Optimierte Rohrverlegung in offener Bauweise

14.12.2006

Zahlreiche Schäden an der Kanalisation treten bereits unmittelbar nach der Fertigstellung durch zuvor aufgetretene Fehler bei der Verlegung auf. Mit einem neu entwickelten, optimierten Rohrbauteil in Kombination mit dem darauf abgestimmten optimierten Verlegeverfahren lässt sich die Schadenshäufigkeit bei der Verlegung in der offenen Bauweise deutlich verringern. Dies zeigte ein erster Praxistest auf der Pilotbaustelle in Dortmund.

Probleme bei konventioneller Grabenverlegung

Kanalisationen, d.h. Anlagen zur Sammlung und Ableitung von Abwasser, sind nach den jeweils geltenden Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben.

Beim Bau der Kanalisationen findet nach wie vor überwiegend die offene Bauweise Anwendung, bei der vorgefertigte Rohre, z. B. aus Beton, Stahlbeton, Steinzeug, Kunststoff oder duktilem Gusseisen in einem offenen Graben in entsprechender Tiefe verlegt werden.

Hierbei sind im Wesentlichen nachfolgende Arbeitsschritte auszuführen:

  • Grabenverbau / -sicherung (Ausrichten, Absenken und Aussteifen des Verbaus)
  • Auflagerausbildung (Nivellieren der Grabensohle, Vorbereitung der unteren Bettungsschicht)
  • Lage- und höhenrichtige Rohrverlegung (Ausrichten der Rohre, Korrektur von Lageabweichungen)
  • Einbettung (Unterstopfen der Rohre, Herstellen der oberen Bettungsschicht, Verdichten im Zwickelbereich)
  • Seitenverfüllung (lagenweises Einbringen und Verdichten des Verfüllmaterials seitlich der Rohre)
  • Überschüttung (lagenweises Einbringen und Verdichten der Grabenverfüllung).

Diese seit dem 19. Jahrhundert zur Leitungsverlegung eingesetzte Bauweise erscheint zunächst sehr einfach, ist aber äußerst schwachstellenbehaftet. Diese Aussage bestätigen die Ergebnisse der seit 1970 verstärkt durchgeführten TV-Kanalinspektionen.

Viele der dabei festgestellten Schäden – wie z.B. Risse, Verformungen, Lageabweichungen, Undichtigkeiten – sind erfahrungsgemäß unmittelbar bei oder kurz nach der Bauausführung entstanden und auf Verlegefehler oder falsche Wahl und Handhabung des Verbaus zurückzuführen [1]. Gemäß [2] sind derartige, durch fehlerhafte Bauausführungen verursachte Schadensbilder in Abwasserkanälen der Nennweiten DN 200 bis DN 800 mit einem Anteil von über 30% an der Schadensgesamtheit vertreten.

Dass ein erheblicher Schadensanteil während der Bauausführung entsteht, bestätigen auch die Auswertungen von Abnahmeprotokollen durch Matthes [3], wonach der Schaden „Riss“ mit 56 % als Hauptschadensgruppe ermittelt wurde. Folgen dieser Schäden können neben der Gefährdung der Standsicherheit u.a. Kontamination von Boden und Grundwasser durch exfiltrierende Abwässer bzw. Eintrag von Grundwasser und Boden durch Infiltration, Setzungen des Straßenoberbaus, erhöhte Aufwendungen für Unterhalt und Betrieb, Verkürzung der Nutzungsdauer usw. sein und letztlich erhöhte Abwassergebühren.

Ein weiteres Merkmal der konventionellen Rohrverlegung in offener Bauweise ist der relativ geringe Mechanisierungs- bzw. Automatisierungsgrad. Insbesondere die Arbeitsschritte Auflagerausbildung, Rohrverlegung und Einbettung erfordern trotz des Einsatzes von Hilfsgeräten einen hohen manuellen Arbeitsanteil.

Zur Durchführung dieser Arbeiten ist nach DIN EN 1610 [4] ein entsprechender Arbeitsraum beidseitig des Rohres erforderlich. Durch die daraus resultierende Grabenbreite muss ein erheblich größeres Bodenvolumen bewegt und durch einbaufähiges Material ersetzt werden, als es dem tatsächlich durch die Rohrleitung verdrängten Volumen entspricht. Folgen hieraus sind ein erhöhter Energieeinsatz sowie Werkzeug- und Maschinenverschleiß, Beanspruchung von Deponieraum und Rohstoffressourcen. Weitere systemimmanente Nachteile bestehen in der Störung des durch die Baumaßnahme tangierten Bodenkörpers und ggf. der Erzeugung einer Dränagewirkung des mit verdichtungsfähigem nichtbindigem Boden verfüllten Leitungsgrabens mit entsprechenden Auswirkungen auf die Vegetation und Bebauung.

Neuentwicklung eines "Optimierten Rohres"

Beim Bau von Abwasserleitungen und -kanälen finden überwiegend Rohre mit kreisrunder Außenkontur Anwendung. Ausnahmen stellen lediglich Beton- und Stahlbetonrohre mit Fuß dar.

Die kreisrunde Außenkontur wirkt sich bei der Verlegung nachteilig aus, da zur Einhaltung des statisch erforderlichen Auflagerwinkels die Zwickelbereiche stets unterstopft werden müssen bzw. das Auflager entsprechend vorzuformen ist. Diese unter sehr beengten räumlichen Bedingungen manuell auszuführenden Arbeitsschritte führten in der Vergangenheit zu einer hohen Fehlerquote, verbunden mit den entsprechenden Schadensfolgen für die Rohrleitung.

Vor diesem Hintergrund wurde in den Jahren 1999 bis 2000 das Forschungsvorhaben „Entwicklung eines neuartigen Betonrohrkonzeption mit optimierten Verlegeeigenschaften“, gefördert durch das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL) des Landes Nordrhein-Westfalen, bearbeitet.

Zielstellung war die Entwicklung eines Rohrquerschnittes, der eine hohe Tragsicherheit und optimale Verlegeeigenschaften zur Vermeidung der bekannten Verlegefehler bei gleichzeitiger Minimierung der Rohrquerschnittsfläche aufweist.

Zielstellung war die Entwicklung eines Rohrquerschnittes, der eine hohe Tragsicherheit und optimale Verlegeeigenschaften zur Vermeidung der bekannten Verlegefehler bei gleichzeitiger Minimierung der Rohrquerschnittsfläche aufweist.

Dieses neue „Optimierte Rohr“ besitzt folgende wesentliche Merkmale:

  • vertikale Seitenwände unterhalb des Kämpfers, wodurch die Verdichtung des Zwickelbereiches entfällt
  • eine ebene Sohle mit einer mittigen Aussparung zur Entlastung des Sohlbereiches
  • einen breiten Fuß zur Vergrößerung des wirksamen Auflagerwinkels
  • eine Rohrverbindung mittels einer innenliegenden Manschettendichtung, welche optisch kontrollierbar und bei Bedarf auswechselbar ist.

Zur Herstellung der Rohre wird ein spezieller Hochleistungsbeton eingesetzt, welcher neben einer hohen Festigkeit auch eine verbesserte Korrosionsbeständigkeit aufweist.

Neuentwicklung eines „Optimierten Verlegeverfahrens“ Um neben den durch die Rohrform bedingten Fehlerquellen bei der Rohrverlegung auch weitere der vorgenannten Nachteile der konventionellen Rohrverlegung zu minimieren, wurde im Zuge des seit April 2004 laufenden, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Fortsetzungsvorhabens „Systementwicklung für das Ökonomische und ökologische Verlegen von Entwässerungskanälen und –leitungen in offener Bauweise unter Verwendung optimierter Beton- und Stahlbetonrohre“ unter der Leitung der Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH (seit 01.09.2006 S & P Consult GmbH), Bochum, und unter Einbeziehung weiterer Projektpartner (s. u.) zwischenzeitlich ein speziell auf die o.g. neu entwickelten Rohre abgestimmtes „Optimiertes Verlegeverfahren“ konzipiert und untersucht. Die Kombination dieser Komponenten ermöglicht es, die „optimierten Rohre“ in einem sehr schmalen Graben ohne Arbeitsraum zu verlegen, da ein Betreten des Grabens zur Ausrichtung und Zusammenfügung der Rohre sowie zur Herstellung der Seitenverfüllung nicht mehr erforderlich ist.

Dieses „Optimierte Verlegeverfahren“ basiert auf mehreren Komponenten:

  • Weiterentwicklung des „optimierten Rohres“ (Inspecta Pipe GmbH, St. Augustin).
  • Entwicklung eines Linearverbausystems mit vertikal verlaufenden Kanälen in den Verbauplatten, durch die ein fließfähiges Verfüllmaterial in den Zwischenraum zwischen Rohraußenwand und Verbau eingeleitet werden kann (Emunds+Staudinger GmbH, Hückelhoven).
  • Optimierung der Bodenaufbereitungstechnik für den Wiedereinbau des Aushubmaterials sowie Entwicklung eines fließfähigen Verfüllmaterials zur Verfüllung des Zwischenraum zwischen Rohraußenwand und Verbau (Kronenberger GbR, Perl).
  • Entwicklung eines Rohrverlegegerätes als Anbaugerät für einen Hydraulikbagger mit welchem die Arbeitsschritte Ablassen in den Rohrgraben, Ausrichten und Zusammenfügen der „optimierten Rohre“ weitgehend automatisiert erfolgen (WIMAG GmbH, Obernburg).

Dieser schmale Graben und die fast ausschließliche Nutzung des aufbereiteten Aushubmaterials für die Grabenverfüllung reduzieren Bodenaushub, -transport und -deponierung auf ein absolutes Minimum, dass sich im Wesentlichen auf das von der Rohrleitung in Anspruch genommene Bodenvolumen (Nettovolumen) beschränkt.

Erfolgreiche Pilotbaustelle in Dortmund

Das „Optimierte Verlegeverfahren“ wurde auf einer Pilotbaustelle in Dortmund im Auftrag des Dortmunder Tiefbauamtes von der Bauunternehmung Klaus Stewering GmbH & Co. KG, Borken im Mai und Juni diesen Jahres erstmals unter realen Randbedingungen eingesetzt.

Hier war ein vorhandener Kanal auf einer Länge von rund 65 m durch "Optimierte Rohre" der Nennweite DN 700 zu erneuern. Die Baustelle zeichnete sich durch eine äußerst beengte innerstädtische Lage sowie eine relativ große Verlegetiefe des Kanals vo im Mittel etwa 6,0 m aus. Auch unter diesen schwierigen Randbedingungen konnte die Verlegung der "Optimierten Rohre" mit dem neuen Verlegeverfahren erfolgreich abgeschlossen werden.

Durch den Einsatz einer speziellen Schnellwechselvorrichtung konnten alle Anbaugeräte am Hydraulikbagger – Tieflöffel, Greifer, Rohrverlegegerät, Separator zur Bodenaufbereitung, Verdichtungsgerät etc. – problemlos gewechselt werden, so dass die Baustelle mit nur einem gummibereiften Bagger realisiert werden konnte. Besonders hervorzuheben ist, dass eine Aufbereitung des ansonsten zum Wiedereinbau nicht geeigneten bindigen Grabenaushubs direkt auf der Baustelle umgesetzt wurde, so dass lediglich geringe Restmengen des Bodens zur Deponie abgefahren werden mussten.

Trotz der geringen Grabenbreite war eine lage- und höhenmäßige exakte Verlegung der Rohre möglich. Der schmale Bereich zwischen der Rohraußenkante und dem gewachsenem Boden wurde gleichzeitig mit dem Ziehen der unteren Verbautafeln mit einem ebenfalls auf der Baustelle angemischten fließfähigen und innerhalb weniger Stunden hydraulisch abbindenden Bodenmaterial verfüllt, so dass eine homogene Einbettung der Rohre dauerhaft sichergestellt ist.

Die Verdichtung des aufbereiteten Aushubbodens im Bereich der Hauptverfüllung erfolgte lagenweise mit einem Anbauverdichter. Die Abnahme der neuen Kanalhaltung durch das Dortmunder Tiefbauamt erfolgte nach der Durchführung von Muffendichtheitsprüfungen sowie einer TV-Inspektion ohne Beanstandung.

Als Resümee ist festzuhalten, dass mit dem „Optimierten Verlegeverfahren“ unter Verwendung der speziell entwickelten „Optimierten Rohre“ die bei der konventionellen Grabenverlegung herkömmlicher Rohre häufig auftretenden Fehler praktisch ausgeschlossen werden können und gleichzeitig durch die ressourcen- und umweltschonende Aufbereitung des Aushubmaterials bei deutlich reduzierter Grabenbreite ein Potenzial für nennenswerte Kosteneinsparungen besteht.

Literatur:
[1] Stein, D.: Instandhaltung von Kanalisationen, 3. Aufl., Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1998.
[2] Berger, C.; Lohaus, J.: Zustand der Kanalisation - Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004. Korrespondenz Abwasser (KA), 52 (2005), H. 5, S. 528 – 539.
[3] Matthes, W.: Bestand und Zustand der Abwasserkanäle in der BRD. Abwassernetze, UTA 1/95, S. 23–31.
[4] DIN EN 1610: Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und –kanälen, 10/97.

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