Microtunnelling unter der ICE-Trasse
14.07.2010
Zerstörte Regenwasserleitung stellt die Planer vor Herausforderungen: Beim Ausbau der Bahnverbindung Nürnberg – Ingolstadt – München wurde eine Regenwasserleitung unter der Trasse so schwer beschädigt, dass sie erneuert werden musste. Keine leichte Aufgabe für die Ingenieure, da die Leitung unter einem achtgleisigen Bahnkörper verläuft, auf dem die Züge mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h fahren.
Die Trasse ist die Verlängerung des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8, das den Ausbau der Bahnverbindung von Berlin über Halle/Leipzig und Erfurt nach Nürnberg zur Hochgeschwindigkeitstrasse vorsieht. International gehört die Strecke zur Achse Berlin – Verona – Palermo, die ebenfalls zur Hochgeschwindigkeitsstrecke ausgebaut werden soll, und damit eine der wichtigsten Bahnverbindungen im europäischen Nord-Süd-Verkehr darstellt.
ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken werden in Ausbau- und Neubaustrecken eingeteilt. Auf Ausbaustrecken fahren die Züge bis zu 200 km/h, auf Neubaustrecken sogar bis zu 300 km/h. Die Gleiskörper sind extremen Kräften ausgesetzt und müssen große Spannungen aufnehmen. Der Bau solcher Strecken ist technisch sehr anspruchsvoll; alle verwendeten Materialien müssen hoch belastbar sein. Anspruchsvolle Bautechnik und belastbare Materialen wurden auch unter der Ausbaustrecke eingesetzt, als ein Regenwasserkanal in Dachau bei den Gleisbauarbeiten so schwer beschädigt wurde, dass eine Reparatur nicht mehr möglich war, sondern nur der Einbau einer neuen Leitung in Frage kam. Die Planer entschieden sich für einen Neubau aus Steinzeugvortriebsrohren.
Der Durchmesser und der Verlauf der Leitung quer zum Gleiskörper sprachen für eine Erneuerung im Rohrvortriebsverfahren mit hydraulisch gestützter Ortsbrust. Der neue Regenwasserkanal sollte parallel zur alten Trasse mit einem Gefälle von 5 ‰ eingezogen werden. Der alte Regenwasserkanal wurde verdämmt. Die zu querenden Bodenschichten bestanden überwiegend aus quartären, Wasser führenden Böden. Fallende Vortriebsachsen, d.h. Höhenunterschiede zwischen Start- und Zielschacht, stellen in Wasser führenden Schichten eine besondere Schwierigkeit dar, weil Ringspalt und Bodenauflockerung um den vorgepressten Rohrstrang dem Wasser Fließwege bieten. Das kann zum Beispiel zu Wasseransammlungen in den Maschinenrohren, Beeinträchtigungen der Schmierung der Maschinen oder zur Verschlammung des Erdreichs im Bereich der Ortsbrust führen, wodurch der Boden an Stabilität verliert. In Dachau war zudem das Platzangebot rechts und links der Gleise extrem beschränkt. Als Startschacht wurde ein Stahlbetonring mit einem Durchmesser von 3200 mm abgeteuft und eine Sohle aus Unterwasserbeton gegossen. Der Zielschacht auf der anderen Seite des Gleiskörpers wurde mit einem klassischen Trägerverbau befestigt. Die Vortriebsstrecke hatte eine Länge von 64 m und verlief unter acht Gleisen, zwei Weichen und zwei Lärmschutzwänden. Der Durchmesser der Vortriebsrohre betrug DN 600, die Bodenüberdeckung lag zwischen 3,70 m und 4,20 m.
Die verwendeten Vortriebsrohre der Steinzeug Abwassersysteme GmbH haben als einzige in Deutschland eine Zulassung nach dem Standard UIC71 des Internationalen Eisenbahnverbandes und sind für die speziellen Belastungen des Bahnverkehrs ausgelegt. Die Rohre haben eine V4A-Edelstahlkupplung, mit der das Dichtelement aus Kautschukelastomer fest verbunden ist, eine stahlverstärkte Druckübertragung sowie einen Druckübertragungsring aus Holz.
Um Höhenänderungen im Gleisbett rechtzeitig zu erkennen, wurden die Gleise während der gesamten Baumaßnahme kontinuierlich vermessen. Unebenheiten auf den Gleisen stellen eine hohe Belastung für die Radkränze der ICEs dar und müssen daher unbedingt vermieden werden. Die während und nach dem Vortrieb aufgenommenen Differenzen in den Gleishöhen bewegten sich im Vergleich zur Nullmessung aber bei weniger als 1 mm und waren damit vernachlässigbar klein.
Vernachlässigbar klein waren auch die Einschränkungen im bayerischen Bahnverkehr. Da deutsche Bahnreisende bekanntermaßen besonders empfindlich auf Verspätungen reagieren, drückten die Bauausführenden auf die Tube und schlossen die Bauarbeiten im Rund-um-die-Uhr-Betrieb innerhalb von 48 Stunden erfolgreich ab.
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