Versalzen: Abwasser eines Erdgasunternehmens bedroht Flüsse
29.12.2022
Immer wieder leiten Industriebetriebe salzhaltiges Abwasser in Flüsse. Mit schlimmen Folgen für Fauna und Flora. Die Klimakrise verschärft das Problem, denn die Verdünnung des Abwassers mit natürlichem Flusswasser nimmt durch lange Dürreperioden ab.
“Alles ist trocken! Und zwar so trocken, dass hier schon Gräser wachsen!” Im August steht Björn Scherhorn in einem ausgetrockneten Bachbett gleich hinter seinem Hof. Längst hat der Klimawandel und die damit einhergehende Dürre auch Niedersachsen erreicht. Mit Sorge blickt der Landwirt deshalb in den Nachbarort zu einer Wurstfabrik.
In den großen grauen Hallen pökeln sie auch Wurst, so dass das Abwasser stark mit Salz belastet ist. In der örtlichen Kläranlage wird dieses Abwasser zwar von Fett und anderen Schadstoffen gereinigt, doch das Salz bleibt drin; zu aufwendig und teuer wäre das Herausfiltern. Dieses salzige Wasser wird später in einen nahegelegenen Bach in einem FFH-Gebiet geleitet.
Abwässer versalzen vielerorts das Wasser
Es ist ein Vorgang, der überall in Deutschland passiert – ganz legal und mit Genehmigung der Behörden. Doch seit die Pegelstände von Flüssen sinken, ist das Einleiten salziger Abwässer noch problematischer. Hohe Konzentrationen führen zu massenhaftem Sterben von Süßwasser-Organismen. Die Behörden müssten die Grenzwerte für das Einleiten von Chlorid-haltigen Abwässern anpassen. Doch das ist vielerorts offenbar nicht geschehen. So schreibt das Umweltministerium aus Nordrhein-Westfahlen: “Aktuell gibt es in den wasserrechtlichen Regelungen keine konkreten Vorgaben zur Berücksichtigung von Niedrigwasserphasen.”
Nach NDR-Recherchen sind seit Januar 2021 wohl gut 1.000 Tonnen Salz aus der niedersächsischen Erdgasförderung in verschiedene Flüsse und Bäche eingeleitet worden. Allein 104 Tonnen Salz des Erdgasunternehmens Wintershall Dea gingen über eine Kläranlage in die Lutter bei Gütersloh. Das Salz stammt aus tausenden Metern Tiefe und gelangt bei der Gasförderung mit an die Oberfläche.
Das stille Sterben im Abwasser
Dabei hatte der Deutschlandchef von Wintershall Dea noch im Februar 2022 im niedersächsischen Umweltausschuss behauptet, das salzhaltige Abwasser aus der Erdgasproduktion würde hauptsächlich wieder in den Untergrund verpresst. Auf Nachfrage gab die Firma nun aber an, dass sie den überwiegenden Teil des Lagerstättenwassers, nämlich rund 70%, an Entsorgungsfirmen gibt. Die behandeln es und leiten es mit dem enthaltenen Salz in Flüsse.
NDR-Recherchen zeigen, dass der Salzgehalt an der Lutter bei Gütersloh Ende August drei Mal höher war als es für den guten Zustand eines Flusses sein darf. Das hat die Untersuchung des Sachverständigen Dr. Rainer Gellermann ergeben, der in den vergangenen Jahren zahlreiche Untersuchungen an Kläranlagen durchgeführt hat. Der zuständigen Aufsichtsbehörde war bekannt, dass ein Orientierungswert für den Salzgehalt drei Jahre hintereinander überschritten wurde. Man habe aber abwarten wollen, ob sich das Salz tatsächlich negativ auf die Biologie des Baches auswirke, so die Bezirksregierung Detmold auf Anfrage.
Nur noch wenige Arten nachweisbar
Die DNA-Analyse einer Wasserprobe aus dem August durch die Universität Duisburg-Essen deutet auf eine schlechte Wasserqualität hin. Gewässerexperte Prof. Florian Leese konnte nur wenige Arten wie Insekten oder Krebstiere nachweisen. Typische Organismen für einen Süßwasserfluss könnten sich auch zukünftig nicht einstellen, wenn weiterhin Salz eingeleitet werde, so Florian Leese.
Das Unternehmen Wintershall Dea teilt mit, dass die engagierten Entsorgungsfirmen zertifiziert seien und dass das salzige Abwasser aus der Erdgasförderung behördlich genehmigt entsorgt würde.
Im Interview mit Panorama 3 sagte der niedersächsische Umweltminister Christian Meier: “(…) die Industrie ist gefordert, eine Produktion zu haben, die nicht dazu führt, dass unsere Gewässer zum Abwasserkanal der Industrie werden.” Denn kollabierende Ökosysteme seien nicht nur für die Tierwelt ein Problem, sondern auch für den Menschen. “Na, wir haben dann eben kein geeignetes Trinkwasser mehr. Ein Fluss, der zu versalzen ist, daraus können wir kein Trinkwasser machen.”
Über die Genehmigungen zur Einleitung von Abwässern in Flüsse sollte auch auf der Umweltministerkonferenz in Berlin gesprochen werden.
Weitere News und Artikel
27.09.2023
News
Leitungsbau geht viral!
Über 2.500 Follower, mehr als zweieinhalb Millionen Views und an die 100.000 Likes: In weniger als zwei Monaten hat sich der pipeline.31-Kanal auf TikTok zu einer unfassbaren Erfolgsgeschichte entwickelt.
25.09.2023
News
Welche Gesetze erleichtern den Bau von Wasserfern- und Verbundleitungen?
Der Bedarf an Wasserfern- und Verbundleitungen dürfte aufgrund der Folgen des Klimawandels zukünftig erheblich ansteigen. Die Auswirkungen der Trockenphasen auf die Wasserversorgung sind bereits an vielen Stellen in Deutschland sichtbar und werden noch ansteigen. Das macht einen erheblichen Aus- und …
22.09.2023
News
Betontrennmittelemulsionen auf Basis nachwachsender Rohstoffe
MC-Bauchemie hat mit der Ortolan Bio 800er-Reihe eine neue Produktfamilie auf den Markt gebracht. Die Betontrennmittelemulsionen Ortolan Bio 800 und Ortolan Bio 880 wurden speziell für glatte Sichtbetone entwickelt und überzeugen durch besonders umweltfreundliche Eigenschaften.
20.09.2023
Fachartikel
Energiesparend: Pumpen sollten Herzschlag folgen
Das Pumpen von Flüssigkeiten scheint ein gelöstes Problem zu sein, aber die Optimierung dieses Prozesses ist immer noch ein aktives Forschungsgebiet. Jede Anwendung – von Industrie bis Haushalt – würde von Energieeinsparungen profitieren. Forscher des Institute of Science and Technology …
18.09.2023
News
BRAWO® SYSTEMS verlängert und erweitert seine DIBt Zulassung für den erdverlegten Bereich
BRAWO® SYSTEMS hat das vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) vorgegebene umfangreiche Prüfprogramm erfolgreich absolviert und seine Zulassung für den erdverlegten Bereich erweitert.
15.09.2023
News
Marschengräben – Ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung und aktuelle Entwicklungen
Die DWA hat das Merkblatt DWA-M 622-2 „Marschengräben – Ökologie und Unterhaltung – Teil 2: Ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung und aktuelle Entwicklungen“ veröffentlicht.
13.09.2023
News
Ruhrverband mit dem DWA-Klimapreis ausgezeichnet
Der Ruhrverband hat den 3. Platz beim erstmals ausgeschriebenen Klimapreis 2023 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) gewonnen.
11.09.2023
News
Flächenbündig ohne Höhen und Tiefen
Stolperfallen und gefährliches Absacken durch den richtigen Einbau von Schachtabdeckungen vermeiden
08.09.2023
News
Gütegemeinschaft Entwässerungstechnik e. V. (GET) Kompakt Info 95
Wassergefährdende Stoffe dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Deshalb müssen Leichtflüssigkeitsabscheideranlagen zum Schutz gegen Austrag von Leichtflüssigkeiten eine Überhöhung gegenüber dem tiefsten Zulauf sowie gegenüber der Rückstauebene aufweisen. Ein Fachkundiger für Abscheideranlagen gibt Tipps, was zu tun ist.
06.09.2023
News
DIRINGER & SCHEIDEL (D&S) übernimmt Druckrohr- und Kanalsanierungssparte der RTi Austria GmbH in die neu gegründete DIRINGER & SCHEIDEL AUSTRIA GMBH
Mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags hat die DIRINGER& SCHEIDEL Rohrsanierung GmbH & Co. KG aus Mannheim, Deutschland Teile der traditionsreichen RTi Austria GmbH mit Sitz in Pucking, Österreich übernommen. Es handelt sich dabei um die grabenlose Druckrohr- und Kanalsanierungssparte, deren …
31.08.2023
News
Erstellung eines Arbeitsberichts „Plant Wide Control“ – Vernetzte Automatisierungslösungen auf Kläranlagen
Die DWA plant die Erstellung eines Arbeitsberichts „Plant Wide Control“ – Vernetzte Automatisierungslösungen auf Kläranlagen.
30.08.2023
News
Kanalgipfel 2023: Wasserwirtschaft in der Region - Stand und Perspektiven
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen und wirtschaftlichen Bewertung dieser langlebigen Anlagen. Der Kanalgipfel bietet eine Hilfestellung für eine detaillierte und konsistente …
Kontakt
gwf Wasser | Abwasser - Vulkan-Verlag GmbH
Franziska Betz
Redaktionsassistenz
Friedrich-Ebert-Str. 55
45127 Essen
Deutschland
Telefon:
0201 82002-0