Privatisierung der Wasserversorgung: Vom Menschenrecht zur Handelsware?

23.05.2013

Das Menschenrecht auf den Zugang zu Wasser hat eine lange Entwicklung hinter sich. Erst im Jahr 2010 wurde es von der Generalversammlung der Vereinten Nationen als Menschenrecht anerkannt. Aktuell steht dieses Recht wieder im Fokus: Der Entwurf der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen wird von Vertretern der Medien, der Wirtschaft und der Politik heftig diskutiert.

Die geplante EU-Konzessionsrichtlinie hat einen Streit um das Menschenrecht auf den Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung ausgelöst (Bild: Arsenie Coseac / Flickr.com)

Die Richtlinie ziele auf die vollständige Privatisierung der Wasserversorgung ab und öffne damit einer ausufernden Ungerechtigkeit Tür und Tor, so die Kritiker. Die Fürsprecher betonen dagegen, dass eine derartige Regelung dringend notwendig sei, um auch bei der Vergabe von Konzessionen Transparenz und Wettbewerb gewährleisten zu können.

Soweit die Positionen der zwei Lager. Doch wenn man den zum Teil sehr emotional geführten Konflikt im Detail bewerten möchte, muss man sich zunächst einmal dem Punkt „Menschenrecht auf Wasserversorgung“ widmen.

Wasser als Menschenrecht

Von der ersten Präzisierung des Rechts auf Wasser bis zu seiner endgültigen internationalen Anerkennung im Jahr 2010 hat das Menschenrecht auf Wasser eine lange Entwicklung hinter sich. Die erste Wasserkonferenz der Vereinten Nationen fand 1977 in Argentinien statt. Dort wurde ein Aktionsplan erstellt, der den Zugang zu Wasser als ein Grundrecht würdigt. Weitere UN-Resolutionen folgten, die das Recht auf Zugang zu Wasser bekräftigten, allesamt aber unverbindlich blieben. Ein wichtiges Zeichen kam im Jahr 2002 von dem UN-Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte: In dem General Comment No. 15 zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erkennt der Ausschuss das Menschenrecht auf Wasser grundsätzlich an. Neuen Schub in die Diskussion brachte 2008 dann eine Resolution des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen: Der Rat schuf das Mandat des „Unabhängigen Experten für das Menschenrecht auf Wasser“, welches seitdem von Catarina de Albuquerque wahrgenommen wird. Ihre Aufgaben waren und sind, den Inhalt des Menschenrechts zu erarbeiten, gute Beispiele für die Umsetzung des Rechts zu sammeln und zu verbreiten sowie Informationen über den Umsetzungsstand des Rechts auf Wasser zu sammeln und Staaten bei der Umsetzung zu beraten.

Am 28. Juli 2010 wurde schließlich das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung – unter Hinweis darauf, dass Millionen von Menschen keinen Zugang zu einer sanitären Grundversorgung haben – durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen anerkannt. Die Resolution der Generalversammlung wurde am 30. September 2010 durch den Menschenrechtsrat aufgegriffen und durch einen eigenen Beschluss bekräftigt.

Catarina de Albuquerque ist seit 2008 für die Vereinten Nationen als Expertin für das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser tätig (Bild: Rama / Wikimedia Commons)

Weder der Entschluss der Generalversammlung noch der des Menschenrechtsrates begründen zwar ein völkerrechtlich verbindliches, einklagbares Recht, sind aber von großer politischer Bedeutung. Getragen von der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen bekräftigen die Resolutionen das Bestehen eines Menschenrechts auf den Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung.

Mittlerweile ist das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung also völkerrechtlich anerkannt. Was aber beinhaltet dieses Menschenrecht?

Inhalt des Menschenrechts

Der Inhalt des Menschenrechts auf Wasser wird zum einen in der Resolution der Generalversammlung aus dem Jahr 2010 festgelegt. Darüber hinaus kann der Schutzbereich aber auch dem General Comment No. 15 entnommen werden. Neben dem grundsätzlichen Recht auf Zugang besteht auch das Recht auf eine gute Qualität von Trinkwasser und Sanitärversorgung. Außerdem sind die Staaten verpflichtet, den physischen Zugang zu einer ausreichenden Menge an Trinkwasser zu ermöglichen – und dieser Zugang muss darüber hinaus frei von Diskriminierungen gewährt werden.

Das Recht auf Wasser begründet also nicht nur Freiheiten, sondern auch Pflichten. Zu dem Kreis der Verpflichteten zählen dabei nicht nur die Staaten, sondern auch nichtstaatliche Akteure. Die Pflichten der Staaten bestehen in der Achtung, dem Schutz sowie der Gewährleistung des Rechts auf Wasser. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, die entsprechenden Rechte anderer Staaten zu achten und zu schützen.

Vor diesem Hintergrund soll nun die aktuelle Planung der EU ein wenig ausgeleuchtet werden.

Die geplante Konzessionsrichtlinie der EU

Zuständig für die öffentliche Wasserver- und Abwasserentsorgung sind in Deutschland die Kommunen. Diese Aufgabe können sie entweder selbst erfüllen – und sich dabei verschiedener Organisationsformen bedienen – oder an einen Dritten übertragen. Die Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge sind grundsätzlich in europäischen Richtlinien und deutschen Gesetzen genau geregelt.

Von dem Anwendungsbereich dieser Vorschriften ausgenommen sind aber die so genannten Dienstleistungskonzessionen. Dieser Terminus bezeichnet Verträge, durch die staatliche oder kommunale Aufgaben an einen Dritten übertragen werden. Dieser erhält als Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung nicht einen vorher festgelegten Preis, sondern das Recht, die eigene Leistung zu nutzen oder wirtschaftlichen zu verwerten. Diese Ausnahme bedeutet, dass sich die Gemeinden bei der Übertragung von Konzessionen bislang nicht an die strengen Regeln des europäischen Vergaberechts halten müssen.

Die geplante EU-Richtlinie soll die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen regeln (Bild: Álvaro Millán / Flickr.com)

Im deutschen Vergaberecht ist eine solche Ausnahme nicht ausdrücklich geregelt, jedoch legt die Rechtsprechung § 99 GWB richtlinienkonform aus und kommt so zu dem Ergebnis, dass die Dienstleistungskonzessionen auch von den Vorschriften des deutschen Vergaberechts ausgenommen sind. Zwar unterliegen die Vergabestellen gleichwohl den allgemeinen Grundsätzen des Europarechts und des Binnenmarkts (insbesondere dem Verbot der Diskriminierung und dem Gebot zur Transparenz), aber dabei handelt es sich um schwer greifbare und nachvollziehbare Prinzipien, die mit den genauen Regeln des Vergaberechts nicht vergleichbar sind. Außerdem ist die Einhaltung dieser Grundsätze kaum gerichtlich zu kontrollieren.

Um diese Lücke zu schließen, plant die EU-Kommission den Erlass der Konzessionsrichtlinie. Diese soll Regeln über die Vergabe von Konzessionen auf dem Gebiet der öffentlichen Dienstleistungen, also etwa des Verkehrswesens, der Energie- und Wasserwirtschaft, enthalten – und eben diese Pläne haben vor allem in Bezug auf den Wassersektor für einigen Aufruhr bei den EU-Bürgern gesorgt. In den Medien ist die Rede von einer „Geheimoperation“1 der EU zur zwangsweisen Privatisierung der Wasserversorgung. Dabei wurden Horrorszenarien gezeichnet von zerfallenden Wasserleitungen, ungenießbarem Trinkwasser und horrenden Wasserrechnungen, die auf die stets gewinnorientierten Handlungsstrategien privater Wirtschaftsunternehmen zurückgehen. Aber ist diese Schwarzmalerei gerechtfertigt?

Fallbeispiele für die Privatisierung

Tatsächlich gibt es Beispiele für mögliche negative Folgen der Privatisierung des Wassersektors. So etwa in der philippinischen Hauptstadt Manila: Dort wurde 1997 die Wasserversorgung auf zwei private Unternehmen übertragen. Seitdem sind die Preise drastisch gestiegen, die Versprechen zur Verbesserung der Versorgung konnten aber nicht eingehalten werden.2

Ein weiteres Negativbeispiel kommt aus Bolivien: In Cochabamba, der viertgrößten Stadt des Landes, wurde die Wasserversorgung 1999 privatisiert. Auf die Vergabe an die Firma Aguas de Tunari folgten erhebliche Preissteigerungen und darauf der „Wasserkrieg von Cochabamba“ – die Bevölkerung revoltierte gegen die Preiserhöhungen. Die Privatisierung wurde rückgängig gemacht und die Wasserversorgung wieder in die öffentliche Hand gegeben.3

Die Privatisierung der Wasserversorgung in Cochabamba führte zum so genannten Wasserkrieg (Bild: Kris Krug / Flickr.com)

Diesem Bild gegenüber stehen jedoch auch positive Beispiele: In Chile etwa ist die Privatisierung der Wasserversorgung bereits weit fortgeschritten. Rund 80 % der Wasserversorgung wird durch private Unternehmen geleistet. Diesem Prozess ging hier der Aufbau eines staatlichen Regulierungssystems voraus, das gerechten Zugang und eine gute Versorgung mit Wasser gewährleistet. Durch Subventionen stellt der chilenische Staat die Versorgung von armen Haushalten sicher, gleichzeitig bewirkt die Privatisierung, dass das Leitungsnetz gepflegt und weiter ausgebaut wird.4

Diese Beispiele verdeutlichen die potentiellen Vor- und Nachteile einer Privatisierung. Das marktwirtschaftliche Handeln privater Unternehmen führt leicht zu Preissteigerungen, während eine Qualitätsverbesserung bei der Versorgung nicht garantiert ist. Gleichzeitig ergeben sich aber auch Möglichkeiten in Form einer Gewährleistung der Instandhaltung und des Ausbaus von Versorgungsnetzen – im besten Fall also eine Verbesserung der Gesamtversorgung.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Ansatz, einen staatlichen Regulierungsapparat zu etablieren, der die Privatisierung lenkt und überwacht, denn nur so kann eine ausreichende demokratische Legitimation erreicht werden. Zudem ist es zwingend notwendig, dass die Vergabe von Konzessionen an private Unternehmen transparent erfolgt, um einen fairen Wettbewerb gewährleisten zu können.

Zielsetzung der EU

An diesem Punkt soll laut EU-Kommission die neue Konzessionsrichtlinie aushelfen. Diese richtet sich gezielt auf den Leerraum des Vergaberechts im Bereich der Dienstleistungskonzessionen.

Die Übersicht zeigt den Anwendungsbereich der geplanten Konzessionsrichtlinie (Bild: UNITRACC)

In den letzten Monaten sieht sich die Kommission jedoch heftiger Kritik ausgesetzt. Die Gegner werfen dem EU-Organ vor, es forciere die Privatisierung des Wassersektors in Europa und zwinge die Kommunen zur Ausschreibung der Aufträge zur Versorgung mit Trinkwasser. Doch plant die EU tatsächlich eine flächendeckende Privatisierung der Wasserversorgung? Der Inhalt der geplanten Richtlinie zeigt: Das tut sie nicht und insofern ist der EU-Entwurf auch nicht mit den Beispielen aus Lateinamerika und den Philippinen vergleichbar.

Der Entwurf zielt keineswegs auf eine grundsätzliche Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen ab, wie sie etwa bei Baukonzessionen ab einem bestimmten Schwellenwert besteht. Den Kommunen soll es vielmehr weiterhin überlassen sein, ob sie die Wasserversorgung selbst erbringen oder mittels Outsourcing an private Unternehmen übergeben wollen.

Das bedeutet: Entscheidet sich eine Gemeinde dafür, die Wasserversorgung selbst oder durch ein kommunales Unternehmen zu leisten, sollen die Regelungen der Konzessionsrichtlinie keine Anwendung finden. In Deutschland wären daher alle Stadtwerke und Versorger, die als kommunales Unternehmen geführt werden, von der neuen Regelung überhaupt nicht betroffen.

Erst wenn eine Gemeinde die Wasserversorgung an ein privaten Unternehmens vergibt, sollen die Vergabevorschriften der Richtlinie einzuhalten sein. Die Regelungen sollen also tatsächlich erst dann wirken, wenn der Auftrag in die Privatwirtschaft abgegeben wird. Damit soll gewährleistet werden, dass die Vergabe der Aufträge transparent und unter Beachtung der europäischen Wettbewerbsregeln erfolgt.

Doch selbst hier sollen öffentliche Aufträge unter bestimmten Voraussetzungen ausschreibungsfrei vergeben werden können: Eine Ausschreibungspflicht soll erst für Aufträge ab einem Schwellenwert von 8 Millionen Euro bestehen und wenn die so genannte „80%-Klausel“ erfüllt ist. Darunter ist die Abgrenzung von kommunalen zu privaten Unternehmen anhand ihres Umsatzes zu verstehen: Erbringt ein Unternehmen wenigstens 80 Prozent seines Umsatzes im Stadtgebiet der Gemeinde, gilt es als kommunales Unternehmen und eine Ausschreibungspflicht soll nicht bestehen. Kritisiert wird an dieser Klausel, dass Stadtwerke neben der Wasserversorgung auch andere Dienstleistungen wie die Energieversorgung oder den öffentlichen Nahverkehr erbringen und dabei oftmals auch außerhalb der Stadtgrenzen agieren. Die 80%-Grenze sei daher unrealistisch. Aus diesen Gründen wird erwogen, die Klausel zukünftig auf den Bereich der Wasserversorgung zu begrenzen.5

Man kann also festhalten, dass die EU-Kommission auch bei der Vergabe von Konzessionen die Regeln des Binnenmarktes (Transparenz, Wettbewerb, Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit) konsequent durchsetzen möchte. Ob dieses Vorhaben als zwangsweise Privatisierung der Wasserversorgung in der EU zu bezeichnen ist, darf wenigstens bezweifelt werden. Auch wenn Wasser ein Grundbedürfnis ist, so sollten auch für den Wassermarkt die allgemeinen europäischen Wettbewerbsregeln gelten.

Die Regelungen der geplanten Richtlinie sollen für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen gelten, sofern der Schwellenwert von 8 Millionen Euro erreicht und die 80%-Klausel erfüllt ist (Bild: UNITRACC)

Betrachtet man die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes der vergangenen Jahrzehnte, so erscheint der Schritt der Konzessionsrichtlinie konsequent: Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes gehen auf den EWG-Vertrag von 1957 zurück, seit dem 1. Januar 1993 ist der Europäische Binnenmarkt weitgehend verwirklicht. Um Günstlingswirtschaft und Intransparenz zu begegnen, beherrschen gesetzliche Regelungen den Großteil der Wirtschaft, und eine Vielzahl an nationalen Gesetzen geht im Endeffekt auf europarechtliche Vorschriften zurück. Dass die Kommission nunmehr auch den Bereich der Dienstleistungskonzessionen den europäischen Wettbewerbsregeln unterwerfen möchte, ist vor diesem Hintergrund eine logische Folge. Dennoch hat sich inzwischen unter dem Titel „right2water – Wasser ist ein Menschenrecht“ eine europaweite Kampagne gegen die EU-Pläne aufgestellt.

Die europäische Bürgerinitiative „right2water“

Die Unterstützer von right2water wollen eine Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung in der EU mithilfe einer so genannten Europäische Bürgerinitiative verhindern, wie sie in Art. 11 EUV als direktdemokratisches Instrument in den Vertrag von Lissabon aufgenommen worden ist. Eine solche Initiative kann die EU-Kommission auffordern, sich im Rahmen ihrer Befugnisse mit einem bestimmten Thema zu befassen.

Die Initiative right2water verfolgt drei Ziele: In Europa sollten alle Bürger einen garantierten Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung haben. Außerdem soll die Wasserwirtschaft nicht den Regeln des Binnenmarktes unterstellt werden und die Wasserversorgung somit von der Dienstleistungskonzession generell ausgenommen bleiben. Darüber hinaus verlangt die Initiative eine weltweite Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung. Im Zentrum der Forderungen steht der Ruf nach einer entsprechend formulierten Gesetzesvorlage durch die EU-Kommission.

Eine europäische Bürgerinitiative benötigt mindestens eine Millionen Unterschriften aus wenigstens sieben verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten. In diesen ist jeweils eine bestimmte Mindestzahl an Unterzeichnern erforderlich.6 Erst dann ist die Kommission verpflichtet, sich mit ihrem Anliegen zu befassen. Diese Hürde hat „right2water“ bereits erfolgreich genommen: Mehr als 1,5 Millionen Unterschriften wurden gesammelt, in acht Mitgliedsstaaten wurde das Mindestquorum erreicht.7 Damit ist right2water übrigens auch gleichzeitig die erste erfolgreiche europäische Bürgerinitiative.

Man darf nun gespannt sein, wie es weitergeht. Nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt wurden und die Initiative bei der EU-Kommission vorliegt, muss sich diese mit dem Vorhaben befassen. Die Kommission muss in den drei Monaten nach Vorlage der Initiative die Organisatoren empfangen, damit diese ihre Ziele erläutern können. Den Organisatoren ist zudem die Möglichkeit zu geben, sich in einer öffentlichen Anhörung im europäischen Parlament zu äußern. Darüber hinaus muss die Kommission mitteilen, ob und welche Maßnahmen sie als Reaktion auf die Bürgerinitiative empfiehlt. Trotz dieser umfassenden Pflicht zur Kenntnisnahme und Prüfung ist die Kommission nicht prinzipiell gezwungen, den geforderten Gesetzesentwurf einzubringen.8

Die Europäische Bürgerinitiative „right2water“ hat sich gegen die geplante Konzessionsrichtlinie positioniert (Bild: right2water.eu)

Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis hier erste Ergebnisse zu erwarten sind. Wir möchten an dieser Stelle aber abschließend noch einmal explizit einen prüfenden Blick auf drei zentrale Argumente der Kritiker werfen, um ein wenig Licht in diesen recht undurchsichtigen Streit zu bringen.

Kritik an der Konzessionsrichtlinie

Die Gegner der Richtlinie behaupten zum einen, dass die Wasserversorgung durch private Unternehmen eine Gefahr für den freien Zugang zu sauberem Trinkwasser darstellt. Man geht offenbar davon aus, dass Firmen strikt nach dem Motto „Wer nicht zahlt, bekommt auch nichts“ handeln und dass dieser „Wesenszug“ in Kombination mit einer gewinnorientierten Preispolitik weniger gut betuchte Bürger schnell in eine finanzielle Schieflage bringen würde.

Doch dabei wird anscheinend übergangen, dass bereits jetzt die Wasserversorgung nicht kostenlos ist und dass auch jetzt Wasseranschlüsse gesperrt werden, wenn die entsprechenden Rechnungen nicht gezahlt werden. Somit bleiben an dieser Stelle nur die Risiken einer ausufernden und womöglich intransparenten Preisentwicklung zurück, denen man aber durchaus mit der zuvor bereits erwähnten staatlichen Regulierung begegnen könnte.

Zum anderen wird als Argument vorgetragen, dass Wasser ein öffentliches und lebensnotwendiges Gut darstellt, das nicht durch Privatunternehmen im Monopol vertrieben werden darf. Dieser Punkt ist durchaus brisant. Die Ressource „Wasser“ gehört natürlich dem Staat, aber es muss klar geregelt werden, wie eine Grundversorgung mit dieser Ressource von Seiten des Staats gewährleistet werden kann, wenn die Distribution des Guts in rein privater Hand liegt. Außerdem gilt es zu prüfen, inwiefern hier die Gefahr lauert, dass Wasser indirekt zum Spekulationsgut an internationalen Börsen wird, wenn die Wasserversorgung im großen Maßstab von börsennotierten Unternehmen realisiert wird.

Als drittes Argument wird schließlich noch angeführt, dass das bisherige System sich bis dato ja bewährt habe und dass deshalb kein Handlungsbedarf bestünde. Hierzu lässt sich Folgendes sagen: Insbesondere in Deutschland ist die Wasserqualität seit vielen Jahren hervorragend und die Versorgung geradezu vorbildlich. Das stimmt natürlich. Doch es gibt keinen Indikator dafür, dass eine private Wasserversorgung an diesen Maßgaben etwas ändern würde. Ein systematisches Herunterwirtschaften eines derart hochwertigen Netzwerks zur kurzfristigen Geldgenerierung wird hier befürchtet. Ein solches Vorgehen ist jedoch erst dann überhaupt möglich, wenn der Staat den Verantwortlichen nicht ordnungsgemäß auf die Finger schaut. Auch hier würde also eine entsprechende staatliche Aufsicht nachhaltig für Sicherheit sorgen, ohne den wirtschaftlichen Wettbewerb dabei unnötig zu behindern.

Ferner liegt an diesem Punkt die Vermutung nahe, dass einige Kritikerstimmen konkret um ihre bestehenden Vertragsbedingungen bangen, da sie durch die strukturellen Änderungen gezwungen wären, diese transparent zu kommunizieren und sich in Zukunft dem Wettbewerb zu stellen. Es ist klar, dass diese kühne Vermutung sicher als Affront wahrgenommen wird – aber sie scheint in der vorherrschenden Diskussion doch nicht weniger vertretbar als die derzeit kultivierte diffuse Angst, dass in Zukunft viele Bürger pleite wären und/oder buchstäblich auf dem Trockenen sitzen würden, wenn die EU-Richtlinie umgesetzt werden würde.

Fazit

Die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Ressource Wasser und die Etablierung eines Menschenrechts auf freien Zugang zu dieser wertvollen Ressource stehen nicht zwangsläufig im Widerspruch zu einer Wasserversorgung durch die Privatwirtschaft – aber sie zwingen alle Beteiligten zu einem Höchstmaß an Transparenz und Fairness. Sowohl der Staat als auch der Bürger muss jederzeit wissen, wie es um die Wasserversorgung gestellt ist. Eine staatliche Aufsicht ist daher in diesem Kontext obligatorisch, denn nur so kann man eine hohe Trinkwasserqualität zu angemessenen Preisen garantieren.

Doch genau beim Thema „Transparenz“ kann man wiederum den Vertretern der EU offenbar einen begründeten Vorwurf machen. Die Reaktionen der Medien und Menschen in Europa zeigen deutlich, dass die Informationspolitik nicht zu den Stärken von Brüssel gehört. Gerade bei einem derart sensiblen Thema wie der Wasserversorgung wäre die EU-Kommission gut beraten gewesen, bereits im Vorfeld darüber aufzuklären, welche Pläne man schmiedet und auf welchen Überlegungen diese Pläne fußen. Denn eines ist klar: Nur wenn die Kommission ihr Vorgehen verständlich und nachvollziehbar gestaltet, kann sie auf Verständnis und Zustimmung in der Bevölkerung hoffen.

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1
ARD Monitor, Sendung vom 13.12.2012, www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/1213/wasser.php5.
2 Uwe Hoering, „Wasserprivatisierung in Manila – Ein Globalisierungs-Lehrstück“, www.globe-spotting.de/fileadmin/user_upload/globe-spotting/water/Manila_Wasserprivatisierung.pdf. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.
3 Michael Krämer (Amnesty International), „Menschenrecht auf Wasser: Privatisierung löst keine Probleme“, www.amnesty.de/umleitung/2004/deu05/089. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.
4 Deutsches Institut für Menschenrechte, „Erfolgreiches Wassermanagement in Chile“, www.dimr.eu/questions.php?questionid=266. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013; Viva con Agua de Sankt Pauli e.V., „Das Geschäft mit dem Wasser – Privatisierung und ihre Probleme“, www.vivaconagua.org/index.htm?post?1353. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.
5 EU-Kommission, „Wasserprivatisierung und die EU-Vergaberichtlinie - Fragen und Antworten“, ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11205_de.htm. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.
6 Die Mindestzahl von Unterzeichnern in den Mitgliedsstaat ist genau festgelegt, vgl. ec.europa.eu/citizens-initiative/public/signatories. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.
7 right2water, Mitteilung vom 07.05.2013, www.right2water.eu/de/node/368. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.
8 Das Verfahren der Europäischen Bürgerinitiative ist auf der Internetseite der EU-Kommission Schritt für Schritt erklärt, ec.europa.eu/citizens-initiative/public/how-it-works/committee. Zuletzt abgerufen am 08.05.2013.

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