Kläranlagenkonzept: Wertstoffgewinnung statt Belebungsverfahren

22.04.2024

Das Lehr- und Forschungsklärwerk Büsnau im Westen von Stuttgart reinigt nicht nur die Abwäs­ser aus seiner Umgebung, sondern dient auch als Reallabor für Forschungsprojekte. Aktuell läuft auf der Anlage das Projekt KoalAplan, in dem das traditionelle Belebungsverfahren einem ausgeklügelten Konzept zur Wertstoffrückgewinnung weichen soll.

In Büsnau sind die einzelnen Elemente der Kläranlage so verschaltet, dass es möglich ist, im großtechnischen Maßstab verschiedene Betriebsweisen zu untersuchen. Überdies lassen sich von nahezu jeder Stelle in der Anlage Abwasser- oder Schlamm­proben abzweigen, einer Versuchsanlage in der Technikumshalle vor Ort zuführen und später wieder in den Abwasserprozess zurückleiten. Im Forschungsprojekt KoalAplan wird eine Prozesskette entwickelt und erprobt, mit der aus dem Abwasser die Produkte Ammoniumstickstoff, Wasserstoff und Polyhydroxyalkanoate (PHA) ge­wonnen werden sollen. Wenn das Verfahren Schule macht, wird das traditionelle Belebungsverfahren, wie es im Beitragsbild gezeigt wird, überflüssig. Projektpartner sind das Karlsruher Institut für Technologie, das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, die TU Hamburg, die Universität Stuttgart, die TU Clausthal und die Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz in Badenwürttemberg.

Hintergrund von KoalAplan

Kohlenstoffhaltige Wertstoffe aus Abwasser zurückzugewinnen, war bisher schwierig, weil ein Teil des organischen Kohlenstoffs für den biologischen Abbau des im Abwasser vorhandenen Stickstoffs, die Denitrifikation, benötigt wird. Bei dem hier untersuchten Verfahren kann die Denitrifikation umgangen werden. Somit würde auch der größte Anteil des organischen Kohlenstoffs für eine stoffliche Verwertung zur Verfügung stehen, anstatt in einem Belebungsbecken in Form von CO2 in die Umgebungsluft entlassen zu werden.

Die einzelnen Prozessschritte

Das Konzept von KoalAplan besteht aus chemischen, physikalischen und biologischen Verfahren, deren Verschaltung im Prozessschema illustriert ist. Das ankommende Abwasser durchläuft nach der Vorklärung (1) zunächst ein neuartiges Mikrosieb (2), in dem der größte Teil der Feststoffe abgetrennt wird. Dieses überwiegend kohlenstoffhaltige Material wird einer sauren Hydrolyse (3) unterzogen, bei der organische Säuren entstehen. Aus diesen wird nach einer weiteren Feststoffabtrennung in einer Filterpresse (4) und einer Mikrofiltration (5) in einer mikrobiellen Elektrolyse (6) Wasserstoff hergestellt. Der in dabei in der Lösung verbleibende Kohlenstoff wird in einem Fermenter (7) zu Polyhydroxyalkanoaten (PHA) umgesetzt. Das aus dem Mikrosieb (2) ablaufende Wasser enthält den gelösten Ammoniumstickstoff, der in einem Zeolithfilter (8) entfernt wird. Bei der Regeneration des Filters kann dieser Stickstoff als Dünger zurückgewonnen werden. In dem nachgeschalteten Schwachlast-Tropfkörper (9) werden verbliebene Inhaltsstoffe abgebaut. Nach dem Durchlaufen eines Nachklärbeckens (10) und einer optionalen Aktivkohlefiltration (11) kann das gereinigte Abwasser in den Vorfluter entlassen werden.

Aktueller Stand des Projekts

KoalAplan startete Ende Oktober 2021. Bis Anfang des Jahres 2023 wurden die Feststoffabtrennung im Mikrosieb, die saure Hydrolyse und die mikrobielle Elektrolyse des Hydrolysats optimiert, letztere zunächst in Fließzellenversuchen.

Bis heute (September 2023) konnten die Zeolithfilter (Klinoptilolithfilter) für die Ammoniumrückgewinnung, der Tropfkörper und die saure Hydrolyse im Technikum in Betrieb genommen werden. Die mikrobielle Elektrolyse wurde auf einen 10 L-Scheibentauchkörper hochskaliert. Aktuelle Projektmaßnahmen umfassen unter anderem die Optimierung der Feststoffabtrennung aus dem Hydrolysat mittels Kammerfilterpresse und anschließender Mikrofiltration zur Vorbehandlung des Hydrolysats vor mikrobieller Elektrolyse und Fermentation zu PHA.

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