Fernwärme: Zukunftsthema mit vielen Facetten
03.03.2015
Mit Blick auf die im Rahmen der sogenannten Energiewende von der Bundesregierung festgelegten Ziele wird es ganz deutlich: Soll tatsächlich etwas für den Umweltschutz getan werden, führt am Ausbau der Fernwärme kein Weg vorbei. Durch Kraft-Wärme-Kopplung lassen Wirkungsgrade sich von 50% auf 90% steigern, bei der Frage nach der Wärmeversorgung der Zukunft wird deshalb die Fernwärme als Technologie für die optimale Nutzung unserer begrenzten Primärenergie zukünftig an Bedeutung gewinnen.
Dabei sind die Einsatzmöglichkeiten für die Fernwärme vielfältiger, als es der Begriff suggeriert: Der Transport von temperiertem Wasser muss nicht zwangsläufig über größere Distanzen erfolgen, und neben der Beheizung eignet sich die Fernwärme auch zur Kühlung von Wohnräumen.
Dass Wasser sich darüber hinaus als Energiespeicher eignet, macht die Fernwärme zum Thema, das es verdient, über alle Disziplinen hinweg beleuchtet zu werden. Welche Bedeutung die Fernwärme im Energiemix der Zukunft tragen kann und welche Rolle Rohrleitungen für den Wärme- und Energietransport der Zukunft spielen können, sind Fragen, die bei der 29. Auflage des Oldenburger Rohrleitungsforums erstmals im Fokus stehen.
Planungssicherheit gefragt
Dipl.-Ing. Thomas Grage, Geschäftsführer der Fernwärme-Forschungsinstitut GmbH in Hannover, betont: „Der Ausbau der Fernwärme ist sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich.“ Das zeige das Beispiel von Flensburg, denn die Wärmeversorgung von Stadtgebiet und Umgebung erfolge zu inzwischen nahezu 100% mittels Fernwärme.
Einerseits sei die Politik gefordert, die klare Zeichen für zukunftssichere Planungen und Investitionen setzen müsse. Zum anderen müssten für den Bürger die Vorteile sichtbar gemacht werden, die das seit mehr als 100 Jahren erfolgreich in der Praxis betriebene Verfahren biete. Grage: „Hier stehen zum einen Langlebigkeit – 50 Jahre stellen schon heute ein Minimum dar – bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit sowie Abbau von Hemmnissen und zum anderen das Erschließen neuer Geschäftsfelder wie Kältetransport und Klimatisierung im Fokus.“ Die Grundlage zur Erreichung dieser Ziele bildet ein europaweit anerkanntes, kontinuierlich aktualisiertes Regelwerk.
Unmittelbar spürbare Ergebnisse
Dipl.-Ing. Lutz Nieke, Bereichsleiter Technik, Stadtwerke Schwerin GmbH (SWS), unterstreicht die Bedeutung der Fernwärmeversorgung für die Gebäudebeheizung. Schon jetzt liege der Anteil der Fernwärme bundesweit bei 12%. Der wichtige Beitrag zum Klimaschutz, den das Verfahren insbesondere in städtischen Ballungsgebieten leiste, sei für die Bürger in den Städten aufgrund der resultierenden geringeren Emissionsbelastung sehr unmittelbar zu spüren. Voraussetzung für den Betrieb von Fernwärmenetzen ist jedoch der Einsatz umweltschonender Technologien für die Kraft-Wärme-Kopplung.
Nieke: „Der politisch gewollte, aber wirtschaftlich schwierige Betrieb von gasbetriebenen Heizkraftwerken ist insofern problematisch, als der Preisdruck durch erneuerbare Energien, die fehlende Wirksamkeit des Emissionshandels und der Wettbewerb mit Kohlekraftwerken zu immer geringeren Laufzeiten führen.“ Sinkende Betriebsstunden einerseits sowie die Forderung nach betreiberseitiger Absicherung der Fernwärmeversorgung andererseits bedeuteten einen Konflikt, den die Stadtwerke auf sich gestellt nicht lösen können. Nieke: „Wenn in der Neufassung des KWK-Gesetzes keine Regelung für Bestandsanlagen gefunden wird, gerät das Ausbauziel von 25% für diesen Sektor in Gefahr.“
Von der Energieversorgung zum flexiblen Energieversorgungssystem
Zunehmend ergänzt wird das Kontingent bestehender Anlagen durch kleine Energieanlagen wie Wärmepumpen oder Blockheizkraftwerke. Diese Anlagen verfügen lokal über Flexibilitäten im Betrieb, welche über eine IKT-Anbindung einer systemischen Optimierung zur Verfügung gestellt werden können. Um die Leistung dieser dezentralen Anlagen zu überwachen und zu steuern, bedarf es einer gezielten, energieformübergreifenden Abstimmung von Wärmebedarf, Wärmebereitstellung, Strombedarf und Stromerzeugung.
Dipl.-Inform. (FH) Astrid Nieße vom OFFIS e. V. – Institut für Informatik, FuE Bereich Energie, Oldenburg, bringt die Herausforderung auf den Punkt: „Zur Entfaltung des systemischen Potentials von energieübergreifenden Optimierungen müssen lokale Flexibilitäten über eine kommunikationstechnische Anbindung erschlossen werden“. Das OFFIS beschäftigt sich intensiv mit der Frage danach, wie Anlagen kommunikationstechnisch angebunden werden müssen und wie systemimmanente Freiheitsgrade informationstechnisch beherrscht werden können, um lokale, räumlich begrenzte Strom- und Wärmenetze mit größtmöglicher Effizienz zu betreiben.
„Ein auf Basis von Software-Agenten gesteuerter Anlagenpool kann einen wesentlichen Beitrag für den zuverlässigen Betrieb des gesamten Energieversorgungssystems leisten“, ist Nieße überzeugt. Solche Software-Agenten, die dezentrale Anlagen informationstechnisch abbilden und in verschiedene Optimierungsprozesse einbinden, spielen auch eine wesentliche Rolle für den Aufbau des skalierbaren, vielseitig einsetzbaren IKT-Werkzeugs „Open VPP“. Für die Entwicklung des Tools, das den optimierten Betrieb dezentraler Anlagenpools ermöglichen soll, verfolgt OFFIS derzeit ein Ausgründungsvorhaben im Rahmen eines vom BMWi geförderten EXIST-Forschungstransfers.
Möglichkeiten ausloten
Dabei müsse es in der Diskussion über die Fernwärme gar nicht immer um Quantensprünge in der technischen Verbesserung der Systeme gehen, findet Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V. und Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg. Wichtig sei es, sich über die Vielfalt der Techniken und das Zusammenspiel der Systeme auszutauschen.
Genau diese Überlegung habe das iro dazu bewogen, das Thema Fernwärme zum inhaltlichen roten Faden des Oldenburger Rohrleitungsforums zu machen, um „diejenigen, die früher in völlig getrennten Kategorien, Bereichen und Unternehmen dachten, miteinander sprechen zu lassen“, so Wegener kürzlich in einem Interview.
Insbesondere mit Blick auf die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten von temperiertem Wasser könne Fernwärme ein wichtiger Baustein innerhalb eines Gesamtenergiekonzeptes sein. Insofern, so Wegener, knüpfe das Kernthema des diesjährigen Oldenburger Rohrleitungsforums am Dachgedanken des Vorjahres-Forums an, welches Hybridnetze in den Fokus gerückt hatte. Unter anderem war darüber diskutiert worden, welche Steuerungsszenarien unbedingt erforderlich seien, um warmes Wasser zu einem integralen Bestandteil eines kommunikativen Netzes zu machen.
Wegener: „Mit der IKT-Vernetzung der in Betracht kommenden Einzelkomponenten aller Infrastrukturen und möglicherweise unter Einbeziehung der Variante Warmwasser können die für die Energiewende zwingend erforderlichen Speicher- und Transportkapazitäten genutzt werden.“ Im Rahmen des diesjährigen Forums gelte es unter anderem auszuloten, was dieses „möglicherweise“ bedeute.
(Anm. der Redaktion: Frau Astrid Nieße vom OFFIS e. V. musste kurzfristig Ihre Teilnahme an der Pressekonferenz absagen. Sie wurde vertreten von Herrn Dipl. Landschaftsökol., MSc (GIS) Jürgen Knies vom OFFIS e.V.)
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