Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 9/18: Kündigung durch den Auftragnehmer

08.09.2005

Im neunten Teil der VOB-Reihe geht es um den Paragraphen 9 VOB/B. Dieser regelt die Kündigung durch den Auftragnehmer. Es ist kein Zufall, dass diese Vorschriften im Verhältnis zu den Regelungen der Kündigung durch den Auftraggeber in § 8 VOB/B (vgl. hierzu Teil 8) nicht einmal halb so lang sind. Auch der Sache nach hat ein Auftragnehmer bedeutend weniger Rechte zur vorzeitigen Beendigung eines VOB-Vertrages.

1. Anwendungsbereich

Keine Kündigung ohne Grund


Anders als ein Auftraggeber darf ein Auftragnehmer den Vertrag nicht ohne Grund kündigen. Ihm steht also kein freies Kündigungsrecht zu (vgl. hierzu Teil 8). Ein Auftragnehmer darf nur aus wichtigem Grund kündigen. Solche Gründe sind:
  • unterlassene Mitwirkung des Auftraggebers
  • sonstige wichtige Gründe
  • Unterbrechung länger als 3 Monate
  • Zahlungsverzug des Auftraggebers.
Zu diesen außerordentlichen Kündigungsgründen im Einzelnen:

a) Kündigung wegen unterlassener Mitwirkung des Auftraggebers

Folgende Mitwirkungspflichten des Auftraggebers i. S. v. § 9 Nr. 1 a) VOB/B, deren Verletzung den Auftragnehmer zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, sind für den VOB/B-Vertrag besonders relevant:– Anordnungen i. S. v. § 1 Nr. 3 und 4 VOB/B, die erforderlich sind, um die weiteren Leistungen erbringen zu können. Es kann sich auch um Anordnungen handeln, wie mit etwaigen Bedenkenanzeigen i. S.v. § 4 Nr.3 VOB/B umgegangen werden soll, oder um die kooperative Abstimmung von Maßnahmen beim Antreffen bestimmter Probleme, wie von Schadstoffen in Böden, Gewässern oder Bauteilen – DIN 18 299 Ziff. 3.3 – oder bei verändert angetroffenen Boden- oder Wasserverhältnissen - DIN 18 300 insbesondere ab Ziff. 3.2–3.7.

– Die Mitwirkung kann in der Vereinbarung von Vergütungsanpassungsansprüchen i. S. v. § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B bestehen (Kooperationspflichtverletzung: st. Rspr. seit BGH 7. Zivilsenat, 28. Oktober 1999,Az:VII ZR 393/98.) Denkbar sind die Verletzungen von
Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Zurverfügungstellung vollständiger und fehlerfreier Ausführungsunterlagen i. S. v. § 3 Nr. 1 VOB/B. Zu nennen ist die Pflicht zum Abstecken der Hauptachsen der baulichen Anlagen, § 3 Nr. 2 VOB/B, die Pflicht zur Zustandsfeststellung nach § 3 Nr. 4 VOB/B.

– Weiter finden sich relevante Mitwirkungspflichten in § 4 Nr. 1 VOB/B hinsichtlich der Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle und der Koordinierungspflicht bezüglich verschiedener Unternehmer, der Einholung von öffentlich- rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnissen nach § 4 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B, die Mitwirkung zur Anordnung, die zur vertragsgemäßen Ausführung der Leistungen notwendig ist i. S. v. § 4 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B.Außerdem ist die Pflicht zur unentgeltlichen Überlassung von Lager und Arbeitsplätzen und Anschlüssen nach § 4 Nr.4 VOB/B beachtlich.

– Relevant sind auch Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Bestimmung von Ausführungsfristen i. S. v. § 5 Nr. 2 Satz 1 hinsichtlich der Mitteilungsverpflichtung des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer, wann mit der Bauausführung zu beginnen ist.
b) Kündigung aus sonstigen wichtigen Gründen

– Auch können alle sonstigen wichtigen Gründe ein Kündigungsrecht zu Gunsten des Auftragnehmers begründen, wenn es dem Auftragnehmer nicht mehr zuzumuten ist,wegen grober Vertragswidrigkeiten des Auftraggebers oder sonstigen schwer wiegenden absoluten Vertrauensverlusten am Vertrag festzuhalten oder wenn dadurch die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist und deswegen dem Auftragnehmer nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, am Vertrag festzuhalten (BGH 7. Zivilsenat, 30. Juni 1983, Az.VII ZR 293/82). Solche Fälle können vorliegen, wenn ein Auftraggeber die Arbeitnehmer seines Auftragnehmers zur Schwarzarbeit im Direktgeschäft motiviert (OLG Köln 19. Zivilsenat, 18. September 1992, Az. 19 U 106/91), wenn ein Auftraggeber Abschlagszahlungen mit ungedeckten Schecks bezahlt oder wenn Auftragnehmer verleumderisch unberechtigterweise bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft wegen vermeintlicher Straftaten angezeigt werden (Vygen, in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Aufl., § 9 Nr. 1 Rdn.25). Auch eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung des Auftraggebers berechtigt den Auftragnehmer, seinerseits wegen Vertrauensverlustes aus wichtigem Grund zu kündigen (BGH 7. Zivilsenat, 14. November 1966, Az. VII ZR 112/64, oder BGH 8. Zivilsenat, 1. Dezember 1993, Az.VIII ZR 129/92, BGH 7. Zivilsenat, 22.Oktober 1981, Az.VII ZR 310/79). Diese Kündigungsmöglichkeiten wegen nachhaltiger Störung der Vertrauensverhältnisse finden sich zwar nicht wortwörtlich in der VOB/B. Sie sind aber verallgemeinert in §§ 242, 314 BGB normiert, wobei sich auf den Einzelfall bezogen weitere Sachverhalte ergeben können, die die Bewertung zulassen, dass es einem Auftragnehmer nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, am Vertrag festzuhalten.
c) Kündigung wegen Unterbrechung länger als 3 Monate

§ 6 Nr.7 VOB/B bringt noch eine spezielle Kündigungsmöglichkeit, die sowohl für den Auftragnehmer als auch für den Auftraggeber (vgl. Teil 8) bei einer Unterbrechung länger als 3 Monate gilt. Hier ist es nicht von Bedeutung, ob bzw. wer diese Unterbrechung zu verschulden hat.

d) Zahlungsverzug des Auftraggebers

Das eigentliche Interesse eines Auftragnehmers zur Erbringung von Leistungen ist – nach der Rechtslage – das Vergütungsinteresse. Daher besitzt die Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzuges des Auftraggebers eine besondere Bedeutung. Sie ist geregelt in § 9 Nr. 1 b) VOB/B. Vor dem Verzug muss der Werklohnanspruch fällig werden, also die Zahlungspflicht durchsetzbar entstehen (Vertiefend Diehr, Kein Ausschluss von kaufmännischen Fälligkeitszinsen durch die VOB/B, BauR 2004,S. 1040 ff.). Hinsichtlich der Fälligkeit der Zahlung ist zwischen Abschlagsrechnungen und Schlussrechnungen zu unterscheiden. Während Abschlagsrechnungen binnen 18 Werktagen nach deren Zugang beim Auftraggeber fällig werden, § 16 Nr. 1 VOB/B, werden Schlussrechnungen erst 2 Monate nach Zugang beim Auftraggeber fällig, § 16 Nr. 3 VOB/B. Zwischen Kaufleuten können sodann die gesetzlichen Fälligkeitszinsen in Höhe von 5% beansprucht werden, §§ 352 f. HGB (strittig: im Einzelnen m. w. N.: Diehr, Kein Ausschluss von kaufmännischen Fälligkeitszinsen durch die VOB/B, BauR 2004, S. 1040 ff.).
Um den Verzug zu begründen, muss gem. § 16 Nr.5 Abs. 3 VOB/B eine Nachfrist gesetzt werden. Erst nach Ablauf dieser Frist können dann Verzugszinsen in Höhe der in § 288 BGB angegebenen Zinssätze (als 5% über Basiszinssatz nach § 247 BGB bei Verbrauchern sonst 8% über Basiszinssatz nach § 247 BGB), wenn nicht ein höherer Verzugsschaden nachgewiesen wird, beansprucht werden. Außerdem kann nach § 16 Nr.5 Abs. 5 VOB/B die Leistungserbringung eingestellt werden. Vor allem aber kann nach § 9 Nr. 1 b) VOB/B der Vertrag vom Auftragnehmer gekündigt werden, hatte er dies mit der Nachfristsetzung bereits angedroht, vgl. § 9 Nr.2 S. 2 VOB/B.
2. Form der Kündigung

Jede Kündigung im Rahmen des VOB/B-Vertrages bedarf der Schriftform. Dies gilt für alle oben beschriebenen Kündigungsmöglichkeiten,
namentlich für die Kündigung wegen
  • 3-monatiger Unterbrechung, in § 6 Nr.7 Satz 1 VOB/B ausdrücklich geregelt, wie auch für die Kündigungsmöglichkeiten des Auftragnehmers wegen
  • unterlassener Mitwirkung und wegen
  • Zahlungsverzuges, ausdrücklich geregelt in § 9 Nr. 2 VOB/B. Auch wegen Kündigung aus
  • sonstigen wichtigen Gründen
sollte die Schriftform eingehalten werden, selbst wenn dies nicht ausdrücklich in der VOB/B oder im Gesetz vorgeschrieben wird. Bedarf es für eine Kündigung nach § 6 Nr. 7 VOB/B und für eine Kündigung nach § 314 BGB wegen Störung des Vertrauensverhältnisses keiner vorherigen Abmahnung mit Androhung dieses Schrittes, ist zwingende Voraussetzung für die Kündigungen nach § 9 VOB/B wegen
  • unterlassener Mitwirkung und wegen
  • Zahlungsverzuges,
dass der Auftragnehmer zuerst dem Auftraggeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und erklärt hat, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde. Es muss also ausdrücklich die Kündigung angedroht werden, damit die spätere schriftliche Erklärung überhaupt formwirksam wird. Insofern ist auch zu beachten, dass nach § 16 Nr.5 Abs. 5 VOB/B bei fruchtloser Nachfristsetzung zwar die Arbeiten eingestellt werden können, damit aber noch nicht die Kündigungsmöglichkeit gegeben ist, wurde im Rahmen der Nachfristsetzung nicht bereits die Kündigung ausdrücklich angedroht.
3. Abrechnung des vorzeitig gescheiterten Vertrages

Hinsichtlich der Abrechnung des vorzeitig gescheiterten Vertrages gilt nichts anderes, als nach einer Kündigung durch den Auftraggeber (vgl.Teil 8).

a) Vergütungsanspruch

§ 9 Nr. 3 VOB/B weist wenigstens darauf hin, dass die bisherigen Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen sind.Anders als bei einer freien Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B können damit aber die nicht erbrachten Leistungen nicht abgerechnet werden.

b) Vergütungsähnlicher Anspruch

Sodann weist § 9 Nr. 3 Satz 2 lediglich darauf hin, dass ein Auftragnehmer Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 642 BGB hat. § 642 Abs. 2 BGB bestimmt dabei, dass sich die Höhe der Entschädigung bemisst
  • einerseits nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung,
  • andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzuges an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.
Mit Blick auf diese Formulierung, dass sich die Entschädigung maßgeblich anhand der vereinbarten Vergütung regelt und im Übrigen inhaltlich die Abrechnungsmodalität des § 649 BGB (§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B) wiederholt, wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur von einem Quasi-Vergütungsanspruch gesprochen. Der Entschädigungsanspruch des Aufragnehmers erfasst solche Nachteile, die ihm durch den Verzug des Auftraggebers während der ursprünglich geplanten Vertragsdauer entstanden sind, wie etwa Vorhaltung von Geräten, Verdienstausfall (OLG München, 14. Februar 1978, Az. 9 U 2388/77). Insgesamt können die für die freie Kündigung des Bauvertrages durch den Auftraggeber nach § 8 Nr. 1 VOB/B/§ 649 BGB entwickelten Grundsätze des BGH zur Anwendung kommen (vgl. hierzu Kniffka, Jahrbuch BauR 2000, S. 1 ff.). Es handelt sich bei dem Entschädigungsanspruch um einen vergütungsähnlichen Anspruch, weil maßgeblich auf die vereinbarte Vergütung und auf ersparte Aufwendungen abzustellen ist. Dies lehnt sich an § 649 Satz 2 BGB an (so auch Vygen/Schubert/Lang, Bauverzögerung und Leistungsänderung, 4.Aufl.,Rdn.322). Die Berechnung muss also anhand der Vertragspreise und damit der Kalkulationsgrundlagen geschehen (genauso Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band I, 4. Aufl., Rdn. 1649, OLG Celle 14a. Zivilsenat, 24.Februar 1999, Az. 14a (6) U 4/98 und Staudinger/Peters, BGB, § 642 Rdn.24).
Die Berechnung kann also losgelöst von den tatsächlichen Kosten geschehen. Sie berechnet sich nach der fortgeschriebenen Kalkulation für zusätzlich entstehende zeitabhängige Kosten, also z. B. zusätzliche Mietkosten für Geräte, Container usw., zusätzliche Kosten für die längere Vorhaltung der Baustelleneinrichtung und des Bauleitungspersonals auf der Grundlage der Auftragskalkulation und unter Berücksichtigung der kalkulatorisch ersparten Kosten. Der Entschädigungsanspruch beschränkt sich dabei nicht auf verzugsbedingte Zusatzaufwendungen. Vielmehr sind alle Bestandteile der Vergütung einzurechnen, so weit sie nicht infolge der Kündigung erspart werden, also auch Baustellengemeinkosten, allgemeine Geschäftskosten und auch Wagnis und Gewinn, so weit sie Inhalt der Kalkulation waren (genauso Vygen, in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Aufl., § 9 Nr. 3 Rdn.11–13 m.w. N.). In der Konsequenz der Einordnung als vergütungsähnlicher Anspruch unterliegt der Entschädigungsanspruch der Mehrwertsteuer (OLG Koblenz 5. Zivilsenat, 20. September 2001, Az. 5 U 1453/00). Auch wenn vertreten wird, dass die Anforderungen für die Bezifferung des Entschädigungsanspruches geringer ausfallen als für eine normale Schlussrechnung, trägt der Auftragnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast für die Höhe, sodass er sich bei der Abrechnung an dem Modus der Schlussrechnungslegung orientieren sollte. Nur so würde ein Gericht auch in die Lage versetzt, einen Anspruch bei etwaig verbliebenen Zweifeln nach § 287 ZPO zu schätzen. Maßstab für die Abrechnung bleibt demnach zumindest das subjektive Informations- und Kontrollinteresse des Auftraggebers genauso wie bei der Schlussrechnung.
Auch wenn die Abrechnung schwierig ist, muss man sich beeilen, weil für § 642 BGB nach neuem Recht die 3-Jahres-Frist nach § 195 BGB hinsichtlich der Verjährung gilt, die mit dem Schluss des Jahres, in dem die Kündigung wirksam wurde und in dem die Fälligkeit der dem Auftraggeber vorgelegten prüfbaren Schlussrechnung eingetreten ist, abläuft, § 199 BGB.
c) Schadensersatzansprüche

Sodann besagt § 9 Nr. 3 letzter Halbsatz VOB/B noch, dass etwaige weitergehende Ansprüche des Auftragnehmers unberührt bleiben. Es ist bei einem eigentlich als ausgewogen bezeichneten Regelwerk nicht nachzuvollziehen, warum hier nicht deutlich die Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber angesprochen werden, wo doch § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B sage und schreibe den Begriff Ersatz des Schadens und Schadensersatz gleich zweimal benennt und auch sonst ausführlich die möglichen Belastungen des Auftragnehmers dargelegt werden.

d) Sonstige Rechte

Für die nicht im Einzelnen angesprochenen weitergehenden Ansprüche des Auftragnehmers gem. § 9 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 VOB/B gilt, dass damit lediglich klargestellt wird, dass § 9 Nr.3 VOB/B keine abschließende Regelung sein soll und also andere gesetzliche Vorschriften nicht ausschließt. Zu benennen sind insofern der Anspruch auf Erstattung von Mehraufwendungen gem. § 304 BGB, Schadensersatz wegen Schuldnerverzug des Auftraggebers nach den §§ 241, 280, 281, 288 BGB und wegen sonstiger positiver Vertragsverletzung nach §§ 241, 280 BGB. Denkbar sind noch andere vertragliche Ansprüche wie z. B. Schadensausgleichspflichten oder Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB, Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff.BGB, etwa wenn zur Zeit der Vertragskündigung durch den bisherigen Bauvertrag nicht gedeckte Leistungen erbracht worden sind und hierfür noch keine Preisvereinbarungen, etwa nach § 2 Nr.3 oder Nr.5 und 6 VOB/B getroffen wurden. Für die Bestimmung der Höhe solcher Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag wird man aber auf den Modus der einschlägigen VOB-Vorschriften abstellen können, wobei die Parteien hier eine nachvertragliche Kooperationspflicht haben, die der vertraglichen Kooperationspflicht
entspricht. Schließlich könnte § 326 Abs. 2 BGB einschlägig sein, wonach in Auftragnehmer seinen Anspruch auf Gegenleistung, also die vereinbarte Vergütung, behält, wenn der Gläubiger/Auftraggeber für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, wie dies regelmäßig bei einer Kündigung nach § 9 Nr.1 a VOB/B der Fall sein dürfte. Auch in diesem Rahmen müsse sich ein Auftragnehmer jedoch anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, wie dies entsprechend § 8 Nr. 1 VOB/B bzw. § 649 BGB vorsieht.
4. Modalitäten der Abrechnung

a) Bedeutung des Aufmaßes / der Leistungsabgrenzung

Damit der Auftragnehmer die bisher erbrachten Leistungen abrechnen kann, muss er die Leistungsabgrenzung feststellen. Auch wenn das § 9 VOB/B nicht sagt, gilt, dass der Auftragnehmer entsprechend § 8 Nr.6 VOB/B Aufmaß und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach der Kündigung verlangen kann. Er kann sich hierbei direkt auf § 14 Nr.2 VOB/B berufen und somit die gemeinsame Feststellung des Leistungsstandes begehren, die für seine Abrechnung notwendig ist. Setzt der Auftragnehmer den Auftraggeber zur gemeinsamen Aufmaßnahme durch Fristsetzung in Verzug, kann er sodann das Aufmaß alleine durchführen, dies entweder vor Ort oder anhand der Ausführungspläne gem. DIN 18 299 Ziff. 5. Er entspricht damit seiner Darlegungslast, währenddessen nunmehr der Auftraggeber den Beweis führen müsste, dass die Inhalte dieser Abrechnung nicht zutreffen (Beweislastumkehr, BGH 7. Zivilsenat, 22. Mai 2003, Az.VII ZR 143/02).

Würde ein Auftragnehmer nicht unter Fristsetzung zum gemeinsamen Aufmaß auffordern und ohne weiteres sein eigenes zur Grundlage der Abrechnung machen, müsste er später beweisen, dass die Inhalte richtig sind und dürfte regelmäßig in Beweisnot kommen, werden die Leistungen von dritter Stelle nach der Kündigung fortgesetzt (Beweisvereitelung zu Lasten des Auftragnehmers).
b) Abrechnung unterschiedlicher Vertragstypen (Einheits-, Detailpauschal-, Funktionalpauschal-Preisverträge)

Das Aufmaß ist nun Grundlage für die Abrechnung jedweden Vertragstyps, namentlich des Einheitspreisvertrages wie auch des Pauschalpreisvertrages. Währenddessen die Abrechnung des Einheitspreisvertrages hinsichtlich der erbrachten Leistungen wieder (vgl. Teil 8) keine Besonderheiten mit sich bringt, muss nunmehr für die Abrechnung des Pauschalpreisvertrages erst dargestellt werden, was für die ursprünglich vereinbarte Pauschale insgesamt überhaupt erbracht werden sollte (vgl.Teil 8). Handelt es sich um einen Detailpauschalpreisvertrag, liegt also der Pauschalierungsabrede ein Leistungsverzeichnis zu Grunde, fällt dies verhältnismäßig leicht, weil das
Leistungsverzeichnis zur Bestimmung der Gesamtleistung herangezogen werden kann. Handelt es sich hingegen um einen Funktional- bzw. Globalpauschalpreisvertrag, gibt es also nur eine allgemeine Leistungsbeschreibung, ein Leistungsprogramm, muss sich der Auftragnehmer nun erst einmal die Arbeit machen und aus dem Leistungsprogramm ein Leistungsverzeichnis entwickeln, um so plausibel darzulegen, was er im Einzelnen zur Erfüllung des Leistungsprogramms erbracht hätte. Erst jetzt kann er diesem Leistungsverzeichnis die tatsächlich erbrachten Leistungen zuordnen und somit das Verhältnis der Gesamtleistung zum Verhältnis der tatsächlich erbrachten Leistungen darstellen und die anteilige Vergütung ermitteln (vgl. Teil 8 und z. B. BGH 7. Zivilsenat, 4. Juli 1996, Az.VII ZR 227/93). Teilweise wird vertreten, dass im Übrigen für die Abrechnung die Modalitäten des § 6 Nr.5 VOB/B entsprechend herangezogen werden können. Bei genauer Betrachtung gibt es für solch eine Vertragsanalogie wohl kein Bedürfnis. § 9 Nr. 3 VOB/B verweist gerade nicht auf § 6 Nr. 5 VOB/B, sondern auf § 642 BGB, sodass man sich hieran zu orientieren hat (andere Auffassung Vygen, in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15.Aufl., § 9 Nr.3 Rdn. 3).
c) Schadensminimierungspflicht

Dabei ergibt sich aus der gesetzlichen Vorschrift der Schadensminimierung nach § 254 Abs.2 BGB und im Übrigen aus § 642 Abs. 2 BGB zur Bestimmung der angemessenen Entschädigung anhand der vereinbarten Vergütung und der tatsächlichen Aufwendungen, dass auch solche Aufwendungen bei der Vergütungsbestimmung zu berücksichtigen sind,die über den Zeitpunkt der Kündigung hinaus aus Sicherheitsgründen ausgeführt wurden, um in technischer Hinsicht einen erforderlichen Abschluss zu erreichen. So können Betonierarbeiten noch zu Ende geführt, angelieferte Bauteile noch eingebaut, angefallene Transporte oder Löhne für bevorstehende Arbeiten aufgewendet und abgerechnet werden. Auch Kündigungsfolgekosten für bereits beauftragte Subunternehmerleistungen können abgerechnet werden, wenn diese Subunternehmer etwa nach § 8 Nr. 1 VOB/B/§ 649 BGB infolge der Kündigung im Verhältnis zum Auftraggeber ebenso gekündigt werden müssen (gleiches Ergebnis Vygen, in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Aufl., § 9 Nr.3 Rdn. 3). Angelieferte Baumaterialien bzw. zwar noch nicht angelieferte, aber bereits hergestellte Bauteile fallen nach richtiger Auffassung unter die bereits erbrachten Leistungen und können also ohne weiteres nach § 9 Nr. 3 VOB/B in die Abrechnung eingestellt werden.
5. Mängelansprüche/Gewährleistung

Auch nach der Kündigung bleibt der Auftragnehmer hinsichtlich der von ihm bereits erbrachten Leistungen in der Pflicht. Für diese Leistungsteile kann der Auftraggeber also ohne weiteres nach § 13 Nr. 5 VOB/B Mängelbeseitigung verlangen und seine hieraus folgenden Rechte geltend machen. Daher sind von der Schlussrechnung auch die möglicherweise vereinbarten Sicherheitseinbehalte vorzunehmen. Die Mängelbeseitigung kann vom Auftraggeber naturgemäß nur verlangt werden, befand er sich bezüglich der fraglichen Leistungen nicht vorher bereits im Annahmeverzug und war dies nicht der Grund für die Kündigung (BGH 7. Zivilsenat, 4. April 2002, Az.VII ZR 252/01). Die Gewährleistungsfrist beginnt gem. BGH 7. Zivilsenat, 19. Dezember 2002, Az.VII ZR 103/00 mit der Abnahme der Leistungen, sodass hier nichts anderes gilt als bei einer normalen Vertragsbeendigung. Weil der Auftragnehmer nach der  Kündigung einen Anspruch auf Abnahme hat, diese also unter Fristsetzung auch verlangen kann, ist es der Abnahme gleichzusetzen, kommt der Auftraggeber mit dieser in Verzug oder verweigert er diese ohne hierzu berechtigt zu sein. Eine fiktive Abnahme nach § 12 Nr.5 VOB/B kommt freilich infolge der Kündigung des Auftragnehmers nicht in Betracht (so auch BGH 7. Zivilsenat, 19. Dezember 2002, Az. VII ZR 103/00). Letztendlich zum gleichen Ergebnis führt jedoch der Verzug mit der Abnahme nach § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB. Im Unterschied zu § 12 Nr. 5 VOB/B gilt also z. B. keine 12-Werktages-Frist automatisch. Vielmehr muss eine angemessene Frist (12 Werktage dürften angemessen sein) ausdrücklich gesetzt werden.
6. Abweichende AGB

Die Berechnungsmöglichkeiten nach § 9 Nr. 3 VOB/B ausschließende oder einschränkende Auftraggeber-AGB sind an §§ 305 ff. BGB zu messen (zum AGB-G entsprechend BGH 7. Zivilsenat, 4. Oktober 1984, Az.VII ZR 65/83). Unzulässig ist demnach eine Klausel in AGB des Auftraggebers, die Schadensersatz oder Entschädigung nach einer Kündigung gemäß § 9 VOB/B ausschließen sollen (BGH 7. Zivilsenat, 28. September 1989, Az.VII ZR 167/88).

Einen Überblick kann man sich in dem Nachschlagwerk Diehr/Knipper, Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Vertrag, Vieweg 2003,verschaffen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der tis Tiefbau Ingenieurbau Straßenbau
Mehr Informationen unter www.tis-online.info


Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
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