Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Wartung

Wartung:
Nach [ATVM143-1:1989] wird der Begriff der Wartung definiert als: Maßnahmen zur Bewahrung des Sollzustandes.

Sollzustand:
Unter Sollzustand versteht man den für den jeweiligen Fall festgelegten (geforderten) Zustand einer Anlage, eines Bauwerkes oder einzelner Teile (Abschnitt 2.1) (Abschnitt 5.1).

Die Wartung ist eng mit den beiden anderen Hauptmaßnahmegruppen der Instandhaltung, d.h. der Inspektion und der Sanierung, verbunden. Diese Verbindungen bestehen trotz der deutlichen Unterschiede in ihren Zielsetzungen, da die Grenzen von Wartung, Inspektion und Sanierung fließend sind. Wartungsarbeiten sind beispielsweise immer mit Maßnahmen zum Finden von Besonderheiten im Objektzustand und der Ermittlung deren Ursachen (Inspektion) verbunden, wenn diese mit den Mitteln des Wartungspersonals durchgeführt werden können.

In der europäischen Normung wird an Stelle des Begriffes Wartung der Begriff Unterhalt verwendet.

Der Unterhalt umfaßt nach DIN EN 752-7 [DINEN752-7] eine Kombination von vorausschauend geplanten Maßnahmen und ereignisabhängigen Reaktionen, die das System in einem Zustand erhalten, der die Betriebsfähigkeit zufriedenstellend sichert.

Beispiele solcher Maßnahmen sind:

  • örtliche Reparatur oder Auswechselung von beschädigten Rohren oder anderen Bauteilen (Abschnitt 5.2) ;
  • Beseitigung von Ablagerungen, Hindernissen usw., um die hydraulische Leistungsfähigkeit wiederherzustellen (Abschnitt 3.2.1) ;
  • Wartung von maschinellen Ausrüstungen (z.B. Pumpen);
  • Ratten- und Insektenbekämpfung.

In Kombination mit dem Betrieb, d.h. der Überwachung, Steuerung oder Umverteilung des Abwasserabflusses, werden durch den Unterhalt folgende Ziele verfolgt [DINEN752-7] :

  • Sicherstellung der ständigen Betriebsbereitschaft und -fähigkeit des gesamten Systems im Rahmen der gestellten Anforderungen;
  • Sicherstellung eines sicheren, umweltverträglichen und wirtschaftlichen Betriebs des Systems;
  • Sicherstellung, daß bei Ausfall eines Systemteils die Betriebsfähigkeit anderer Teile so weit wie möglich nicht beeinträchtigt wird.

Damit soll auch sichergestellt werden, daß das jeweilige Entwässerungssystem die Anforderungen nach DIN EN 752-2 [DINEN752-2] erfüllt, wie:

  • "Verstopfungsfreier Betrieb";
  • Begrenzung der Überflutungshäufigkeiten auf die vorgeschriebenen Werte (Tabelle 3.1-1) ;
  • Schutz von Gesundheit und Leben der Öffentlichkeit;
  • Die Überlastungshäufigkeiten sollten auf die vorgeschriebenen Werte begrenzt werden;
  • Schutz von Gesundheit und Leben des Betriebspersonals;
  • Schutz der Vorfluter vor Verschmutzung im Rahmen festgelegter Grenzen;
  • Ausschluß der Gefährdung von bestehenden, angrenzenden Bauten und Ver- und Entsorgungseinrichtungen durch Abwasserleitungen und -kanäle;
  • Erreichung der geforderten Nutzungsdauer und Erhaltung des baulichen Bestandes;
  • Wasserdichtheit der Abwasserleitungen und -kanäle entsprechend den Prüfungsanforderungen;
  • Vermeidung von Geruchsbelästigungen und Giftigkeit;
  • Sicherstellung der geeigneten Zugänglichkeit für Unterhaltungszwecke."
Tabelle 3.1-1: 

Empfohlene Häufigkeiten für Bemessungsregen und Überflutungen für den Entwurf von Entwässerungssystemen nach DIN EN 752-4 [DINEN752-4]

Häufigkeit der
Bemessungsregen*)
(1 mal in "n" Jahren)
Ort Überflutungs−
häufigkeit
(1 mal in "n" Jahren)
1 in 1 Ländliche Gebiete 1 in 10
1 in 2 Wohngebiete 1 in 20
Stadtzentren, Industrie− und Gewerbegebiete:
1 in 2 − mit Überflutungsprüfung 1 in 30
1 in 5 − ohne Überflutungsprüfung
1 in 10 Unterirdische Bahnanlagen, Unterführungen 1 in 50
* Für Bemessungsregen dürfen keine Überlastungen auftreten.

Voraussetzung für eine planmäßige Durchführung der Wartung ist das "Erstellen eines Wartungsplanes, der auf die spezifischen Belange des jeweiligen Betriebes oder der betrieblichen Anlage abgestellt ist und hierfür verbindlich gilt" [DIN31051:1985] .

Darüber hinaus sind erforderlich [DINEN752-7] :

  • Planung;
  • Zugangsrechte;
  • ausreichendes und fachlich kompetentes Personal;
  • klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten;
  • geeignete Ausrüstung;
  • Kenntnisse des Systems mit seinen betrieblichen Zusammenhängen und der Einleiter;
  • ausreichende Aufzeichnungen und Untersuchungen, z.B. nach [DINEN752-7] :
    • Bestandsverzeichnis des Systems einschließlich Aufzeichnungen über Abwasserleitungen und -kanäle, Schächte, Pumpanlagen, Regenentlastungsbauwerke, Speicherbecken usw.;
    • Detailangaben über die erlaubten Einleitungen in das System (betriebliches Schmutzwasser, gefährliche Stoffe usw.);
    • Detailangaben über die erlaubten Einleitungen in Vorfluter (Regenentlastungsbauwerke, Pumpenanlagen usw.);
    • Aufzeichnungen über Systeminspektionen (z.B. Kanalfernsehinspektionsberichte);
    • Aufzeichnungen über Vorfälle wie Verstopfungen, Rohrbrüche, Störungen an Pumpstationen und Pumpdruckleitungen, Überflutungen;
    • Regenaufzeichnungen;
    • Aufzeichnungen von ausgeführten Arbeiten im Rahmen des geplanten Unterhalts;
    • tatsächliche Reaktionszeiten bei der Behebung von Notfällen;
    • Daten über die Kosten von Vorfällen und des Unterhalts zur Kostenkontrolle und Leistungsbeurteilung;
    • Daten über die hydraulische Leistungsfähigkeit;
    • Aufzeichnung über die Leistungsfähigkeit des Systems (s. Abschn. 8 in DIN EN 752-2 [DINEN752-2] ).

Auf der Basis der Kenntnisse des Systems, d.h. des Kanalnetzes mit seinen Bauwerken und Einrichtungen, sowie der betrieblichen Zusammenhänge ist ein Wartungsplan z.B. in Anlehnung an [ATVA140] von dem für den Betrieb der Anlagen Verantwortlichen aufzustellen. Darin erfolgt die Festlegung von Wartungsintervallen für die Betrachtungseinheiten und die Aufstellung von Prioritätenlisten für Wartungsarbeiten bei besonderen Betriebszuständen, z.B. nach unwetterartigen Niederschlägen. Für alle Maßnahmen der Wartung sind die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche des Personals im Wartungsplan, der in der Regel Bestandteil einer Arbeits-, Betriebs- oder Dienstanweisung wird, festzulegen. Die Wartungspläne müssen regelmäßig fortgeschrieben und an veränderte Randbedingungen angepaßt werden.

Veränderte Randbedingungen können z.B. sein:

  • Anschluß von Neubauten an den bestehenden Kanal,
  • Änderung der Menge und Zusammensetzung des Abwassers, z.B. durch Ansiedlung neuer Industriebetriebe,
  • erhöhter Eintrag von Schmutz- und Feststoffen, z.B. in Bereichen von Großbaustellen, Gefälleänderungen, z.B. in Bergsenkungsgebieten,
  • Änderungen der betrieblichen Bedingungen, z.B. Umstellung einer Freispiegelleitung in eine Druckleitung.

Bei der Durchführung der Wartungsarbeiten können auch Beobachtungen gemacht werden, die eine eingehende Inspektion (Abschnitt 4.1) erforderlich erscheinen lassen.

Hierzu zählen z.B.:

  • Setzungen oder Einbrüche der Geländeoberfläche im Bereich der Kanaltrasse (Abschnitt 2.2.3.2) (Abschnitt 4.3.1.1) und der Schächte,
  • Geruchsbelästigung,
  • Korrosionserscheinungen in den Schächten.

Von der Größe und Organisation eines Kanalbetriebes wird es abhängig sein, ob im Zuge der Wartung auch die oben angeführten örtlichen Reparaturen durchgeführt werden. In jedem Falle sind Erkenntnisse über notwendige Reparaturen durch das Wartungspersonal weiterzumelden.

Die Wartung ist wegen ihrer prophylaktischen Wirkung und wegen ihrer hohen Effektivität eine der wichtigsten Instandhaltungsmaßnahmen. Es werden technisch relativ einfache Maßnahmen konsequent realisiert.

image
Bild 3.1-1: 

Nutzen der Wartung, dargestellt mit Abbaukurven des Abnutzungsvorrates in Anlehnung an [Renke84] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Der Nutzen einer ordnungsgemäß durchgeführten Wartung liegt nicht nur in der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit, sondern z.B. auch in der zeitlichen Verschiebung der Abbaukurve des Abnutzungsvorrates und damit in der Verlängerung der Nutzungsdauer von Kanalisationen (Bild 3.1-1) .

Bei Wartungs- aber auch Inspektions- (Abschnitt 4.1) und Sanierungsarbeiten (Abschnitt 5) sind die Aspekte der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes besonders zu berücksichtigen und zu beachten, da sich Arbeiten in den abwassertechnischen Anlagen wie z. B. begehbaren Kanälen und Schächten nicht vermeiden lassen. Sie haben ein erhöhtes Gefahrenpotential und werden deshalb nach VBG 1 § 36 (1) [VBG1] den "gefährlichen Arbeiten" zugerechnet.

Gefahren nach den Sicherheitsregeln für Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen [GUVV95] sind:

  • "Gase oder Dämpfe, durch die Brände oder Explosionen entstehen können,
  • Sauerstoffmangel, der zum Ersticken führen kann,
  • sehr giftige, giftige oder mindergiftige (gesundheitsschädliche) Stoffe, die berührt, durch die Haut und den Mund aufgenommen oder eingeatmet werden können,
  • Einsetzen stärkerer Wasserführung, z. B. infolge starken Regens,
  • Bakterien oder Lebewesen und deren Stoffwechselprodukte sowie Verschmutzungen, die zu Infektionen führen können" [GUVV95] sowie
  • Absturzgefahren durch z. B. offene Schächte oder fehlende Steigeisen usw.

Um Beschäftigte vor den o.a. berufsbedingten Gefahren zu schützen, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl von Arbeitsschutzvorschriften, die ausführlich in [Stein98c] behandelt sind.

Nach DIN EN 752-7 [DINEN752-7] haben die Verantwortlichen für die Arbeiten in Abwasserleitungen und -kanälen, einschließlich der Betreiber des Entwässerungssystems, sicherzustellen, daß durch die Arbeiten keine Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit des Betriebspersonals sowie Dritter entstehen.

Zusätzlich liegt es in der Verantwortung des Arbeitgebers:

  • für die Arbeitssicherheit zu sorgen, welche auch die sicheren Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten in das bzw. aus dem Entwässerungssystems umfaßt;
  • sicherzustellen, daß die Arbeitnehmer bezüglich ihrer Arbeiten und der anzuwendenden Sicherheitsmaßnahmen ausreichend eingeführt, ausgebildet und beaufsichtigt werden.

"Die Arbeitsbedingungen müssen alle Aspekte der Arbeit berücksichtigen, wie die Arbeiten an der Oberfläche (z.B. Lage der Schächte und Verkehrsregelungen), die Zugänglichkeit zum Entwässerungssystem und alle Arbeiten im System. Detaillierte Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen im Notfall müssen schriftlich vorliegen. Es müssen auch Maßnahmen für das Erkennen und Vermeiden plötzlicher Zuflüsse von giftigen, leicht entzündbaren oder explosiven Stoffen, heißen Flüssigkeiten oder großen Wassermengen veranlaßt werden. Spezielle Vorsichtsmaßnahmen sind beim Betreten eines Dükers erforderlich.

Es muß ausreichend ausgebildetes Betriebspersonal in genügender Anzahl eingesetzt werden, um sicherzustellen, daß:

  • notfalls von der Oberfläche aus Hilfe angefordert werden kann;
  • stets Verbindung besteht zwischen dem Betriebspersonal an der Oberfläche, im Ein- und Ausstiegsschacht und im Abwasserkanal."

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)