Sanierung eines Kriegsschadens im Mindener Kanalnetz
18.11.2013
Renovierung
Der Zweite Weltkrieg ist zwar 68 Jahre her, aber mancherorts wird noch immer gekämpft – nämlich mit den Konsequenzen des Krieges. So 2013 in Minden, wo die SMG Bautenschutztechnik für Hoch- und Tiefbau GmbH, Lage, die im Auftrag der Städtischen Betriebe Minden (SBM) Spätfolgen eines Bomben-Volltreffers auf den Abwasser-Hauptsammler am Schwichowwall beseitigte.
Der Abwasser-Hauptsammler unter dem Schwichowwall im Bereich der Mindener Altstadt gehörte schon vor dem zweiten Weltkrieg zu den Haupt-Adern des Mindener Abwassernetzes. Irgendwann gegen Ende des Krieges, als Minden wegen einer Bedeutung als Bahnknotenpunkt heftig bombardiert wurde, bekam das neun Meter tief liegende, gemauerte Eiprofil der Dimension 1200/1800 einen Volltreffer und stürzte auf fast 30 Meter Länge ein. Eiligst und unter Verwendung des unmittelbar verfügbaren Baumaterials wurde das Bauwerk so gut es ging, wieder geflickt und tat trotz struktureller Mängel und einer sichtbar gestörten Geometrie bis heute irgendwie seinen Dienst.
Routineinspektionen im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen Selbstüberwachung ergaben aber in jüngerer Zeit nicht nur dringend sanierungsbedürftige Schäden. Höchste Priorität im Rahmen des Mindener Kanalsanierungsprogramms bekam der Sammler dadurch, dass er als einer der schwersten Fremdwasser-Fälle im gesamten Mindener Netz identifiziert wurde. Durch Brüche und Fehlstellen in dem kriegsversehrten Bauwerk drangen erhebliche Mengen Wasser aus einem 20 Meter entfernt verlaufenden Bach in den Untergrund ein.
Der zu Teilen unterirdisch „umgeleitete“ Bach belastete die Kläranlage mit sinnlos eingeleitetem Frischwasser und den Etat mit entsprechenden Kosten. Immerhin ging es unter dem Schwichowwall um ein Fremdwasservolumen von schätzungsweise 40 Kubikmeter pro Stunde, welches sich jährlich auf unglaubliche 350 Tausend Kubikmeter summierte. Exaktere Daten soll eine noch 2013 abgeschlossene Messung im Vorher-Nachher-Vergleich erbringen. Angesichts der massiven Infiltrationen drohte tendenziell auch Einsturzgefahr.
Bei der Entwicklung eines Sanierungskonzeptes für diese Schadstelle (in einem ansonsten weitestgehend schadensfreien Sammler) zogen die Planer der städtischen Betriebe Minden einen namhaften Experten zu Rate. Dipl.-Ing. Volker Schmidt aus Lage ist ein bundesweit bekannter Experte für die baulichen Probleme großer Abwasserbauwerke und wird mit seinem Unternehmen, der SMG Bautenschutztechnik für Hoch- und Tiefbau GmbH immer wieder gerufen, wenn und wo im Untergrund wirklich „haarige“ Probleme gelöst werden müssen – und in diese Kategorie gehörte der Mindener Bombenschaden auch nach Schmidts erster Einschätzung ohne Zweifel. An irgendein Standard-Verfahren der Kanalsanierung war hier gar nicht zu denken – an die offene Erneuerung der maroden Strecke jedoch ebenso wenig angesichts der Lage im Verkehrsraum.
Abdichtung gegen Wassereinbruch und Sicherstellung der dauerhaften Standsicherheit waren die Kernziele des Sanierungskonzeptes, das die SMG erfolgreich realisierte. SMG kann auf eine lange Referenzliste ähnlicher schwieriger, aber erfolgreich gelöster Aufgaben zurückblicken und verbindet die ingenieurtechnisch-planerische Kompetenz mit der baulichen Erfahrung bei der Umsetzung. Hinzu kam die Eilbedürftigkeit dieses Falles.
Die Sanierungslösung setzte auf die Verpressung des Sammlers mit einem zweikomponentigen intensiv schäumenden und schnell reagierenden PUR-Harz. Dieser Harztyp lässt sich ausschließlich mit zwei-Wege Injektionsanlagen injizieren. Vorab galt es jedoch, diesen wichtigen Sammler so trocken zu legen, dass darin erfolgreich und sicher gearbeitet werden konnte. Dazu hängte man als Bypass zwei innen liegende Wasserhaltungs-Stränge von 300 bzw. 200 mm Nennweite an den Wänden des Bauwerks auf.
Während die Leitung DN 300 auf den maximalen Trockenwetterabfluss ausgelegt war, wurde die kleinere Leitung als Reserve für ein moderates Niederschlagsereignis vorgehalten. Im Starkregenfall hätte das Bauwerk allerdings geräumt werden müssen. Eine weitere Vorleistung zum Projekt war die sorgfältige Begutachtung der Örtlichkeit durch Experten des Kampfmittelräumdienstes, um eine Konfrontation der Sanierer mit Blindgängern im Untergrund auszuschließen.
Die Vorgehensweise zielte darauf ab, die Spezialharze einerseits ins Umfeld der Trasse zu verpressen, dort Hohlräume zu verfüllen und den Wasserfluss schnellst möglich zum Stehen zu bringen. Zum anderen sollte das Material die eigentliche Substanz des Bauwerkes durchdringen, Risse und Kavernen verfüllen und das Bauwerk so stabilisieren. Um diese Wirkungen zu erreichen, setzte man zwei Techniken ein. Im Sohlbereich wurden Rammverpresslanzen mittels Rammblock bis weit hinter die Kanalwand vorgetrieben. Die Austrittsöffnungen in den Lanzen wurden so platziert, dass das Material etwa einen Meter jenseits der Wand austrat und dort seine Wirkung entfaltete. So war eine großräumige Durchdringung der Rohrbettung gewährleistet.
Um die Wand selbst abzudichten und zu stabilisieren, benutzte man in dichtem Raster versenkte Bohrpacker, die bis zur halben Tiefe der Wand reichten und jeweils diagonal in das Mauerwerk eingeführt wurden. Sowohl Lanzen als auch Packer wurden mittels luftbetriebener zwei-Wege Injektionsanlage über Hochdruckschläuche mit Harz beschickt. Insgesamt verfüllte SMG im Laufe von vier Wochen rund 10 Kubikmeter Hohlräume in und um die Schadstelle, was das ganze Ausmaß der Problematik deutlich macht.
Risse oberhalb des Kämpfers wurden im folgenden Arbeitsgang mit Mörtel verpresst, um die Standsicherheit des Sammlers endgültig wieder her zu stellen. Nachdem der Wassereinbruch vollständig gestoppt und das Bauwerk erfolgreich trocken gelegt war, wendeten sich die Experten einem weiteren Problem zu: Der Sammler hatte im Bereich der Sohle einen markanten Unterbogen entwickelt, der sich günstiger Weise nicht im Scheitel des Bauwerks wieder fand. So konnte im letzten Arbeitsgang der Unterbogen mit Beton ausgeglichen werden, in den man eine Steinzeug-Gerinneschale zur Verbesserung der Hydraulik bettete.
Nach insgesamt 5 Wochen Arbeitszeit konnte SMG erfolgreichen Vollzug melden, der vom Auftraggeber nach der Abnahmebegehung in vollem Umfang bestätigt wurde. Der Sammler Schwichowwall steht stabil, ober- und unterirdisch läuft wieder alles so ab, wie es soll - und die Kläranlage Minden ist um mehrere hunderttausend Kubikmeter Fremdwasser entlastet. Der wirtschaftliche Aspekt dieser Entlastung ist geeignet, die Sanierungsmaßnahme vollständig gegen zu finanzieren und darüber hinaus den Abwasserhaushalt deutlich zu entlasten. Kein Wunder, dass die städtischen Betriebe Minden sich in höchstem Maße zufrieden mit Durchführung und Resultat der Sanierungsmaßnahme zeigen.
Ein Lob, das SMG-Geschäftsführer Volker Schmidt postwendend „kontert“: Die hoch komplexe Baumaßnahme wäre kaum so erfolgreich lösbar gewesen ohne die mustergültigen Vor- und Zuarbeiten der SBM-Mitarbeiter in allen Projektphasen: „Bei einer solchen Herausforderung ist es schon sehr wichtig, auf der anderen Seite einen Partner zu haben, mit dem man jederzeit Hand in Hand zusammen arbeiten kann.“ Schmidt ist im übrigen nicht nur stolz auf die erfolgreiche Problemlösung, sondern auch seinen hoch motivierten Mitarbeitern dankbar, die diese anspruchsvolle Aufgabe souverän gelöst haben. „Aber“, fügt er seinem Fazit hinzu, „so und nicht anders kenne ich ja meine Männer!“
Weitere News und Artikel
24.07.2024
Fachartikel
Innovative Lösungen aus dem Funke-Baukasten
Modernes Regenwasserkonzept für neues Betriebsgelände von Nüßing
Aufgrund der anfallenden Menge an Niederschlagswasser und mit Blick auf behördliche Auflagen hat die Alois Nüßing GmbH & Co.KG beim Umzug …
19.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller Acquaint
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen …
19.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: Pflichtaufgabe Abwasser – eine Chance für strategische Partnerschaften
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen …
19.07.2024
News
Ein leistungsstarkes Trio
VibroDrill-Vibrationsbohrgeräte von terra infrastructure
Mit der neuen Serie VibroDrill VD 50, 100 und 150 erobert die terra infrastructure GmbH derzeit den Markt für Vibrationsbohrgeräte. Dank modernster Technik setzen …
17.07.2024
Fachartikel
Hachenburg setzt auf eine nachhaltige Kanalinfrastruktur
Bau eines 2.800 m langen Verbindungssammlers mit FABEKUN®
Dass man gemeinsam stärker ist, zeigt sich im rheinland-pfälzischen Hachenburg derzeit gleich an zwei Beispielen. Um eine mehr …
16.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller WIEDEMANN enviro tec
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten …
16.07.2024
News
Weitergehende Aufbereitungsanlage im Wasserwerk Hengsen geht in Betrieb
Um die Trinkwasserqualität zu sichern und auch in Zukunft in der Ruhr vorkommenden Spurenstoffen entgegenzuwirken, hat die Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW) eine weitergehende …
15.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: Nutzung von Wärme aus Abwasser in den Kanälen der Stuttgarter Stadtentwässerung
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele …
12.07.2024
News
Naturnahe Umgestaltung der Lippe mit Schwimmbagger in Datteln-Ahsen
Ab dieser Woche setzt der Lippeverband in Datteln-Ahsen einen Schwimmbagger ein, um die Ufer- und Auenlandschaft der Lippe auf einer Länge von etwa 400 Metern naturnah umzugestalten …
11.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller APX10
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen und …
10.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: CO2-Emissionen bei der Kanalsanierung– Ermittlung und Konsequenzen
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen …
10.07.2024
News
Davon profitieren alle
terra infrastructure kooperiert mit den Werkstätten der Lebenshilfe Heinsberg
Es ist eine besondere Art der Kooperation, die die terra infrastructure GmbH mit den Werkstätten der Lebenshilfe Heinsberg e.V. geschlossen hat. …
Kontakt
SMG Bautenschutztechnik für Hoch- und Tiefbau GmbH
Dipl.-Ing. Volker Schmidt
Ikenkamp 23
327691 Lage
Deutschland