Nürnberger Kolloquien: Aspekte der Kanalsanierung im Fokus
30.10.2013
"Reparatur und Renovierung von Schachtbauwerken, Anschlüssen und Anschlussleitungen" lautete das Thema der 12. Nürnberger Kolloquien zur Kanalsanierung. Dabei teilten Fachleute von Netzbetreibern, Planern, ausführenden Unternehmen sowie von Verbänden und Institutionen ihre Erfahrungen.
Eine systematische Planung auf Basis einer fachlichen Analyse und einer ausführlichen Dokumentation der Schäden bildet die Grundlage für nachhaltige Sanierungsergebnisse – so der Tenor der Vorträge. Zu den weiteren Erfolgsfaktoren zählen neben einer Ausführung durch qualifizierte Fachkräfte vor allem eine kontinuierliche Überwachung der Maßnahmen. Insbesondere standen unterschiedliche Reparatursysteme für Schächte, Anschlüsse und Anschlussleitungen auf den Nürnberger Kolloquien im Fokus. Vor dem Hintergrund von Arbeitshilfen, Merkblättern, Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) und Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV) wurde deren Anwendung aufgezeigt und die Auswahl von Reparaturverfahren sowie deren Umsetzung exemplarisch vorgestellt.
Rund 280 Teilnehmer und 40 Aussteller waren bei der 12. Auflage der Nürnberger Kolloquien mit begleitender Fachausstellung dabei. Als Veranstalter zeichnete die Verbund Ingenieur Qualifizierung gGmbH verantwortlich. Als weitere Partner fungierten die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, die Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg, der RSV - Rohrleitungssanierungsverband e. V. sowie die RAL-Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau e. V.
Bei der Renovierung handelt es sich um Maßnahmen zur Verbesserung der aktuellen Funktionsfähigkeit von Abwasserleitungen und -kanälen unter vollständiger oder teilweiser Einbeziehung ihrer ursprünglichen Substanz – so die Definition. Eine Reparatur betrifft Maßnahmen zur Behebung örtlich begrenzter Schäden. Dass Handlungsbedarf besteht macht die jüngste von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) durchgeführte Umfrage zum Zustand der Kanalisation deutlich. Dabei sind Schachtbauwerke ebenso betroffen, wie die Haltungen. Während bei Abwasserleitungen und -kanälen einragende oder schadhafte Anschlüsse neben Rissbildung zu den häufigsten Schadensbildern zählen, führen Schäden an Abdeckung und Rahmen das Ranking bei den Schächten an, dicht gefolgt von Schäden an Steighilfen und Anschlüssen. Laut Umfrage sind wir von einer Verbesserung des Gesamtzustandes noch weit entfernt. Zudem – auch das ein Ergebnis der Umfrage von 2009 – sind Renovierungs- und Reparaturverfahren allgemein auf dem Vormarsch.
In diesem Zusammenhang stellen sich für Netzbetreiber und Planer vielfältige Fragen: Wie treffe ich die richtige Entscheidung bei der Auswahl des für das konkrete Schadensbild am besten geeignete Verfahren? Die richtige Auswahl des Verfahrens und eine qualifizierte Ausführung tragen zu nachhaltigen Sanierungsergebnissen bei, hierin besteht Konsens. Doch wie geht man richtig vor und was muss man beachten, damit von der Planung über die Ausschreibung bis hin zur Ausführung alles den gewünschten Anforderungen entspricht? Die vorhandenen Normen und Merkblätter halten hier grundsätzliche Informationen bereit.
Während Renovierungsarbeiten mit Einführung der DIN 18326 Teil C der VOB als Regelbauverfahren verfahrenstechnisch gelten, ist für die Reparaturverfahren keine eigenständige Normung vorhanden. Ein Manko, wie Dipl. Ing. Mario Heinlein, Projektleiter Stadtentwässerung und Umweltanalytik, Nürnberg, in seinem Vortrag über "DIN 18326 für Renovierungsverfahren; ATVs und ZTVs für Reparaturarbeiten" deutlich machte. Rahmenbedingungen müssen also her, denn ein Erfolg der Sanierungsmaßnahme hängt sehr stark von der Erfahrung und Fachkenntnis der Planer und Bauüberwacher ab. Diese Auffassung durchzog die Nürnberger Veranstaltung wie ein roter Faden. Eine unzureichende Vorbereitung führt technisch und wirtschaftlich zu schlechten Sanierungsergebnissen – somit langfristig auch zu höheren Betriebskosten für die Betreiber. Deshalb gehören in die Hände von Netzbetreibern und Planern: die Feststellungen der Schadenspotentiale in den Abwassersystemen mit der Erstellung der Bedarfsplanung, eine Festlegung des Sanierungskonzeptes und die hieraus abgeleitete Entscheidung für eine Ausführungsvariante.
Vorausschauende Planung
Zu diesem Fazit kam auch Dipl.-Ing. Martin Liebscher, IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen, der ein Forschungsprojekt zu Maßnahmen der Schachtsanierung vorstellte, welches das IKT im Auftrag des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV NRW) 2011 durchgeführt hatte. "Nach dem heutigen Stand der Technik lassen sich gute Sanierungsergebnisse erzielen", so der Redner, "wobei es insbesondere auf die Bausteine Vorarbeiten, Abstimmung, Materialqualität und Ausführungsqualität ankommt." Darüber hinaus sei ein umfassendes Sanierungsprotokoll entscheidend. Diese Dokumentation sollte bereits bei der Ausschreibung berücksichtigt werden und den gesamten Sanierungsprozess von der Zustandserfassung über Abdichtungsmaßnahmen, Untergrundvorbereitung, Beschichtung und Nachbehandlung bis hin zur Abnahme der Sanierungsmaßnahme umfassen. Diese Anforderungen erfüllen Firmen mit einem Gütezeichen der Beurteilungsgruppe "S" (Sanierung) mit geprüften Verfahrenshandbüchern für die Sanierungssysteme "S20 Bauwerksreparatur" und "S42 Beschichtungsverfahren".
Die Bedeutung umsichtiger und vorausschauender Planung betonten auch Uwe Rother, MC Bauchemie, Fachbereich ombran, Bottrop, oder Dipl.-Ing. Rico Nock, Vogel Ingenieure, Kappelrodeck, der die Anschlusssanierung sogar als die Königsdisziplin bei Reparaturverfahren bezeichnete. Planungsprozesse in der Kanalsanierung erforderten aktuelles, technisches Detailwissen von den beteiligten Fachleuten. Der Auftraggeber ist bei der Vergabe von Planungsaufträgen für die Kanalsanierung gefordert, etwa bei der Prüfung der Fachkunde und Erfahrung der Ingenieurbüros. Ingenieurbüros, die das Gütezeichen ABS (Auschreibung, Bauüberwachung Sanierung) führen, haben ihre Eignung auf Grundlage der Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 961 nachgewiesen.
Umdenken gefordert
Einzelheiten hierzu erläuterte Dipl.-Ing. Dieter Walter, ein vom Güteausschuss der RAL-Gütesicherung Kanalbau beauftragter Prüfingenieur. Er fordert ein Umdenken in der Planung und Bauüberwachung. Vor allem die Zustandserfassung und Dokumentation der Schäden sei das A und O bei der Sanierungsplanung. Erst dann könnten konkrete Konzepte definiert werden, welche wiederum maßgeblich die Entscheidung für oder gegen ein Sanierungsverfahren beeinflussen. "Verantwortlich hierfür sollte ausschließlich der Planer sein", so Walter. "Er trägt deshalb eine große Verantwortung und muss über das nötige Fachwissen verfügen." Der Planer hat dafür Sorge zu tragen, dass geeignete Bauverfahren ausgewählt, ausgeschrieben und nach den Regeln der Technik eingesetzt werden. Bei der Bauüberwachung ist die geforderte Ausführungsqualität von den Fachfirmen einzufordern.
Ein wichtiger Baustein für mehr Nachhaltigkeit ist das System der RAL-Gütesicherung Kanalbau. Die RAL-Gütesicherung wird von Auftraggebern und Auftragnehmern gleichberechtigt getragen; gemeinsam wird an dem Thema Qualität in der Herstellung und Instandhaltung von Abwasserleitungen und -kanälen gearbeitet. Zusätzlich bietet die RAL-Gütesicherung Kanalbau Beurteilungsgruppen für Leistungen der Ausschreibung und Bauüberwachung an. Die Eignung der Organisation für Ingenieurleistungen im Bereich Ausschreibung (A) und Bauüberwachung (B) im offenen Kanalbau (AK), bei grabenlosem Einbau (V) und der grabenlosen Sanierung (S) von Abwasserleitungen und -kanälen (Beurteilungsgruppen ABAK, ABV und ABS) werden von der Gütegemeinschaft entsprechend den Anforderungen der Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 961 geprüft und beurkundet.
Ingenieurbüros wie die Oppermann GmbH, Vellmar, nutzen dieses Instrument konsequent, indem sie Gütezeichen der Beurteilungsgruppe ABAK, ABS und ABV führen. Letztendlich verbessern eine zuverlässige Planung, Ausschreibung und Bauausführung bei der Sanierung von Abwasserleitungen und -kanälen und den eingebundenen Schachtbauwerken die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme und sorgen für eine längere Nutzungsdauer der Abwassernetze, ist Dipl.-Ing. Markus Buda, Projektleiter Zertifizierter Kanalsanierungberater, Oppermann GmbH Ingenieurbüro, Vellmar, überzeugt. Zum Abschluss stellte Dipl.-Ing. Markus Schäfer, M.Eng. Diringer & Scheidel Rohrsanierung GmbH, Aschaffenburg, Umsetzung und Anwendungsgrenzen gängiger Renovierungs- und Reparaturverfahren vor. Innerhalb der Gruppen gibt es durchaus Unterschiede, zum Beispiel hinsichtlich des gerätetechnischen Aufbaus und der Systemkomponenten, der Grundmaterialien und Materialkombinationen, der Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgrenzen in Abhängigkeit von örtlichen Randbedingungen.
Und genau aus diesem Grund kommen Planung und Ausschreibung übergeordnete Bedeutung zu, denn eine Standardsanierungsmaßnahme gibt es nicht – hierin waren sich die Teilnehmer am 12. Nürnberger Kolloquium einig.
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