Bürgermotivation durch moderne Bürgerkommunikation
18.06.2020
Einflüsse aus Starkregen gemeinsam mit den Bürgern minimieren
Die Instandhaltung, der Ausbau und die Anpassung der städtischen Abwasserinfrastruktur an den Klimawandel ist ein gewaltiges Infrastrukturvorhaben. Ob Fremdwassereinträge verringern oder Risiken durch Starkregen und urbane Sturzfluten minimieren, ohne die Bereitschaft zur Mitwirkung des Bürgers bzw. der Eigentümer der Grundstücksentwässerungsanlagen sind diese Ziele nicht erreichbar.
Derartige Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Raum erfordern neben hoher technischer Expertise zunehmend Kommunikationskompetenzen, um sie erfolgreich zu realisieren. Ohne qualifizierte Bürgerkommunikation rücken ausschließlich die negativen Aspekte der Baumaßnahmen sowie die damit verbundenen Kosten in den Vordergrund (siehe Abbildung 1).
Daher ist eine verständliche und offene Kommunikation mit den Bürgern zwingend erforderlich. Bürgerkommunikation ist ein Service der öffentlichen Verwaltung für die Menschen, aber auch ein Verwaltungsakt, der den direkten Kontakt zu den Menschen und damit das Funktionieren unseres Gemeinwesens gewährleistet. Damit steht die Bürgerkommunikation in der Pflicht, so komfortabel, zeitsparend und serviceorientiert wie möglich zu sein [1]. Durch Nutzung digitaler Medien kann diese Pflichterfüllung erleichtert werden.
Abbildung 1: Ausschnitt aus der Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom Donnerstag, 12. März 2020 [Quelle: Stein & Partner GmbH]
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Die Problematik muss verstanden und nachvollziehbar sein
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Lösungsbeiträge, Mitwirkungsmöglichkeiten müssen nachvollziehbar und als sinnvoll anerkannt werden
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Vorteile / Eigennutz müssen erkennbar und nachvollziehbar sein
Da das Thema Entwässerung durch die Unsichtbarkeit der unterirdischen Abwasserinfrastruktur einerseits und durch die Vielzahl der zusammenhängenden Wirkungsmechanismen (Grundwasserinfiltration, Fremdwasser, Starkregenereignisse, Regenwasserversickerung, Regenwasserspeicherung, Regenwassernutzung, etc.) andererseits äußerst komplex ist, muss eine intuitive, verständliche Kommunikationsform gefunden werden.
Leicht gesagt, schwierig umzusetzen. Eigenvorsorge kann nur dann effektiv realisiert werden, wenn die individuelle Gefahr für den Bürger vor Ort bekannt ist. Das erfordert ein didaktisches Kommunikationskonzept, welches die komplexen Inhalte vereinfacht darstellt und glaubwürdig vermittelt. Hier kommt die visuelle Kommunikation ins Spiel. Der Begriff visuelle Kommunikation lässt sich sehr einfach zusammenfassen durch „etwas mit den Augen (sichtbar) vermitteln“. Mit Hilfe von visueller Kommunikation
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kommen Kommunikationsbotschaften schneller an. Da Bilder eine hohe Informationsdichte haben, können die vermittelten Informationen schneller konsumiert werden und wirken entgegen der kurzen Aufmerksamkeitsspanne;
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gewinnen die vermittelten Inhalte durch die Verwendung von Bildern Glaubwürdigkeit und werden daher eher akzeptiert;
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können komplexe Sachverhalte verständlich und vereinfacht dargestellt werden;
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bleiben vermittelte Informationen besser im Gedächtnis. Betrachter können sich Informationen, die visuell vermittelt wurden, länger und besser merken. Dies gilt insbesondere für Kernbotschaften [2].
Damit sind visuelle Inhalte für eine professionelle Kommunikation unentbehrlich. Ihr Potenzial ist so gewaltig wie ihre Komplexität. Ein Beispiel für eine etablierte Form der visuellen Bürgerkommunikation wird nachfolgend für den Bereich der Grundstücksentwässerung dargestellt.
Das diesem Beispiel zugrunde liegende Konzept nutzt 2 Kommunikationsformen. Die Erste basiert auf computeranimierten Videos, die einen abgegrenzten Themenbereich in sich geschlossen vermitteln. Die Zweite basiert auf einer Web-Plattform, die als weiterführende Recherchebasis und Mediathek dient.
Die computeranimierten Videos (Abbildung 2) sind in 3 Teile aufgeteilt mit jeweils einer Spielzeit von ca. 8 Minuten. Folgende Inhalte werden dabei vermittelt:
Teil 1 informiert den Bürger, warum Grundstücksentwässerungssysteme dicht sein müssen, mit welchen Konsequenzen gerechnet werden muss, wenn Undichtigkeiten nicht behoben werden und welche technischen Möglichkeiten es gibt, um die Dichtigkeit der Anlagen wiederherzustellen.
Der Bürger wird darüber informiert, welche große Bedeutung dichte Grundstücksentwässerungssysteme für die Abwassergebühren haben und dass er diese durch sein Handeln beeinflussen kann.
Im Teil 2 geht es um den Objektschutz bei Starkregenereignissen: Halten meine Kellerfenster mögliche Wassermassen ab? Stellen die Garageneinfahrt oder der Kellerzugang ein Risiko dar? Sind Rückstausicherungen im Haus vorhanden und ordentlich gewartet? Der Film liefert zu allen Risikohinweisen beispielhafte Lösungsansätze, wie diese Risiken zu minimieren sind.
Die hier vermittelten Kompetenzen im Objektschutz entlasten bei Starkregenereignissen erheblich die Feuerwehr und andere, mit dem Katastrophenschutz betreuten kommunalen Einrichtungen.
Der Teil 3 widmet sich einem der drängendsten Probleme, der zunehmenden Flächenversiegelung. Hier wird der Bürger über die Beschränkung der öffentlichen Hand informiert, die Größe der Kanäle an alle Starkregenereignisse anpassen zu können und über seine Möglichkeiten, Wasser gezielt dort zu behandeln, wo es anfällt, z.B. durch Regenwasserversickerung, Regenwasserspeicherung, Regenwassernutzung bis hin zu Gründächern.
Gemeinsam ist allen Filmen, dass sie die Vorteile bzw. den Eigennutz für den Bürger aufzeigen und somit Grundlage für eine Motivation sind, an der Gestaltung einer klimagerechten und -resilienten Stadt mitzuwirken.
Die Filme sind für die jeweilige Kommune individualisiert, d.h. sie sind an die Corporate Identity der Kommune angepasst und liefern im Abspann einen Kontaktbezug. In der Regel werden die Filme über die städtische Web-Page vermittelt. Sie eignen sich aber auch hervorragend, um beispielsweise auf Informationsveranstaltungen anschaulich und interessant für das Thema zu sensibilisieren.
Präsentationsunterlagen werden durch diesen Film um eine ansprechende und zeitgemäße Komponente aufgewertet. Die nachfolgende Tabelle 1 vermittelt eine detailliertere inhaltliche Gegenüberstellung der Videos.
Tabelle 1: Inhaltliche Gegenüberstellung der Videos
Zustands- und Funktionsprüfung | Rückstausicherung und Überflutungsschutz | Regenwasserversickerung, -rückhaltung und -nutzung |
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Die Web-basierte Beratungsplattform, die als weiterführende Recherchebasis und Mediathek dient, soll die Bürger mit allen wichtigen Hintergrundinformationen versorgen und einen Überblick über die im Rahmen einer funktionssicheren Grundstücksentwässerung anstehenden Aufgaben vermittelt.
Mit dieser Beratungsplattform steht ein weiteres Hilfsmittel zur Verfügung, um der Beratungspflicht der Netzbetreiber gegenüber den Bürgern gerecht zu werden, Personal zu entlasten und somit nicht zuletzt auch die mit dieser komplexen Thematik verbundenen Aufgaben möglichst effizient zu erledigen. Das Kernstück der Beratungsplattform ist ein umfangreicher, multimedialer Leitfaden mit Fachglossar, der in Abhängigkeit der lokalen Bedarfe angepasst werden sollte. Die Inhalte sind dank aufwendiger Visualisierungen (Bilder, Animationen) auch für Laien verständlich (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Web-basierte Beratungsplattform - Beispiele für Visualisierun-gen mittels 3D-Grafiken. [Quelle: Stein & Partner GmbH]
Fazit
Die Gestaltung der klimagerechten und -resilienten Stadt erfordert offene Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Diese wiederum benötigen Inhalte, die aus verlässlichen und glaubwürdigen Quellen Sachverhalte und Werte vermitteln, erklären und einordnen. Mit Hilfe der digitalen Kommunikation haben wir die große Chance, im Bereich der Bürgerkommunikation viel besser zu werden. Denn es gilt:
- bürgerschaftliches Engagement ist die Basis für eine lebendige Stadtgesellschaft. Hierfür ist eine direkte, persönliche Kommunikation wesentlich, dennoch lassen sich die dazugehörigen Prozesse mittels digitaler Medien und digitaler Bürgerkommunikation einfacher und effizienter gestalten;
- digitale Bürgerkommunikation stellt eine gewinnbringende Unterstützung speziell in den Bereichen Information (Internetpräsenz), Austausch und Vernetzung (Soziale Netzwerke) sowie Assistenz (Online-Recherchebasis und Mediathek) dar;
- Interessierte und Engagierte können online einfacher mit zielgerichteten Informationsangeboten angesprochen werden. Dadurch werden niedrigschwellige Möglichkeiten der Information und Beteiligung geschaffen [3].
In Zeiten knapper personeller Ressourcen bietet die digitale Bürgerkommunikation die Chance, eigene Mitarbeiter zu entlasten und dennoch die Beratungsqualität dem Bürger gegenüber zu steigern.
Autor
Dr.-Ing. Robert Stein
S&P Consult GmbH / visaplan GmbH
[1] Andreas Scheuer: „Moderne Kommunikation mit den Bürgern“
[2] https://www.basicthinking.de/blog/2018/01/08/visuelle-kommunikation/
[3] Digitale Strategie der Stadt Weingarten
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Dr.-Ing. Robert Stein
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