Optimierte Eigenschaften. PE-HD-Rohrwerkstoffe.
25.04.2006
PE-HD hat als Rohrwerkstoff eine ununterbrochene 50-jährige Karriere gemacht. Dies gilt für die Mengenentwicklung ebenso wie für die stetige Verbesserung der Gebrauchseigenschaften, beispielsweise durch die Entwicklung von bimodalem PE-HD. Mit einem multimodalen PE-HD können nun insbesondere die Verarbeitungseigenschaften weiter verbessert werden.
Auf einem ähnlichen Prüfstand befinden sich Prüfmuster aus den ersten PE-HD-Rohrwerkstoffen seit 1956 ununterbrochen im Zeitstand-Innendruckversuch. Diese Proben werden in Kürze im Langzeitversuch ohne Zeitraffung belegen, dass bereits die aus den ersten Chargen produzierten Rohre die hohen Erwartungen an deren Nutzungsdauer erfüllen.
Selbstverständlich haben Forschungsund Entwicklungsarbeiten die Kenntnisse über den Werkstoff und sein anwendungstechnisches Verhalten seit der Markteinführung wesentlich erweitert. Für Rohranwendungen hat sich als entscheidend erwiesen, dass im teilkristallinen PE-HD
- die kristallinen Bereiche für hohe Steifigkeit und geringe Kriechneigung und
- die nicht-kristallinen, amorphen Bereiche für hohe Zähigkeit und Unempfindlichkeit gegen Spannungsrisse maßgebend sind.
Teilt man den Polymerisationsablauf in zwei Stufen auf, lässt sich das Comonomer gezielt in der zweiten Stufe zugeben [4]. Unter diesen Bedingungen werden in der ersten Stufe kurze, unverzweigte Molekülketten polymerisiert. In der zweiten Stufe entstehen Ketten mit sehr hoher Molmasse, in die das Comonomer eingebaut ist und die deswegen die hier erwünschten Kurzkettenverzweigungen enthalten.
Dieses bimodale PE-HD weist eine Molmassenverteilung mit zwei Gipfeln auf und erreicht bei gleichem Comonomer- Gehalt eine höhere Dichte als unimodales PE-HD. In diesen als intrinsische Polymerlegierungen oder Reaktorblends [5] bezeichneten Werkstoffen sind die kurzen Ketten überwiegend kristallin geordnet – daraus resultieren hohe Steifigkeit und geringe Kriechneigung –, während die langen Ketten mit den Kurzkettenverzweigungen eine amorphe Struktur ausbilden und zugleich als Verschlaufungsmoleküle ("Tie Molecules") die kristallinen Bereiche verbinden (Bild 1) [4]. Diese Doppelfunktion der hochmolekularen Ketten ergibt hohe Werte für Zähigkeit, Spannungsrissbeständigkeit und Kerbunempfindlichkeit.
Hostalen-Typ | typische Eigenschaften | Rohranwendungen |
---|---|---|
CRP 100 Black | herausragende Steifigkeits-Zähigkeits-Balance, gute Verarbeitbarkeit | als PE 100+ gelistet; Druckrohre zur Ver- und Entsorgung (Gas, Wasser, Abwasser, Chemikalien), Platten, Profile, Fittinge |
CRP 100 Blue | herausragende Streifigkeits-Zähigkeits-Balance, gute Verarbeitbarkeit | als PE 100+ gelistet; Druckrohre zur Trinkwasserversorgung |
GM 5010 T3 Black | gute Steifigkeits-Zähigkeits-Balance, gute Verarbeitbarkeit | als PE 80 klassifiziert, Druckrohre zur Ver- und Entsorgung (Gas, Wasser, Abwasser, Chemikalien), Platten, Profile, Fittinge |
GM 5010 T3 Natural | gute Steifigkeits-Zähigkeits-Balance, gute Verarbeitbarkeit | Platten und Halbzeuge für Tanks und Behälter, Verschleiß- und Korrosionsschutzbeschichtungen |
Schließlich weist das in ISO/TR 9080 festgelegte Extrapolationsverfahren für Druckrohre aus dem bimodalen Hostalen CRP 100 Black rechnerisch eine sehr hohe Lebensdauer auf (engl.: Design Life Time, der aus der Norm abgeleitete Rechenwert beträgt mehr als 100 Jahre) [7, 8].
Der Grund: Die im blauen Material als Lichtschutzmittel verwendeten HALS-Stabilisatoren sind im OIT-Wert nicht nachzuweisen, sie dürften aber durch synergistisches Zusammenwirken mit den primären Antioxidantien die Langzeitstabilität erhöhen [9].
Die Produktion von bimodalen Rohrwerkstoffen hat Basell vor knapp 10 Jahren am Standort Frankfurt aufgenommen. Dazu zählt neben Hostalen CRP 100 Black und Blue auch Hostalen GM 5010 T3 Black, ein PE-HD der Leistungsklasse PE 80. Dieses Material zeichnet sich ebenfalls durch hohe Zähigkeit, Spannungsrissbeständigkeit und Kerbunempfindlichkeit aus.
Im Rahmen seiner kontinuierlichen Produktpflege hat das Unternehmen einzelne Parameter innerhalb des bestehenden kaskadierten Polymerisationsprozesses modifiziert und ohne prinzipielle Änderung des Verfahrensablaufs den "Advanced Cascade Process – ACP" entwickelt.
Beim ACP-Verfahren laufen in hintereinander geschalteten Reaktoren spezifische Teilprozesse ab (Bild 5) und ergeben multimodales PE-HD [5]. Diese Kaskadentechnik ermöglicht es, die für die Fertigteileigenschaften wichtigen Comonomere noch effektiver und gezielter als bisher in die hochmolekulare Fraktion einzubauen [4].
Das ACP-Verfahren erlaubt es, die Spannungsrissbeständigkeit (ESCR), den Widerstand gegen schnelles Risswachstum (Creep), die durch die Schwerkraft bedingte ungleiche Wanddickenverteilung bei großen, dickwandigen Rohren (Sagging) und die Verarbeitbarkeit gemeinsam weiter zu optimieren (Bild 6), obwohl diese vier Anforderungen an hochwertige PEHD-Rohrwerkstoffe aus Sicht von Molekülaufbau und Mikrostruktur zunächst gegensätzlich erscheinen.
Maßgebend für die Verbesserungen beim Sagging und bei der Verarbeitbarkeit ist der etwas steilere Verlauf der Fließkurve bei den ACP-Produkten (Bild 7). Obwohl die Unterschiede der Viskositätskurven wegen des logarithmischen Maßstabs gering erscheinen, zeigen sich deutliche Auswirkungen: Bei niedriger Schergeschwindigkeit ist die Schmelzeviskosität höher, so dass die Schmelzefestigkeit steigt.
Dies verbessert die Verarbeitbarkeit und ermöglicht es, die erforderliche Massetemperatur abzusenken, wodurch sich neben dem reduzierten Energiebedarf auch das Sagging verringert. Beim Verarbeiten von ACP-Produkten auf Großanlagen haben Rohrhersteller diese Effekte bestätigt:
- Die Fertigungstoleranzen bei dickwandigen Rohren sind signifikant geringer.
- Beim Extrudieren konnten die Massetemperatur um bis zu 10 K und der
Schmelzedruck um bis zu 20 bar abgesenkt werden. - Das am Extruder erforderliche Drehmoment ist geringer, die Leistungsaufnahme geht um bis zu 8% zurück.
Die Zusammenfassung dieser mit dem ACP-Verfahren erreichten Verbesserungen zeigt das Spinnendiagramm in Bild 8. Bei der Langzeitfestigkeit, der Verarbeitbarkeit und der Zähigkeit gehört das mit dem ACP-Verfahren hergestellte Hostalen CRP 100 Black zu den Spitzenreitern, bei den übrigen Eigenschaften liegen die Werte bei 92 bis 98 % des jeweiligen Bestwerts.Damit weist dieser Hochleistungs-Rohrwerkstoff die beste Balance der für Rohranwendungen wichtigen Eigenschaften auf.
[1] Glenz, W.: Polyethylen hoher Dichte (PE-HD). Kunststoffe 94 (2004) 10, S. 58–61
[2] Richard, K.; Diedrich, G.: Rohre aus Niederdruckpolyäthylen – Eigenschaften und Erprobung in Labor und Praxis. Kunststoffe 46 (1956) 5, S. 183–1903
[3] Richard, K.; Diedrich, G.: Standfestigkeitseigenschaften von einigen Hochpolymeren. Kunststoffe 45 (1955) 10, S. 429–433
[4] Böhm, L.: The Ethylene Polymerization with Ziegler Catalysts: Fifty Years after the Discovery: Angew. Chem. Int. Ed. 2003, 42, S. 5010–5030
[5] Beer, G. u.a.: Polyethylen hoher Dichte (PE-HD). Kunststoffe 92 (2002) 10, S. 36–42
[6] Jansen, N.; Lecht, R.; Wernicke, K.: Was kann PE 100? Kunststoffe 86 (1996) 8, S. 1140–1142
[7] Schulte, U.: 100 Jahre Lebensdauer. Kunststoffe 87 (1997) 2, S. 203–206
[8] Schulte, U.: Rohrleitungssysteme aus Kunststoffen – unbegrenzte Lebensdauer? Oldenburger Rohrleitungstage, 4.–5. Feb. 1999
[9] Schulte, U.: PE-HD-Rohre sind beständiger gegen oxidativen Abbau als der OIT zeigt. Vortrag bei der plastics pipes XII, Baveno/Italien, April 2004
Der nach wie vor wachsende Bedarf an Rohrwerkstoffen und die Erkenntnis, dass multimodales PE-HD auch bei Folienanwendungen, beim Blasformen und bei speziellen Spritzgieß- Anwendungen eine Verbesserung der Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften ermöglicht, hat bei Basell zur Entscheidung geführt, am Standort Wesseling eine Großanlage für multimodales PE-HD zu errichten. Die neue Produktionsanlage mit einer Kapazität von 320 000 t/a ist Ende 2004 erfolgreich in Betrieb gegangen.
Sie stellt ein Scale-up der für 110 000 t/a ausgelegten, mit dem ACP-Verfahren arbeitenden Anlage am Standort Frankfurt dar. Auch das bei der Polymerisation verwendete Comonomer, das Additivsystem sowie Art und Menge des Rußes bzw. der Farbpigmente sind unverändert.
In dieser Anlage produziert Basell das gesamte Sortiment seiner PE-HD-Rohrwerkstoffe (Tabelle 1) sowie weitere ACP-Produkte zum Herstellen von Hohlkörpern. Eine weitere derartige Anlage hat das Joint Venture Basell Orlen Polyolefins im dritten Quartal 2005 im polnischen Plock angefahren.
Der Autor
Dipl.-Ing. Ulrich Schulte, geb. 1948, leitet bei der Basell Polyolefine GmbH, Frankfurt am Main, in der Geschäftseinheit Rohre den Bereich Technischer Service und Anwendungsentwicklung.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Fachzeitschrift Kunststoffe."Erstveröffentlichung in Kunststoffe 1/2006, S. 46 - 49".
Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.kunststoffe.de und http://www.kunststoffe-international.com.
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