Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Reaktionsharzmörtel und -betone

Enthält ein Mörtel keinen Zement und besteht das gesamte Bindemittel aus einem bei bauüblichen Temperaturen reaktionsfähigen Kunstharzgemisch, so spricht man von einem Reaktionsharzmörtel oder kurz PC (Polymer Concrete). Verwendet werden Reaktionsharzsysteme auf der Basis von ungesättigten Polyestern, Epoxidharzen und Methacrylatharzen, die "kalthärtend" sind, d.h. die bei Raumtemperatur vollständig aushärten können.

Infolge fehlender Erfahrungen im vorliegenden Anwendungsfall wird dabei auf die des Hoch- und Industriebaus zurückgegriffen.

Aufgrund der außerordentlichen chemischen Reaktionsträgheit der üblichen ausgehärteten polymeren Bindemittel und wegen des Fehlens jeglichen kapillaren Porenraumes ist die Dauerhaftigkeit von Reaktionsmörteln unter Witterungs- und sonstigen Betriebsbedingungen ausgezeichnet. Kritisch kann dagegen bei bestimmten Harztypen die Dauerhaftigkeit des Verbundes zum Altbeton bei dessen langzeitiger Durchfeuchtung, also bei den für Kanalisationen typischen Verhältnissen sein [Sasse94] .

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Image 5.3.1.3.4-1: 

Einfluß der Zuschlagfeuchte auf die Festigkeit von EP-Mörteln [Sasse94]

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Image 5.3.1.3.4-2: 

Abhängigkeit der Festigkeiten eines Reaktionsharzmörtels vom Mischungsverhältnis (Beispiel) [Sasse94]

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Image 5.3.1.3.4-3: 

E-Modul von Reaktionsharzbetonen als Funktion des Harzgehaltes [Sasse94]

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Image 5.3.1.3.4-4: 

E-Moduln von EP- und PMMA-Betonen als Funktion der Temperatur [Sasse94]

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Image 5.3.1.3.4-5: 

Linearer Temperaturdehnkoeffizient in Abhängigkeit von Füllgrad und Bindemittelsystem [Sasse94]

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Image 5.3.1.3.4-6: 

Schrumpfen von Reaktionsharzmörteln in Abhängigkeit vom Zuschlaggehalt [Sasse94]

Reaktionsharzbeton wird hinsichtlich der Zusammensetzung der Zuschläge nach den gleichen technologischen Grundsätzen wie Zementbeton zusammengesetzt. Die Konsistenz wird durch geeignete Wahl der Bindemittelmenge und der Harz-Härter-Viskosität geregelt.

Wegen der hohen Harzkosten und der Vermeidung hoher Eigenspannungen aus exothermen Härtungsreaktionen muß besonderer Wert auf ein möglichst hohlraumarmes Zuschlaggemisch gelegt werden. Die Korngruppen werden daher sehr fein abgestuft zugegeben. Als körnige Füllstoffe kommen Quarzmehle oder -sande zum Einsatz, deren Kornverteilung möglichst einer Idealsieblinie nach Fuller entsprechen sollte. Die maximale Korngröße sollte weniger als ein Drittel der minimalen Schichtdicke betragen.

Fast alle Harze erfordern getrocknete Zuschläge, da bereits die Ausgleichsfeuchte bei normaler Luftfeuchte zu nennenswerten Eigenschaftsverschlechterungen führt. Nach [Knott82] sollte der Wassergehalt 0,1 Gew.-% nicht überschreiten.

Den Einfluß der Zuschlagfeuchte bei EP-Mörteln zeigt (Image 5.3.1.3.4-1) .

Reaktionsharzmörtel enthalten im Einzelfall auch faserige Füllstoffe. Sie verbessern in erster Linie die Zug- und Biegezugfestigkeit und vermindern den Schrumpf.

Glasfasern dürfen aus der Beschichtung nicht vor- oder herausstehen, da an ihnen entlang Wasser in die Beschichtung eindringt und sie zerstört (Kapillareffekt). Aus diesem Grund sollte immer eine Schlußschicht aus reinem Harz aufgebracht werden [Spind76] .

Die Eigenschaften von Reaktionsharzmörteln werden nicht nur durch die Eigenschaften des Bindemittels und der Zuschläge beeinflußt sondern in weit höherem Maße als bei Zementbeton auch durch den Bindemittelanteil.

Die Abhängigkeit der Festigkeiten von der Bindemittelmenge zeigt (Image 5.3.1.3.4-2) . Die Form der Spannungs-Dehnungslinien ist derjenigen hochfester Zementbetone ähnlich, die Bruchdehnung liegt jedoch je nach Festigkeit mit 4 bis 8 mm/m höher.

Der Elastizitätsmodul hängt wie die Festigkeiten wesentlich von den Eigenschaften des Bindemittels, dem Mischungsverhältnis und der Temperatur ab (Image 5.3.1.3.4-3) (Image 5.3.1.3.4-4) .

Wegen seiner relativ hohen Zugfestigkeit wird Reaktionsharzbeton oder -mörtel in der Regel nicht bewehrt. Wenn eine Bewehrung erforderlich wird, ist zu beachten, daß der Stahl nicht alkalisch vor Korrosion geschützt ist. Es sollten daher grundsätzlich EP-beschichtete Betonstähle verwendet werden, wenn nicht Glasfaserstäbe oder -matten eingesetzt werden.

Wegen der auftretenden Spannungen müssen bei allen, insbesondere bei füllstoffarmen Reaktionsharzbeschichtungen die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Rohrwerkstoff und Beschichtung berücksichtigt werden (Image 5.3.1.3.4-5) .

Differieren die Wärmeausdehnungskoeffizienten von Harz und Untergrund, so ergeben sich bei Temperaturänderungen ungünstige Auswirkungen auf die Haftung bzw. den Verbund. Durch Zuschläge und Feinstfüllstoffe mit geringen Temperaturdehnkoeffizienten können die Koeffizienten für den Reaktionsharzmörtel deutlich gesenkt werden, wobei ähnliche Werte wie bei Zementbeton erreicht werden.

Die chemische Vernetzung beim Aushärten von Reaktionsharzen führt zu einer engeren molekularen Packungsdichte und damit zu einer Volumenverringerung, dem Erhärtungsschrumpfen.

Das freie lineare Schrumpfen hängt vom Polymertyp ab und liegt in der Größenordnung von 0,01% (hochgefüllte EP-Mörtel) bis 2 % (harzreiche Verlaufmörtel). Die Abhängigkeit vom Zuschlaggehalt zeigt exemplarisch (Image 5.3.1.3.4-6) .

Die Adhäsionsmechanismen zwischen mineralischen und polymeren Stoffen sind noch sehr unvollständig erforscht. Allgemein kann jedoch gesagt werden, daß sehr gute Haftfestigkeiten erreicht werden, wenn die Altbetonoberfläche sauber und trocken ist und eine möglichst vollständige Benetzung stattfindet. Vor der Mörtelapplikation werden daher in der Regel Haftbrücken auf den Untergrundbeton aufgetragen. Hierauf kann nur bei sehr bindemittelreichen Mischungen verzichtet werden, da diese eine ausreichende Benetzung des Untergrundbetons erzielen.

In stark alkalischer Umgebung, wie sie im nicht karbonatisierten, durchfeuchteten Zementbeton vorliegt, neigen manche Kunstharze zu mehr oder weniger ausgeprägten Hydrolyseerscheinungen bzw. Verseifungserscheinungen. Hierdurch tritt an der Oberfläche eine allmähliche Zerstörung der Makromoleküle auf, was schließlich nach einem Zeitraum von etwa 1 bis 2 Jahren zu einer Verschlechterung bereits erreichter Haftfestigkeitseigenschaften führen kann [Sasse94] .

Grundsätzlich sollten Reaktionsharze nur auf abgetrocknetem Untergrund verarbeitet werden, auch wenn heute wasserunempfindliche oder sogar unter Wasser verarbeitbare Harze zur Verfügung stehen. Die Erfahrung beweist, daß die Haftung um so besser ist, je trockener der Untergrund bei der Verarbeitung war [Haefe83] .

Haupteinflußfaktoren des Trocknungsvorganges sind:

  • relative Luftfeuchtigkeit,
  • Umgebungstemperatur,
  • Luftbewegung,
  • Lage der Verdunstungsfläche,
  • Bauteilgefüge und -dicke.

Ein besonderes Problem stellt die Trocknung von Kanälen aus Beton oder Stahlbeton dar. Um den in Abhängigkeit vom verwendeten Reaktionsharzsystem erforderlichen Feuchtigkeitsgehalt der Betonoberfläche zu erzielen, können geeignete Trockenluftgeräte eingesetzt werden.

Im vorliegenden Anwendungsfall läßt sich die Trocknung jedoch nur für den oberflächennahen Bereich realisieren. Im Inneren des Rohrwandungsbetons wird i.a. immer ein höherer Feuchtigkeitsgehalt vorhanden sein, der zu einer Feuchtigkeitswanderung zur getrockneten Oberfläche und somit zu einer Beeinträchtigung der Haftung einer Reaktionsharzbeschichtung führen kann. Dieses Phänomen tritt vor allem bei großen Wanddicken sowie bei hoher Feuchtigkeit des Bodens in der Leitungszone auf.

Eine Abhilfe kann eine Grundierung des vorbehandelten Betonuntergrundes schaffen, die generell bei Reaktionsharzbeschichtungen empfohlen wird. Neben ihrer Hauptaufgabe, der Oberflächenverfestigung von Betons, kann sie auch zur Kapillarinaktivierung des Untergrundes und Vermeidung einer definierten Grenzfläche Beton/ Reaktionsharzbeschichtung beitragen [Ettel76] . Die Wirkung der Grundierung ist am besten, wenn soviel Grundierstoff aufgebracht wird, daß der Beton im oberflächennahen Bereich damit gesättigt ist.

In jedem Fall sollte man durch eine Probebeschichtung prüfen, ob ausreichende Aushärtung und Haftung auf dem so vorbehandelten Untergrund zu erreichen sind.

Kondenswasserbildung auf zu beschichtenden Flächen, die insbesondere in geschlossenen Bauwerken unter Geländeniveau (Schächte u.a.) und bei Rohrwerkstoffen mit sehr geringem Porenanteil bei Unterschreitung der Taupunkt-Temperatur oft auftritt, kann die Haftfestigkeit entscheidend mindern.

Auch bei mehrschichtigem Aufbau darf die nachfolgende Schicht auf keinen Fall aufgetragen werden, wenn die Temperatur des Untergrundes kleiner oder gleich der Taupunkt-Temperatur ist. Um sicher zu gehen, soll die Taupunkt-Temperatur wenigstens 3° C unter der Temperatur des zu beschichtenden Untergrundes liegen.

Reaktionsharz-Systeme können auch während der Aushärtung noch empfindlich gegen Feuchtigkeit sein. Daher müssen die zu beschichtenden Flächen während des Beschichtens und bis zur Aushärtung vor Feuchtigkeitszutritt und Kondensfeuchtigkeit geschützt werden.

Bei der Anwendung dieser Beschichtungsstoffe müssen alle Herstellerangaben, insbesondere über Mischungsverhältnis, Temperatur, Feuchtigkeit, Untergrundbeschaffenheit und Wartezeiten beachtet werden. Vorgefertigten Produkten sollte der Vorzug gegeben werden, da bei diesen die Einhaltung und Überwachung der Qualität erheblich erleichtert wird.

Nachfolgend soll auf die wichtigsten Reaktionsharze (UP-, EP-, PU- und PMMA-Harze), deren Eigenschaften sowie auf Probleme bei ihrer Anwendung eingegangen werden.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)