.

Die Definition eines Mangels

Gemäß der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist eine Leistung frei von einem Sachmangel, wenn Sie zum Zeitpunkt der Abnahme die vereinbarte Beschaffenheit hat, den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist das Bauwerk frei von einem Sachmangel, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Wurde zwischen den Vertragspartnern keine explizite Beschaffenheit vereinbart, ist das Werk mangelfrei, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine übliche Beschaffenheit aufweist.

Eine vereinbarte Beschaffenheit kann in der Kanalsanierung z.B. eine geforderte Materialcharakteristik sein, welche in den Vertragsunterlagen beschrieben sein muss. So kann der Planer beispielsweise besondere materialtechnische Festigkeiten fordern oder Anforderungen an die Dichtheit bzw. Dichtheitsprüfung stellen. Hinzu kommen Toleranzwerte für Faltenbildungen eines Liners, die Beschaffenheit der Schacht-, und Rohranbindungen und zu charakterisierende Bieterabfragen (Linertyp, Materialkenngruppen, etc.). Unter anderem definiert die DIN EN 15885 „Klassifizierung und Eigenschaften von Techniken für die Renovierung und Reparatur von Abwasserkanälen und –leitungen“ eindeutige planungs- und ausführungsrelevante Leistungsstufen.

Tabelle: Leistungsstufen der statischen tragfähigkeit bei Belastung von außen [DIN EN 15885]

Leistungsstufe  Eigenschaften
SEL4  beständig gegen Grundwasser- und/oder inneren Unterdruck (Kurzzeit)
SEL3  SEL4 + beständig gegen Grundwasser- und/oder inneren Unterdruck (Langzeit)
SEL2  SEL3 + kann Boden- und Verkehrslasten aufnehmen oder widerstehen
SEL1  SEL2 + kann Belastung auf Grund von Bodenbewegungen aufnehmen oder widerstehen


Derartige Anforderungen an die Beschaffenheit des Bauwerks finden wir jedoch in den aktuellen Leistungsbeschreibungen einer Kanalsanierungsmaßnahme noch relativ selten.

Aspekte der Planung

Bei einem VOB-Vertrag gelten die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen der VOB/C als vereinbart. Für die Kanalsanierung ist dabei die DIN 18326 „Renovierungsarbeiten an Entwässerungsarbeiten“ maßgebend. Somit sind Beschaffenheit und Dichtheitsanforderungen der DIN1610 sowie Toleranzwerte bei Faltenbildungen gemäß DIN EN ISO 11296-4 vertraglich vereinbart. In der Praxis finden sich jedoch häufig massive Lücken in den weiter zu definierenden Planungsaspekten. Beispielsweise werden die Leistungsstufen der DIN EN 15885 kaum oder nur vereinzelt als vertragliche Beschaffenheit definiert, obwohl sie dem anerkannten Stand der Technik entsprechen, welchem auch der Planer Folge zu leisten hat.

Faktisch ist die Missachtung des anerkannten Standes der Technik ein haftungsrelevanter Planungsfehler oder eben auch ein Mangel in einer Ausschreibung. Die Planung muss aber den anerkannten Stand der Technik berücksichtigen, denn es ist grundsätzlich eine Planung geschuldet, die zum Zeitpunkt ihrer Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Deshalb hat der Planer sein Werk auf Übereinstimmung mit den neuesten Regeln der Technik zu überprüfen. Es ist dabei festzustellen, dass diverse Planungsaspekte schon umfassend im anerkannten Stand der Technik beschrieben sind.

So beschreibt beispielsweise die DIN EN 14654-2 „Management und Überwachung von betrieblichen Maßnahmen in Abwasserleitungen und –kanälen – Teil 2 Sanierung“ sehr ausführlich das sogenannte Prozessmanagement von Sanierungsmaßnahmen.

Von der Entwicklung eines Sanierungsplans über die Erstellung des Sanierungskonzeptes, der reellen Maßnahmenplanung bis zur Umsetzung der Maßnahme werden hier umfassende Arbeitshilfen gestellt.

Das Sanierungskonzept definiert hierbei Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass das sanierungsbedürftige Entwässerungssystem den Anforderungen des Bauherrn nach Abschluss der Instandsetzung entspricht.

Dabei ist der angestrebte Werkerfolg in den Planungen für den jeweiligen Bauvertrag eindeutig zu definieren. Doch leider findet man heute immer noch Ausschreibungen in den Anforderungen und zusätzlich technische Vertragsbedingungen (ZTV‘en DWA / VSB…) unsachgemäß und widersprüchlich hineinkopiert werden. Hierin liegt häufig die Ursache, dass Abweichungen vom Wunschdenken und den tatsächlichen vertraglichen Fakten zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern führen.

Mangel oder Schaden

Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen. Ein Schaden wird als „unfreiwillige Vermögenseinbuße“ definiert und ein Mangel kann auch ohne Schaden bestehen. So wird z.B. von einer fälschlich gewählten höheren Materialkenngruppe kein Schaden ausgehen. Diese falsche Materialkenngruppe entspricht aber nicht der vereinbarten Beschaffenheit und würde somit zweifelsfrei einen Mangel darstellen.

Die Gefahr eines Schadens kann einen Mangel begründen. Mängel müssen und dürfen nachgebessert werden. Schäden sind bei Verschulden zu ersetzen! Auch, wenn ein Mangel auf Anordnungen des Auftraggebers oder auf eine mangelhafte Leistungsbeschreibung zurückzuführen ist, haftet der Auftragnehmer für die Mangelbeseitigung. Es sei denn, er hat ausdrücklich gegen die mangelhafte Beschreibung oder gegen die Anordnungen seine Bedenken angemeldet.

Gem. VOBB §13 beträgt die Verjährungsfrist für Mangelansprüche für Bauwerke 4 Jahre und für Werke, deren Erfolg in der Veränderung einer Sache besteht nur 2 Jahre. Die Frage welche Frist nun maßgebend ist, ist noch nicht ausreichend geklärt. Unterschiedliche Auffassungen bestehen hierzu. Es macht daher gegebenenfalls Sinn die Verjährungsfrist für Mangelansprüche vertraglich festzulegen. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme der gesamten Leistung (ggf. Teilabnahme). Der Auftragnehmer ist verpflichtet, alle während der Frist hervortretenden Mängel auf seine Kosten zu beseitigen, wenn es der Auftraggeber schriftlich verlangt.

Zusätzlich technische Vertragsvorschriften

Eine Recherche der uns vorliegenden ZTV’en zeigte einen gewissen „Wildwuchs“ an Vertragsvorschriften. Man bekommt den Eindruck, dass heutzutage jeder namhafte Betreiber seine eigenen gewerkspezifischen ZTV’en entwickelt hat. Hinzu kommen die diversen ZTV’en aus der Verbandslandschaft. Selbstverständlich haben die hierin beschriebenen Vertragsbedingungen eine direkte Auswirkung auf die Preisbildung des Bieters. Denn Sanktionierungen im Falle von Mängeln, erhöhte Dichtheitsanforderungen und reduzierte  Toleranzen bei Faltenbildungen oder besondere Anforderungen an die Schacht- und Anschlussanbindungen führen zu einer Risikobewertung des Bieters, welche einen maßgebenden Einfluss auf den Endpreis hat.

Praktische Erfahrungen belegen, dass vertragliche Anforderungen des Auftraggebers oft wenig mit den örtlichen Gegebenheiten und den technischen Möglichkeiten zu tun haben. Dies kann zu Unstimmigkeiten führen, wenn die Vertragspartner nicht vorab Klarheit geschaffen haben.

Grundsätze der Mangelbeseitigung

Die Mangelanzeige des Auftraggebers muss ausreichend substantiiert sein und sie muss dem ausführenden Unternehmen zurechenbar sein. Dabei muss die Mangelursache deutlich erkennbar im Zusammenhang mit seiner Arbeit stehen. Beispielsweise steht das Baugrundrisiko nicht in der Verantwortung des ausführenden Unternehmens, sondern in der Verantwortung des Auftraggebers, wenn nichts anderes vereinbart wurde.

Auch Korrosionen, welche auf ein abnorm aggressives Medium im Rohr hinweisen, dürften außerhalb des Verantwortungsbereichs des ausführenden Unternehmens liegen. Zudem wird ein Abwasserkanal in einer klassischen Kanalsanierung recht häufig im Bauablauf zwischenzeitlich in Betrieb gesetzt. Mängel, deren Ursache aus dem wiederaufgenommenen Betrieb herrühren (z.B. Verunreinigungen oder angefallene Räumgüter), können dem Auftragnehmer nicht zwangsläufig angelastet werden.

Der Auftraggeber verlangt im Falle eines Mangels zunächst in der Regel die Mängelbeseitigung, seltener ist die direkte Minderung – also die Herabsetzung der vertraglich vereinbarten Vergütung. Von einem professionellen Unternehmen kann folgende Vorgehensweise erwartet werden:

Eine Mangelbeseitgung darf nicht „auf die lange Bank“ geschoben werden. Dabei ist die Mangelanzeige zunächst neutral hinsichtlich der Ursache, Verantwortlichkeit und dem Vertragswerk entsprechend zu prüfen. Der Aufwand der Mangelbeseitigung ist einzugrenzen und die Kosten sind zu definieren.

Anschließend ist ein angemessenes Mangelbeseitigungskonzept gegenseitig zu vereinbaren. Hierbei sind Ausführungsart und Ausführungszeitraum festzuhalten. Ein vom Auftraggeber vorgenommener Sicherheitseinbehalt kann gemeinsam vereinbart werden. Sollte die Mangelbeseitigung scheitern, unmöglich oder unverhältnismäßig sein, können unter den Vertragspartnern andere Ansprüche (Minderung oder Schadensersatz oder Aufhebung des Vertrages) verhandelt werden.

Fazit

Ohne eine eindeutig vorgegebene Charakterisierung der Leistung bereits in der Planungsphase sind Streit und Ärger hinsichtlich der Beschaffenheit der Leistung vorprogrammiert.

Das Auftreten eines Mangels im Bauwesen ist eine klassische, kaum gänzlich vermeidbare Situation. Insbesondere in unserem Gewerk der geschlossenen Bauweise liegt das verstärkte Risikopotential in der Natur der Sache. Jedoch konnten die allgemein nachhaltig installierten Qualitätssicherungsmaßnahmen das Risikopotential dieser Bauweise insbesondere beim Schlauchlining drastisch reduzieren. Heute stehen sich die grabenlosen Bauweise und die offene Bauweise hinsichtlich der Betreiberakzeptanz mindestens auf Augenhöhe gegenüber.

Es bleibt dabei festzuhalten: Bei dem zuvor beschriebenen großen Instandhaltungsvolumen ist ein beidseitig professioneller und fairer Umgang zwischen den Vertragspartnern bei der Mangelbeseitgung unabdingbar. Eine Mangelbeseitigung ohne zuverlässige Vertragspartner und ohne korrekte Beachtung des Vertragswerkes führt zwangsweise zu Ärger, Kosten und beidseitiger Unzufriedenheit. Für den professionellen und angemessenen Umgang mit Mängeln ist es ratsam, die Zuverlässigkeit der Vertragspartner vorab zu prüfen. Mit starken und verlässlichen Partner lässt sich die große Herausforderung der Instandhaltung unseres Kanalnetzes umsetzen. Dies gilt allerdings nicht für die ausführenden Unternehmen allein, sondern gleichweg für die Netzbetreiber und für die Planungsbüros.

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