Marschengräben – Ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung und aktuelle Entwicklungen
15.09.2023
Die DWA hat das Merkblatt DWA-M 622-2 „Marschengräben – Ökologie und Unterhaltung – Teil 2: Ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung und aktuelle Entwicklungen“ veröffentlicht.
Die Erschließung und Kultivierung der norddeutschen Fluss- und Seemarschen erforderte ein ausgeklügeltes Wassermanagement. Neben dem Schutz vor Überschwemmungen durch Deiche bedurfte es einer großen Dichte an Gräben. Diese Marschengräben dienten und dienen in Gebieten mit Grünland und Ackerland überwiegend der Entwässerung und der Zuwässerung, inzwischen zunehmend auch der Entwässerung urbaner Gebiete. Gräben prägen bis heute den Wasserhaushalt und das Landschaftsbild der Marschen, sie gelten regional als Kulturgut und weisen eine eigenständige landschaftsökologische Bedeutung als aquatische Lebensräume auf.
Heute übernehmen Marschengräben vielerorts wichtige, sehr unterschiedlich ausgeprägte Funktionen als Ersatzlebensräume für die regionale Tier- und Pflanzenwelt, da Belastung, Ausbau und Verfüllung natürlicher Fließ- und Stillgewässer jahrhundertelang nahezu flächendeckend zu einer dramatischen Verarmung natürlicher Auen und ihrer gewässerspezifischen Tier- und Pflanzenwelt führten.
Neben ihrer Bedeutung als Refugien für die Tier- und Pflanzenwelt leisten Marschengräben zudem einen erheblichen Beitrag zum Nährstoffrückhalt und zur Vernetzung aquatischer und terrestrischer Biotope. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass die Erreichung des geforderten „Guten ökologischen Zustands“ bzw. des „Guten ökologischen Potenzials“ in den Gewässern der Marschen nur dann nachhaltig gelingen kann, wenn die an sie angeschlossenen Marschengräben ebenfalls ein entsprechendes ökologisches Potenzial erreichen.
Dass Grabensysteme gute ökologische Funktion haben können, zeigen Beispiele in Nordwestdeutschland. Hier existieren Gräben, die als wasserwirtschaftlich gut funktionierende Grabensysteme zugleich zahlreichen Tier- und Pflanzenarten und sogar Arten der FFH-Anhänge und der Roten Listen Lebensräume bieten. Die künstlich geschaffenen Grabensysteme unterliegen jedoch der ständigen Tendenz zur Verlandung. Kleine Querschnitte, geringe Strömungsgeschwindigkeit und ein hohes Nährstoffangebot führen in der Regel zu eutrophen Verhältnissen und intensiver Primärproduktion. Die Unterhaltung der Gräben zur Aufrechterhaltung ihrer hydraulischen Funktionen wurde im Zuge der allgemeinen Mechanisierung zunehmend rigoros durchgeführt – mit der Folge, dass sich die ökologischen Bedingungen vielerorts dramatisch verschlechterten.
Im April 2018 erschien Teil 1 der Merkblattreihe DWA-M 622. Darin wird der aktuelle Wissensstand zur Ökologie von Marschengräben ausführlich dargestellt und der Einfluss der Gewässerunterhaltung auf die mit den Gräben assoziierten Lebensgemeinschaften beschrieben. Teil 1 liefert mithin die biologisch-ökologischen Grundlagen, warum eine nachhaltige, ökologisch verträgliche Grabenunterhaltung umgesetzt werden sollte.
Der Teil 2 enthält Empfehlungen für die praktische Umsetzung einer nachhaltigen, ökologisch verträglichen Grabenunterhaltung sowie zur Organisation und technischen Ausstattung. Sie geben den Unterhaltungspflichtigen Ideen, Methoden und Empfehlungen an die Hand, die geeignet sind, die Widersprüche zu lösen, die oft zwischen landwirtschaftlichen und anderen nutzungsorientierten Anforderungen und den gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen einer nachhaltigen Sicherung unserer ökologischen Basis zu bestehen scheinen.
Bereits bestehende und erprobte Ansätze und viele der im vergangenen Jahrzehnt zu dieser Thematik veröffentlichten Publikationen, Merkblätter und Handbücher werden dabei berücksichtigt. Die zuvor in Teil 1 dargestellten Erkenntnisse münden in Teil 2 in Vorschläge zum Thema „Schonende Gewässerunterhaltung“, deren Leitsatz lautet: „So viel wie nötig – so wenig wie möglich“!
Das Merkblatt wurde von der DWA-Arbeitsgruppe GB-1.3 „Marschengewässer“ (stellvertretender Sprecher: Dr. Michael Schirmer) im Auftrag des DWA-Hauptausschusses „Gewässer und Boden“ im DWA-Fachausschuss GB-1 „Ökologie und Management von Flussgebieten“ erarbeitet. Es richtet sich unter anderem an Fachleute in Ländern, Kommunen und Verbänden, die für die Unterhaltung von Marschengräben verantwortlich oder in wasserwirtschaftlichen Dienststellen, Naturschutzbehörden, Ingenieurbüros und Aufsichtsbehörden damit befasst sind. Darüber hinaus sollen auch Studierende, Naturschutzbeauftragte und andere interessierte Bürger angesprochen werden, um ihr Interesse an diesen besonderen Lebensräumen zu wecken.
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