Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 2/18: Unwirksame Eingriffe in das Nachtragsmanagement der VOB durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

31.05.2005

Im zweiten Teil der VOB-Reihe geht es um das so genannte Nachtragsmanagement. In § 2 VOB/B „Vergütung“ ist das „Nachtragsmanagement“ rechtlich geregelt. Die wichtigste Unterscheidung zum gesetzlichen Werkvertragsrecht nach § 631 ff. BGB besteht darin, dass sich ein einmal für ein Bauvorhaben geschlossener Werkvertrag nach den Regelungen der VOB auch durch widersprechende Willenserklärungen fortschreiben kann, während nach dem reinen Gesetzesrecht jede zusätzliche oder geänderte Leistung zwischen den Vertragsparteien gesondert durch übereinstimmende Willenserklärung vereinbart werden müsste. Durch diesen Grundsatz will die VOB den Notwendigkeiten der beschleunigten und effektiven Baudurchführung Rechnung tragen, indem etwaiger Streit über den Leistungsumfang und den Leistungsinhalt nicht zur Bauunterbrechung führen soll. So regelt die § 2 VOB/B – auch unabhängig davon, ob ein Auftragnehmer (AN) oder ein Auftraggeber (AG) dies ausdrücklich will - die Vertragsanpassung hinsichtlich der Vergütung, ändern sich die Leistungsinhalte vom ursprünglich Vereinbarten.

Für Einheitspreisverträge bestimmt § 2 Nr. 3 VOB/B bei Mengenüber – oder unterschreitung, dass ein Preisanpassungsanspruch entsteht, wird eine („Opfer“-) Grenze von 10 % überschritten bzw. unterschritten.
§ 2 Nr. 5 VOB/B regelt die Konsequenz der einseitigen Änderungsanordnungsbefugnis des Auftraggebers nach § 1 Nr. 3 VOB/B. Demnach begründet jede Änderung des ursprünglichen Bauentwurfes unabhängig von irgendwelchen „Opfergrenzen“ einen Vergütungsanpassungsanspruch unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten. Schließlich regelt § 2 Nr. 6 VOB/B die Konsequenz der Auftraggeberkompetenz nach § 1 Nr. 4 VOB/B, zusätzliche Leistungen zu fordern. Wird ein solcher Anspruch vor der Ausführung angekündigt, begründet demnach jede Leistungserweiterung wieder ohne Opfergrenzen einen Mehrvergütungsanspruch, der sich ebenso auf der Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistung bestimmt.
Flankiert werden diese drei Fälle der Mengenänderung, Bauentwurfsänderung und Zusatzleistungen durch die Regelung zum Teilentzug von Leistungen nach § 2 Nr. 4 VOB/B sowie die Regelung bei objektiv notwendigen Leistungsänderungen oder Mehrungen nach § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B.

Für Pauschalpreisverträge wird das Nachtragsmanagement in § 2 Nr. 7 VOB/B dahingehend modifiziert, dass Mengenüberschreitungen und -unterschreitungen nur eine Vergütungsanpassung bewirken, wenn ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (vgl. § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 VOB/B). Anders als in § 2 Nr. 3 VOB/B gibt es keine starre Opfergrenze. Sie wird jedoch von Rechtsprechung und Literatur regelmäßig zwischen 20 bis 25 % angenommen. Im übrigen wird oft übersehen, dass auch für einen Pauschalpreisvertrag das Nachtragsmanagement für die teilweise Auftragsentziehung nach § 2 Nr. 4 VOB/B, für die Bauentwurfsänderung nach § 2 Nr. 5 VOB/B und für Zusatzleistungen nach § 2 Nr. 6 VOB/B unverändert bestehen bleibt, hier also nichts anderes als im Rahmen eines Einheitspreisvertrages gilt, vgl. § 2 Nr. 7 Abs. 1 letzter Satz VOB/B. Dabei bestimmt sich die Höhe des Vergütungsanpassungsanspruchs wieder nach den Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistung, mithin der Urkalkulation. Faktisch ist jedoch die Abgrenzung zwischen ursprünglich Vereinbartem und Mengenmehrung / Bauentwurfsänderung / Zusatzleistung schwieriger, insbesondere, wurden die Leistungsinhalte nur funktional, also global beschrieben.

Das rechtliche Regelungskonzept hat sich dennoch insgesamt für alle Vertragstypen bewährt und wurde von der Rechtsprechung wiederholt als wirksam bestätigt, selbst wenn die VOB/B nicht als Ganzes einbezogen wurde (vgl. hierzu Teil 1 in der letzten Ausgabe). Hingegen wurden Abweichungen von diesem Nachtragsmanagement durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) durch die Rechtsprechung als unwirksam erachtet. Folgende Rechtsprechungsbeispiele sollen dies verdeutlichen:

Zu § 2 Nr. 2 VOB/B

Unwirksam ist eine Klausel, mit der es sich der Bauherr vorbehält, einzelne Teile der ausgeschriebenen Arbeiten zu ändern oder gänzlich zu streichen, während der Unternehmer hieraus keinen Entschädigungsanspruch ableiten kann, wenn sich aus diesem Umstand keine Änderung des Gesamtleistungsumfanges über 10% ergibt.

OLG Frankfurt 6. Zivilsenat, Datum: 7. Juni 1985, Az: 6 U 148/84, NJW-RR 1986, 245-247

Zu § 2 Nr. 3 VOB/B

Wirksam ist eine Formularklausel, wonach Einheitspreise für die Dauer der Bauzeit Festpreise sind und darüber hinaus auch dann ihre Gültigkeit behalten, wenn Massenänderungen im Sinne § 2 Nr. 3 VOB/B eintreten.

BGH 7. Zivilsenat, 8. Juli 1993, Az: VII ZR 79/92, NJW 1993, 2783-2739

Zu § 2 Nr. 4 VOB/B

Unwirksam ist eine Formularklausel, durch die der Auftraggeber berechtigt ist, einzelne Positionen des Angebots zurückzuziehen, zu streichen, in den Massenansätzen zu vermindern oder zu vermehren, ohne dass dem Auftragnehmer ein Ersatzanspruch wegen Minderleistungen zustehen soll, während im übrigen durch die Änderung von Angebotspositionen eine Preisänderung nicht eintritt.

OLG Düsseldorf  23. Zivilsenat, Datum: 16. Juli 1991, Az: 23 U 25/91, BauR 1992, 77 f. 

Zu § 2 Nr. 5, Nr.6 und 7 VOB/B

Unwirksam ist eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Auftraggebers, wonach - abweichend von § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B - geänderte oder zusätzliche Leistungen vor der Ausführung schriftlich vereinbart werden müssen.

OLG Düsseldorf 5. Zivilsenat, Datum: 6. November 1997, Az: 5 U 89/96, BauR 1998, 1023-1025

Unwirksam ist eine formularmäßige im Bauvertrag enthaltene Klausel, wonach mit den vereinbarten Festpreisen Nachforderungen jeglicher Art ausgeschlossen werden.

BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist die Klausel: Der Auftragnehmer ist verpflichtet, aufgrund von Prüfungen gemachte Auflagen zu beachten und zu erfüllen. Hieraus resultierende Terminsverschiebungen oder Mehrkosten gehen zu seinen Lasten.

BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist die Klausel, wonach sich der Bieter auf Unklarheiten in der Angebotsunterlagen oder Unklarheiten über Inhalt und Umfang der zu erbringenden Leistungen nach Angebotsabgabe nicht mehr berufen kann. .

BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist die Klausel: Auf Wünsche des Auftraggebers oder der zuständigen Behörde zurückzuführende Änderungen der statischen Berechnungen sind vom Auftragnehmer ohne Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung zu fertigen und dem Auftraggeber zur weiteren Veranlassung zu übergeben.

 BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist die Klausel: Ist der Auftraggeber mit dem Kostenangebot für eine Änderung entsprechend § 2 Nr. 5, 6 oder 7 VOB/B nicht einverstanden, so hat der Auftragnehmer die Änderungen der Leistungen gleichwohl auszuführen. In einem solchen Fall werden dem Auftragnehmer die nachgewiesenen Selbstkosten vergütet.

BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist die Klausel: Änderungen im Entwurf und in der Ausführungsart der beauftragten Leistungen bleiben vorbehalten. Die Massen und Beschriebe des Leistungsverzeichnisses sind für Materialbestellungen nicht verbindlich. Der Auftragnehmer hat die aufgrund von Änderungen am Entwurf und/oder an der Ausführungsart verursachten Änderungen an denen seinem Auftragsumfang zugrunde liegenden Ausführungsunterlagen durchzuführen. Ein Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung entsteht dadurch nicht.

BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist die Klausel: Mit der Abgabe des Angebotes übernimmt der Bieter die Gewähr dafür, dass das Angebot alles enthält, was zur Erstellung des Werkes gehört.

BGH 7. Zivilsenat, 5. Juni 1997, Az: VII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 1513-1514, BauR 1997, 1036-1038

Unwirksam ist eine Klausel, wonach ein über die Pauschalvergütung hinausgehender Vergütungsanspruch des Auftragnehmers für unzweifelhaft benötigte und ausgeführte Mehrmengen von der Wahrung der Schriftform abhängig gemacht wird. 

OLG Düsseldorf 12. Zivilsenat, Datum: 30. Januar 1997, Az: 12 U 28/96, BauR 1998, 874 ff.

Ein Nachschlagewerk zum Aufstellen und Prüfen von Vertragsbedingungen ist jüngst vom Autor dieses Beitrages gemeinsam mit Herrn Rechtsanwalt Michael Knipper (Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie) beim Vieweg Verlag erschienen unter dem Titel „Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Werkvertrag“, www.vieweg.de. In diesem Nachschlagewerk findet sich der Gliederung der VOB folgend eine umfangreiche Rechtsprechungssammlung zu den in Verhandlungsprotokollen und Vertragsformularen enthaltenen Vereinbarungen, den oft darüber hinaus angefügten zusätzlichen und besonderen Vertragsbedingungen und den VOB-Regelungen mit einem umfangreichen Sachwortverzeichnis zur schnellen Orientierung.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der tis Tiefbau Ingenieurbau Straßenbau
Mehr Informationen unter www.tis-online.info


Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
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