Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Thermodynamische Aspekte

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Image 5.3.1.2.2.1-1: 

Schematische Darstellung der Oberflächen- bzw. Grenzflächenenergien bei der Benetzung [Sasse94]

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Image 5.3.1.2.2.1-2: 

Kritische Oberflächenenergie der Benetzung [Zisma63]

Die wirksame Oberfläche als Summe der Kontaktflächen zwischen Adhäsiv und Festkörper ist das Ergebnis des Benetzungsvorgangs.

Unter Benetzung (auch: Spreitung) versteht man die Adsorption und Ausbreitung einer Flüssigkeit auf einer festen Oberfläche.

Erstmalig berichtete Young [Young05] über Benetzungsversuche von Festkörperoberflächen mit Flüssigkeiten und stellte einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem Benetzungswinkel (Randwinkel der Benetzung) und den Grenz- bzw. Oberflächenenergien der am Benetzungsvorgang beteiligten Stoffphasen auf. Unter der Voraussetzung einer ideal ebenen Festkörperoberfläche, der Reversibilität der Benetzung und unter Vernachlässigung der Schwerkraft leitete er an der Dreiphasenlinie fest-flüssig-gasförmig die im (Image 5.3.1.2.2.1-1) dargestellte Gleichung für den Randwinkel ϑ ab.

Zisman [Zisma63] führt bei seinen Arbeiten die kritische Oberflächenenergie der Benetzung von Festkörpern (γc (Image 5.3.1.2.2.1-2) ) ein und zeigt damit einen praktikablen Weg auf, die Benetzbarkeit von Festkörperoberflächen unterschiedlicher Oberflächenenergien abzuschätzen. Nach seiner Theorie wird die Oberfläche eines festen Körpers von jeder Flüssigkeit benetzt, deren Oberflächenenergie geringer als die kritische Oberflächenenergie des Festkörpers ist.

Die kritische Oberflächenenergie wird experimentell ermittelt, indem man auf einen Untergrund verschiedene Flüssigkeiten mit bekannten Oberflächenenergien γL aufträgt und den Randwinkel ϑ misst. Der Verlauf des Cosinus des Randwinkels gegen γL aufgetragen ist in (Image 5.3.1.2.2.1-2) dargestellt. Die kritische Oberflächenenergie γc des Festkörpers kennzeichnet jenen Punkt der Kurve, bei dem cos ϑ zum ersten Mal kleiner als eins wird. Dieser Wert charakterisiert die spezifische freie Energie des Festkörpers.

Für den im (Image 5.3.1.2.2.1-2) dargestellten Fall kommt es folglich bei den Flüssigkeiten mit den Oberflächenenergien γL3 bis γL5 nicht zu einer Benetzung der zugehörigen Oberfläche.

Die Oberflächenenergie (Anmerkung: Die Oberflächenenergie ist zahlenmäßig der Oberflächenspannung gleich) für Zementbeton beträgt ca. 75 mJ/m2 und für Wasser ca. 72 mJ/m2, so daß Wasser eine Zementbetonoberfläche benetzen kann.

Bei der Benetzung von Normalbetonoberflächen mit Wasser ergeben sich sehr kleine Grenzflächenenergien und damit Randwinkel um 0° (Image 5.3.1.2.2.1-2) . Dies bedeutet hydrophiles Verhalten, das durch spontane Benetzung der Betonoberfläche und kapillares Aufsaugen gekennzeichnet ist. Ein derartiges Verhalten eines zu beschichtenden Untergrundes begünstigt die Adhäsion zwischen einer Mörtelbeschichtung und dem Untergrund und somit die Festigkeit des Verbundes.

Stoffe wie Fette, Öle, Wachse, Polymere und die meisten organischen Verbindungen besitzen energiearme Oberflächen. Für Fette und Öle beträgt die Oberflächenenergie ca. 30 - 50 mJ/m 2 . Dies hat zur Folge, daß bei Vorhandensein von Öl oder Fett auf einer Zementbetonoberfläche eine Benetzung mit Wasser aufgrund der reduzierten Oberflächenenergie nicht stattfindet, sondern das Wasser von der Oberfläche abperlt.

Mit Hilfe eines einfachen, in [DAfStB:1991] beschriebenen Verfahrens kann die Benetzbarkeit und Saugfähigkeit des Betonuntergrundes überprüft werden. Hierzu werden einige Tropfen Wassers, z.B. mit einer Pipette, auf die Betonoberfläche aufgetropft und der Abperleffekt (nicht, schwach oder ausgeprägt abperlend) bewertet. Es kann sich eine sofortige Durchfeuchtung des oberflächennahen Bereichs, erkennbar an der Bildung dunkler Flecken, oder eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Tropfenbildung (Abperleffekt) einstellen. Die Wirkung des Abperleffektes wird dabei von der Oberflächenbeschaffenheit, im wesentlichen von der Porosität und Verschmutzung sowie von der Art einer Oberflächenvorbereitung beeinflußt.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)