Weltwassertag 2021 „Valuing Water“ - Der Wert des Grundwassers
24.03.2021
Die Vereinten Nationen rufen zum Weltwassertag am 22. März 2021 das Motto „Valuing Water“ aus. Doch die Wertschätzung von Wasser setzt das Verständnis voraus, dass es sich bei den verfügbaren Trinkwassermengen um eine kostbare Ressource handelt. Zu wenig Beachtung findet dabei bisher das Grundwasser als weltweit wichtigste Trinkwasserquelle.
Grundwasser ist an vielen Orten der Welt verschmutzt, zudem wird mehr Wasser entnommen, als sich nachbildet. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung untersucht, wie Grundwasser besser geschützt werden kann und lenkt damit den Blick auf den Wert der „unsichtbaren“ Ressource.
Grundwasser ist die wichtigste Trinkwasserressource weltweit. Der künftige Umgang damit wird für die Ernährung der Weltbevölkerung entscheidend sein – er betrifft sowohl die Lebensmittelproduktion als auch die Trinkwasserversorgung. „Fast die Hälfte der globalen landwirtschaftlichen Bewässerung speist sich aus Grundwasser. Doch in vielen Teilen der Welt werden Grundwasservorräte so stark übernutzt, dass der Grundwasserspiegel drastisch sinkt“, sagt ISOE-Wasserexperte Stefan Liehr.
Betroffen sind Regionen mit intensiver landwirtschaftlicher Bewässerung beispielsweise in den USA, in China, Pakistan, Indien und Nordafrika. Aber auch in Europa leeren sich die Grundwasserspeicher, etwa in Spanien oder Südfrankreich. Zugangs- und Verteilungskonflikte sind längst nicht mehr auf besonders trockene Regionen begrenzt, sogar im vermeintlich wasserreichen Deutschland kommt es vermehrt zu Nutzungskonflikten.
Insbesondere aber in trockenen und halbtrockenen Gebieten führt der extreme Zugriff auf das Grundwasser dazu, dass die sogenannten Ausgleichspuffer verschwinden. „Das bedeutet, dass Seen, Feuchtgebiete und Flüsse periodisch austrocken“, sagt Liehr, „ein Problem, das durch den Klimawandel noch verschärft wird.“ Denn steigende Temperaturen erhöhen die Verdunstungsrate, entsprechend weniger Grundwasser kann sich neu bilden. Damit steigt das Risiko für die Trinkwasserversorgung und für die Ernährungssicherung, weil die Nahrungsmittelproduktion meist auf Grundwasservorräte angewiesen ist. „Ein wertschätzender Umgang mit der Ressource ist auch in Europa dringlich“, sagt Liehr, „das heißt im Klartext, die Ressource muss nachhaltig bewirtschaftet werden.“
Nachhaltige Grzndwasserbewirtschaftung, um Quantität und Qualität zu sichern
Eine nachhaltige Grundwasserentnahme bedeutet zunächst, nicht mehr Wasser zu entnehmen, als sich langfristig über den Wasserkreislauf neu bilden kann. Doch das Problem ist vielschichtiger, weiß Fanny Frick-Trzebitzky, ebenfalls Wasserexpertin am ISOE. „Seit Jahren haben wir anhaltend hohe stoffliche Einträge in das Grundwasser, mit teilweise unbekannten Auswirkungen auf Ökosysteme. Wir haben es also mit einem Mengen- und einem Qualitätsproblem zu tun. Daraus erwachsen Konflikte um die Ressource, zum Beispiel zwischen Landwirtschaft, Trinkwassergewinnung und Naturschutz“, berichtet Fanny Frick-Trzebitzky. Sie leitet am ISOE gemeinsam mit Robert Lütkemeier die Nachwuchsgruppe regulate, die nach Lösungen für eine nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung in Europa forscht.
Etwa ein Viertel aller europäischen Grundwasserkörper befindet sich chemisch in einem schlechten Zustand, Nitrat spielt dabei eine entscheidende Rolle. Auch wird der ökologische Wert von Grundwasser derzeit gar nicht erfasst. „Es ist notwendig, die bisherigen Vorgaben der Europäischen Grundwasserrichtlinie zu erneuern. Daneben gilt es, den Schutz von Grundwasser auch in anderen Politiken, etwa der Agrarpolitik, zu integrieren, denn ganz offensichtlich reichen die Ansätze in der vorhandenen Form nicht aus, um die nachhaltige Nutzung der wertvollen Ressource zu garantieren“, sagt Frick-Trzebitzky.
Ein Blick auf die Ursachen des Problems zeige zudem, dass der Druck auf die Grundwasserleiter nicht nur durch die Entnahme vor Ort in den sogenannten Hotspot-Regionen Europas entstehe. „Zur Übernutzung tragen auch überregionale Wirkungen bei,“ sagt Fanny Frick-Trzebitzky. „Wir sprechen hier von Fernwirkungen oder von Telekopplungen, die die Problematik noch verschärfen.“
Wertschätzung der "unsichtbaren" Ressource Grundwasser
Beispielhaft lassen sich Telekopplungen beim virtuellen Wasserhandel zeigen. Hierbei entstehen regionale Grundwasserbelastungen aufgrund überregionaler Prozesse. So werden etwa Grundwasserkörper in Südspanien durch Wasserentnahmen sowie durch Pestizid- und Nährstoffeinträge für den Anbau von Gemüse belastet. Das Gemüse wird für den Export nach Mitteleuropa angebaut – somit gerät der Konsum von in deutschen Supermärkten gehandelten Tomaten in direkten Zusammenhang mit Grundwasserschutz in Südspanien. Das wirft auch Fragen nach der Verteilung von Entscheidungsmacht in der grundwasserschonenden Landwirtschaft auf.
Ein weiteres Beispiel für Telekopplung ist die Wasserversorgung von Ballungsräumen über Fernleitungen. Metropolregionen und große Städte kommen häufig nicht mit den Wasservorkommen vor Ort aus und beziehen zusätzliches Trinkwasser, das über Fernleitungen aus anderen Regionen eingespeist wird. Runde Tische und ähnliche Kooperationsmodelle zwischen unterschiedlichen Wassernutzern sollen den gemeinsamen Schutz von Grundwasser im Einzugsgebiet stärken, beispielsweise im Umland von Frankfurt. „Es kommt dennoch immer wieder zu Konflikten rund um die Verteilung der begrenzten, unsichtbaren Ressource und um die Frage, wie ein nachhaltiger Umgang damit gestaltet werden kann,“ sagt Frick-Trzebitzky.
In der Agenda 2030 der UN ist die nachhaltige Wasserversorgung als ein zentrales Ziel verankert, um den globalen Wasserbedarf der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. „Dieses Ziel wird aber nur zu erreichen sein, wenn auch das Thema Grundwasser und ein wertschätzender Umgang damit stärker als bisher in den Blick genommen wird.“
Weitere News und Artikel
02.10.2023
News
Neue Lektion auf UNITRACC: Untersuchung von begehbaren Querschnitten und Bauwerken
Die Lektion "Untersuchung von begehbaren Querschnitten und Bauwerken" ist jetzt für alle Abonnent*innen des Weiterbilungspaketes zugänglich und wird künftig Teil des neu erscheinenden Kurses "Untersuchung und Reparatur von begehbaren Querschnitten und Bauwerken" sein.
02.10.2023
News
Wie sich gereinigtes Abwasser auf Flüsse auswirkt
Kläranlagen sind ohne Zweifel eine große Errungenschaft, haben sie doch erheblich zur Verbesserung der Wasserqualität in natürlichen Gewässern beigetragen. Eine von Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität durchgeführte Studie zeigt aber, dass über das eingeleitete Abwasser noch immer Substanzen in den Wasserkreislauf gelangen, …
27.09.2023
News
Leitungsbau geht viral!
Über 2.500 Follower, mehr als zweieinhalb Millionen Views und an die 100.000 Likes: In weniger als zwei Monaten hat sich der pipeline.31-Kanal auf TikTok zu einer unfassbaren Erfolgsgeschichte entwickelt.
25.09.2023
News
Welche Gesetze erleichtern den Bau von Wasserfern- und Verbundleitungen?
Der Bedarf an Wasserfern- und Verbundleitungen dürfte aufgrund der Folgen des Klimawandels zukünftig erheblich ansteigen. Die Auswirkungen der Trockenphasen auf die Wasserversorgung sind bereits an vielen Stellen in Deutschland sichtbar und werden noch ansteigen. Das macht einen erheblichen Aus- und …
22.09.2023
News
Betontrennmittelemulsionen auf Basis nachwachsender Rohstoffe
MC-Bauchemie hat mit der Ortolan Bio 800er-Reihe eine neue Produktfamilie auf den Markt gebracht. Die Betontrennmittelemulsionen Ortolan Bio 800 und Ortolan Bio 880 wurden speziell für glatte Sichtbetone entwickelt und überzeugen durch besonders umweltfreundliche Eigenschaften.
20.09.2023
Fachartikel
Energiesparend: Pumpen sollten Herzschlag folgen
Das Pumpen von Flüssigkeiten scheint ein gelöstes Problem zu sein, aber die Optimierung dieses Prozesses ist immer noch ein aktives Forschungsgebiet. Jede Anwendung – von Industrie bis Haushalt – würde von Energieeinsparungen profitieren. Forscher des Institute of Science and Technology …
18.09.2023
News
BRAWO® SYSTEMS verlängert und erweitert seine DIBt Zulassung für den erdverlegten Bereich
BRAWO® SYSTEMS hat das vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) vorgegebene umfangreiche Prüfprogramm erfolgreich absolviert und seine Zulassung für den erdverlegten Bereich erweitert.
15.09.2023
News
Marschengräben – Ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung und aktuelle Entwicklungen
Die DWA hat das Merkblatt DWA-M 622-2 „Marschengräben – Ökologie und Unterhaltung – Teil 2: Ökologisch ausgerichtete Gewässerunterhaltung und aktuelle Entwicklungen“ veröffentlicht.
13.09.2023
News
Ruhrverband mit dem DWA-Klimapreis ausgezeichnet
Der Ruhrverband hat den 3. Platz beim erstmals ausgeschriebenen Klimapreis 2023 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) gewonnen.
11.09.2023
News
Flächenbündig ohne Höhen und Tiefen
Stolperfallen und gefährliches Absacken durch den richtigen Einbau von Schachtabdeckungen vermeiden
08.09.2023
News
Gütegemeinschaft Entwässerungstechnik e. V. (GET) Kompakt Info 95
Wassergefährdende Stoffe dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Deshalb müssen Leichtflüssigkeitsabscheideranlagen zum Schutz gegen Austrag von Leichtflüssigkeiten eine Überhöhung gegenüber dem tiefsten Zulauf sowie gegenüber der Rückstauebene aufweisen. Ein Fachkundiger für Abscheideranlagen gibt Tipps, was zu tun ist.
06.09.2023
News
DIRINGER & SCHEIDEL (D&S) übernimmt Druckrohr- und Kanalsanierungssparte der RTi Austria GmbH in die neu gegründete DIRINGER & SCHEIDEL AUSTRIA GMBH
Mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags hat die DIRINGER& SCHEIDEL Rohrsanierung GmbH & Co. KG aus Mannheim, Deutschland Teile der traditionsreichen RTi Austria GmbH mit Sitz in Pucking, Österreich übernommen. Es handelt sich dabei um die grabenlose Druckrohr- und Kanalsanierungssparte, deren …
Kontakt
Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH
Dr. Stefan Liehr
Hamburger Allee 45
60486 Frankfurt am Main
Deutschland
Telefon:
+49 69 707 6919 36