Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Injektionsmittel auf der Basis von Polyurethanharz

Zur Verfügung stehen Gele sowie Ein- und Zweikomponentenpolyurethansysteme.

Zur Herstellung von Gelen werden (polyfunktionelle) NCO-Prepolymere auf der Basis von ethylenoxidreichen Polyethern eingesetzt.

Durch Vermischen mit überschüssigem Wasser entstehen zunächst Emulsionen bzw. Lösungen, die durch Wasser und ggf. zugesetztes Di-bzw. Polyamin unter Vernetzung aushärten. Sofern das bei der Wasserreaktion entwickelte Kohlendioxid nicht im wäßrigen Medium löslich ist, entstehen Schaum-Hydrogele [Becke83] [Kubic85] .

Zu den Gelen zählt z.B. das beim Cherne-Verfahren (Abschnitt 5.2.2.4.1) eingesetzte Injektionsmittel mit dem Handelsnamen Scotch Seal 5610 Chemical Grout.

Während der chemischen Reaktion bleibt das Mittel hydrophil, d.h. es bindet Wasser. Als Endprodukt entsteht bei einem Mischungsverhältnis Wasser zu Scotch Seal 5610 von 1:1 bis 4:1 (bezogen auf das Volumen) ein Polyurethanschaum und bei einem Mischungsverhältnis von 4:1 bis 15:1 ein Polyurethangel.

Zur Abdichtung defekter Kanäle wird am häufigsten das Mischungsverhältnis 8:1 gewählt (11 % Prepolymer). Maßgebend hierfür sind jedoch die speziellen Anforderungen und die erforderliche Gelfestigkeit, die mit zunehmendem Wasseranteil abnimmt.

Zur Minimierung der Volumenschrumpfung des Gels können entsprechende Zusätze dem Wasser zugegeben werden. Bei Trocknung erfolgt durch Feuchtigkeitsabgabe in wesentlich geringerem Maße als bei Acrylatgelen Schrumpfung unter Erhalt der Konturen. Durch Wasserlagerung kann die Schrumpfung aufgehoben werden.

Bei den Einkomponentenpolyurethansystemen wird ein in der Regel weichmacherhaltiges Polyurethan-Prepolymer bei der Injektion mit einer für den gewünschten Zweck erforderlichen Menge Katalysator vermischt und dann als eine Komponente injiziert. Im Baugrund reagieren die Isocyanatgruppen des Polyurethan-Prepolymers mit dem anstehenden oder mitinjizierten Wasser zu einem festen Polyurethan-Polyharnstoff-Harz.

Nachteile dieses Verfahrens sind:

  • im Boden verbleibt der Weichmacher, der chemisch nicht eingebunden wird;
  • Polyurethan-Prepolymer, das nicht hinreichend mit Wasser vermischt wird, härtet nicht aus. Geringe Mengen, z.B. Wasser aus dem Zwickelbereich von Lockergesteinskörnern, reichen allerdings bereits zum Aushärten aus.

Diese Nachteile werden bei dem aus dem Steinkohlenbergbau bekannten Zweikomponentenverfahren vermieden.

Dabei entstehen Polyurethane durch die Reaktion von Polyisocyanaten und Polyhydroxyl-Komponenten. Durch Polyaddition werden in einem schon bei Raumtemperatur ablaufenden exothermen Vorgang Makromolekülketten gebildet.

Bei den von Bayer und Mitarbeitern (1937/1947) erarbeiteten Diisocyanat-Polyadditionsverfahren laufen zwei chemische Reaktionen parallel ab und zwar zum einen die eines Polyisocyanates mit einem Polyalkohol zum Polyurethan und die zwischen Isocyanat und Wasser zu Polyharnstoff und Kohlendioxid, das zum Aufschäumen des Polyurethans führt. Durch Variation der Polyisocyanate und der Polyalkohole lassen sich Polyurethane mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften herstellen.

Laborversuche haben ergeben, daß dieses Mittel auch erfolgreich bei der Verfestigung und/oder Abdichtung von Lockergestein mit einem Schluffanteil von ca. 15 % in Abhängigkeit von der Lagerungsdichte eingesetzt werden kann. Je nach Kornverteilung und Porengröße des zu injizierenden Lockergesteins können sowohl im bodenfeuchten als auch im wassergesättigten Zustand einaxiale Druckfestigkeiten von über 50 N/mm2 erzielt werden. Je geringer die Porengröße im Lockergestein ist, um so weniger schäumt das injizierte Mittel auf und um so höher wird die Festigkeit [Kubic85] [Maidl86] [Stein86c] . Durch die Einbeziehung von Wasser in die chemische Reaktion entsteht keine Trennschicht aus Wasser zwischen Polyurethan und dem Korn. Außerdem findet durch die nachträgliche Volumenvergrößerung eine Art Selbstinjektion z.B. kleinster Poren und Risse statt.

Wie das Epoxidharz, eignet sich auch das Polyurethan für die Verfestigung und/oder Abdichtung im Bereich aggressiver Böden und Wässer, selbst in säurekontaminierten Böden. Für die Injektionstemperatur gibt es kaum Einschränkungen. Hier ist jedoch zu bedenken, daß die Umgebungstemperatur für die Reaktionszeit eine wichtige Rolle spielt.

Das Mischungsverhältnis der beiden Injektionsmittelkomponenten kann im Gegensatz zum Epoxidharz um mehrere Prozent von der Idealmischung abweichen, ohne daß dies größere Auswirkungen auf das Endprodukt hat.

Bezüglich des Grundwasserverhaltens von zweikomponentigem Polyurethan haben mehrjährige Untersuchungen gezeigt, daß die Grundwasserbeeinträchtigung durch Stoffe aus dem Injektionsmittel von verschiedenen Parametern abhängt. Zu diesen zählen zunächst die bodenmechanischen Parameter des zu verfestigenden Bodens wie z.B. die Porengeometrie. Weitere Einflußgrößen sind die Injektionsreichweite, die Filtergeschwindigkeit des fließenden Grundwassers und die Rezeptur des Injektionsmittels sowie die Injektionsverfahrenstechnik.

image
Image 5.2.2.1.4.2.3-1: 

Schaumverhalten und mechanische Eigenschaften eines Polyurethan-Systems in Abhängigkeit von der Kornverteilung [Stein87d]

image
Image 5.2.2.1.4.2.3-2: 

Auftreten eines Grundbruchs infolge der Injektion im Lockergestein mit einem Schluffgehalt ≥ 15 % [Stein87d]

image
Image 5.2.2.1.4.2.3-3: 

Injektionskörper infolge einer Polyurethan-Injektion im Lockergestein der Sieblinie 8-63 mm [Stein87d]

Durch eine Injektion in zwei Stufen, bei der zunächst ein Teil der einen Injektionsmittelkomponente, das Polyisocyanat, vorausinjiziert wird, läßt sich die Konzentration von an das Grundwasser abgegebenen Stoffen aus der Polyol-Komponente erheblich minimieren.

Die Gesamtmenge des über mehrere Wochen in das Grundwasser migrierenden Polyols beträgt im Feinsand ohne Zweiphaseninjektion ca. 2 % des gesamten verpreßten Injektionsmittels, während eine 5 cm starke Vorinjektionsschicht aus Polyisocyanat die Migration auf etwa 0,1 % reduziert [Gerde88] .

Die in das Grundwasser gelangenden Polyolanteile sind toxikologisch unbedenklich und bauen sich im Wasser in Abhängigkeit der vorhandenen Mikrobiologie biologisch ab. Die andere Komponente, das Polyisocyanat, reagiert bei der Berührung mit Grundwasser oder in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit zu dem chemisch inerten, d.h. nichtlöslichen Feststoff Polyharnstoff.

Schaumfaktor und die ausgezeichneten Klebeeigenschaften prädestinieren dieses Mittel auch für die Injektion selbst großer und feuchter Risse.

Allgemeine Eigenschaften der Zweikomponentensysteme:

  • Volumenvergrößerung durch Aufschäumen (Wirtschaftlichkeit),
  • plastische und elastische Verformungseigenschaften in Abhängigkeit der Rezeptur einstellbar,
  • gutes Haftvermögen auch auf feuchtem Untergrund,
  • lösemittelfrei und nicht schwindend.

Nachteilig wirkt sich bei diesen Systemen das nur wenig kontrollierbare Aufschäumen in Abhängigkeit von der Porengröße im Boden und der Bodenfeuchtigkeit aus. Es führt zur Dichteänderung und damit zu entsprechenden Änderungen der mechanischen Eigenschaften des Endproduktes. Abhilfe, z.B. zur Erhöhung der Dichte und Festigkeit, kann durch gezielte Nachinjektionen geschaffen werden.

Die im Lockergestein unterschiedlicher Körnungen teilweise durch eine Nachinjektion erzielbaren mechanischen Eigenschaften der verfestigten Böden sind im (Image 5.2.2.1.4.2.3-1) für ein gängiges Polyurethansystem exemplarisch wiedergegeben.

Untersuchungen zur Wasserdichtheit der verfestigten Böden haben für mittel- bis grobsandige Böden einen mittleren Durchlässigkeitsbeiwert von k10 = 2 x 10-7 m/s und für feinsandige Böden von k10 = 4 x 10-9 m/s ergeben [Gerde88] .

Lockergestein mit einem Schluffanteil > 15 % ist mit Polyurethan nur unter Anwendung hoher Injektionsdrücke injizierbar.

In der Regel stellt sich in diesen Fällen ein Grundbruch bzw. ein künstlich geschaffener Hohlraum ein, der mit dem Injektionsmittel verfüllt wird (Image 5.2.2.1.4.2.3-2) . Die Injektion des Bodens der Leitungszone unter diesen Bedingungen führt zwangsläufig zu Verformungen, zur Lageänderung der Rohre bzw. Ausweitung bereits vorhandener Schäden.

Lockergestein des Mittel- bis Grobkiesbereiches sind bei geringen Injektionsdrücken unter Wasssersättigung mit den herkömmlichen Systemen und im trockenen Zustand nur mit schnell reagierenden PUR-Systemen erfolgreich zu verfestigen (Image 5.2.2.1.4.2.3-3) .

Die durch die Porengröße bedingte mangelnde Festigkeit von nur ca. 1 N/mm2 läßt sich in diesem Fall durch Nachinjektion z.T. kompensieren, so daß schließlich noch Festigkeiten bis zu 5 N/mm2 erreicht werden können (Image 5.2.2.1.4.2.3-1) .

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)