Entwicklung und Implementierung einer Abflusssteuerung für das Kanalnetz der Stadt Wien

11.12.2007

Die Stadt Wien hat nach umfassenden Untersuchungen zur Aktivierung von Speicherräumen im Kanalnetz beschlossen, ein Echtzeitsteuerungssystem für das Wiener Kanalnetz zu entwickeln und zu implementieren. Diese Entwicklung und Implementierung erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren und wurde Ende 2005 abgeschlossen.

Das aufgestellte Messnetz dient zur Kalibrierung des Niederschlag- Abfluss-Modells sowie zur Erfassung der aktuellen Wasserstände und Durchflüsse im Rahmen der Steuerung. Es umfasst 25 Niederschlags-, 40 Durchfluss- und 20 Wasserstandsmessgeräte. Das gesamte Wiener Kanalnetz mit ca. 53 000 Haltungen wurde zur Entwicklung der Steuerungsstrategien und für die Online-Simulation auf ein Grobnetz mit ca. 2 200 Haltungen reduziert, zur Ermittlung der abflusswirksamen Flächen wurden Infrarot-Luftbilder verwendet. Basierend auf umfangreichen Simulationsrechungen, wurde eine Regelbasis entwickelt, in dem Programmpaket ITWH-Control abgebildet und im simulierten Steuerungsmodus weiter verfeinert. Im jetzigen Echtzeit-Betrieb kommt zusätzlich ein Vorhersagemodell zum Einsatz. Dabei werden, basierend auf Radar-Niederschlagsdaten, die zukünftigen Niederschläge vorhergesagt, mit denen wiederum mittels eines Online-Simulationsmodells die zu erwartenden Abflüsse und Wasserstände berechnet werden. Die Ergebnisse zeigen eine Reduzierung der Entlastungsmengen um mehr als 30 Prozent. Während des Betriebs wurden umfangreiche Erfahrungen gesammelt, die in eine Verbesserung des Gesamtsystems einfließen.
Einführung
Zielsetzung der Abflusssteuerung
Das historisch gewachsene Kanalnetz der Stadt Wien wird seit einigen Jahren erweitert, um die Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Mischwasserentlastungen zu erfüllen. Dieser Ausbau ist noch nicht abgeschlossen, sondern wird noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Dieses Konzept umfasst im Wesentlichen den Bau großer Stauraumkanäle entlang der Donau, dem Donaukanal, dem Wienfluss und der Liesing, um bei Regenwetter die Entlastungen aus den Mischwasserüberläufen aufzunehmen. Der Betrieb der Stauraumkanäle erfordert eine zentrale Abflusssteuerung (Sewer Management System – SeMaSys), um folgende Hauptziele zu erreichen:
  • Minimierung der Mischwasseruberlaufe in die Donau, den Donaukanal, den Wienfluss und die Liesing,
  • Vergleichmasigung der Zulauffrachten zur Hauptklaranlage,
  • Verbesserungen des Kanalnetzbetriebs durch Uberwachung der Abflussvorgange und Reduzierung der Ablagerungen durch automatische Spülung. 
Das Kanalnetz der Stadt Wien
Das Kanalnetz der Stadt Wien hat eine gesamte Länge von ca. 2 200 km bei einer gesamten Fläche der Stadt von ca. 260 km2 und einem mittleren Versiegelungsgrad von knapp 50 Prozent. Die angeschlossene Einwohnerzahl liegt bei ca. 1,8 Millionen In Abbildung 1 sind die fünf Haupteinzugsgebiete mit ihren Hauptsammlern dargestellt. Das durch eine Abflusssteuerung maximal aktivierbare Speichervolumen in den verschiedenen Haupteinzugsgebieten ist in Tabelle 1 zusammengestellt. Damit ergibt sich ein spezifisches Speichervolumen von 72 m³/ha für das gesamte Wiener Einzugsgebiet. Unter Berücksichtigung eines Abschlags von 50 Prozent für Stauraumkanäle verbleibt immer noch ein spezifisches Speichervolumen von 36 m³/ha, das dem Stand der Technik für derartige Gewässer entspricht.
Die Leistungsfähigkeit der Kläranlage liegt bei 18,0 m³/s. Dies bietet einen großen Spielraum, um unter Berücksichtigung der Netzstruktur bei ungleichmäßiger Überregnung des Einzugsgebietes eine variable Abnahme der Abflüsse aus den verschiedenen Haupteinzugsgebieten zu gewährleisten.
Einzugsgebiet Speichervolumen [m3] Versiegelte Fläche [ha] Spezifisches Speichervolumen [m3/ha] Anzahl der Steuerungspunkte
Phase
1 2 3
LDS 126 000 1 590 79,2 4 4 4
RHSK 300 000 2 820 106,4   3 7
LHSK 11 000 650 16,9   1 1
WSK 143 000 2 520 56,7   11 22
Total 628 000 8 720 72,0 4 19 43
Tabelle 1: Maximal aktivierbarer Speicherraum in den Haupteinzugsgebieten
Zur Aktivierung des Speichervolumens werden folgende Steuerelemente herangezogen:
  • Schieber und verfahrbare Wehre,
  • Pumpen

unter Berücksichtigung von
  • Wasserstanden und/oder Abflussen im Kanalnetz,
  • Entlastungsmengen und -scheitelabflussen in die Gewasser,
  • Einstau- und Uberstauverhaltnissen im Kanalnetz.
Genereller Aufbau des Steuerungssystems
Das Abflusssteuerungssystem für das Kanalnetz der Stadt Wien besteht aus folgenden Hauptkomponenten:
  • lokalen Steuerungseinrichtungen zur Einstellung der gewunschten Durchflusse und/oder Wasserstande,
  • Messsystem zur Erfassung der Wasserstande, Durchflusse und Punktniederschlage sowie Radar-Niederschlagsdaten die von Austro Control bezogen werden,
  • Leitsystem zur Sammlung und Speicherung der Messwerte, Ubertragung der Soll-Werte, Darstellung von Messwerten und Systemzustanden etc.,
  • zentrales Steuerungssystem zur Ermittlung der Soll-Werte, basierend auf gemessenen und prognostizierten Messwerten einschlieslich Online-Niederschlags- und -Abflussvorhersage.
Eine generelle Übersicht über den Datenfluss und den Ablauf der Online-Simulationen ist in Abbildung 2 dargestellt. Das zentrale Steuerungssystem erhält als Eingangsdaten neben den aktuellen Ist-Werten der Steuerorgane die verschiedenen Punktniederschläge, Wasserstände und Abflüsse. Damit wird das Simulationsmodell kalibriert. Basierend auf den Radar- Niederschlagsdaten erfolgt zuerst eine Vorhersage der zeitlichen und örtlichen Niederschlagsverteilung. Diese Niederschlagsverteilung wird als Eingangswert für das Simulationsmodell verwendet, das dann die zu erwartenden Abflüsse im Kanalnetz berechnet. Diese gemessenen und prognostizierten Abflüsse und Wasserstände dienen als Eingangsgröße für die Auswertung der Regelbasis, die die neuen Soll-Werte für die Steuerorgane ermittelt. Diese Steuerentscheidungen werden alle fünf Minuten neu ermittelt.
Messsystem
Niederschlagsmessungen:
Insgesamt sind mehr als 25 Punktmessgeräte innerhalb des Einzugsgebietes installiert. Ein Großteil der Niederschlagsmessgeräte ist bereits über Telefon oder Glasfaserkabel an das Leitsystem angeschlossen. Dort werden die Daten auf Plausibilität geprüft und über den Gatway-Rechner an den Steuerungsrechner übertragen. Das Zeitintervall für die Messungen beträgt eine Minute. Zusätzlich werden Radar-Niederschlagsdaten für die Niederschlags-/Abfluss-Vorhersage verwendet, die per Internet von Austro Control bezogen werden.
Messungen im Kanalnetz:
An den Steuerungspunkten sowie an weiteren kritischen Stellen im Kanalnetz sind Wasserstands- und Durchflussmessgeräte installiert. An den Überläufen sind nur Wasserstandsmessgeräte eingebaut. Insgesamt sind derzeit 40 Durchflussmessgeräte und 20 Wasserstandsmessgeräte an 25 Punkten im Kanalnetz installiert. Die Messwerte werden über Telefonleitungen bzw. Glasfaserkabel zum Leitsystem übertragen.
Messungen im Gewässer:
Wasserstände werden an maßgebenden Stellen im Gewässer gemessen.
Leitsystem
Im Leitsystem werden sämtliche Informationen zusammengeführt, in einer Datenbank gespeichert und maßgebende Informationen visualisiert. Die Verbindung zwischen Leitsystem und Steuerungssystem ist über ein Gateway realisiert. Vom Leitsystem aus ist auch eine manuelle Ansteuerung der Steuerungseinrichtungen möglich. Abbildung 3 zeigt den Hauptbildschirm für das Leitsystem, von dem aus in weitere Ansichten verzweigt werden kann.
Niederschlag-Abfluss-Modell
Das Wiener Kanalnetz umfasst insgesamt ca. 55 000 Haltungen. Zur Reduzierung der Rechenzeit insbesondere für die Entwicklung der Steuerungsregeln und für die Online-Simulation wurde ein Grobnetz, bestehend aus ca. 2 500 Haltungen entwickelt (Abbildung 4). Die abflusswirksamen Flächen wurden aus Infrarot- Luftbildern digitalisiert. Das Hystem-Extran-Modell des Feinnetzes wie auch des Grobnetzes wurde anhand von Niederschlag- Abfluss-Messungen kalibriert.
Das regelbasierte Steuerungssystem ITWH-Control
Die Steuerentscheidungen, das heißt die Festlegung neuer Stellgrößen für die Steuerungseinrichtungen, erfolgen in ITWHControl. ITWH-Control dient dabei sowohl als Werkzeug für die Entwicklung der Regelbasis im Offline-Modus wie auch für den Betrieb der Steuerungseinrichtungen im Online-Modus. Das Herzstück von ITWH-Control ist ein Regel-Interpreter.
Der Regel-Interpreter fällt Steuerentscheidungen, das heißt die Festlegung neuer Stellgrößen basierend auf Regeln (Wenn- Dann Beziehungen), die mit Hilfe der Fuzzy-Logik ausgewertet werden. Eingangsgrößen in die Regeln sind neben weiteren Parametern insbesondere Wasserstände, Durchflüsse etc., die entweder im Offline-Modus mit Hystem-Extran berechnet oder im Online-Modus im Kanalnetz gemessen werden. Im Offline- Modus werden die neuen Stellgrößen an das Simulationsmodell zurückgegeben und für die weitere Simulation verwendet. Im Online-Modus werden sie an das Leitsystem übergeben und dann die Steuerungseinrichtungen entsprechend eingestellt. Sämtliche Steuerungsentscheidungen, die angewandten Regeln sowie die für die Entscheidung herangezogenen Eingangsgrößen wie Wasserstände, Durchflüsse etc. werden protokolliert und können für eine spätere Visualisierung und manuelle oder automatische Verbesserung der Regelbasis herangezogen werden.
Niederschlags- und Abflussvorhersage
Für die Niederschlagsvorhersage werden Radar-Niederschlagsdaten verwendet, die von Austro Control per Internet bezogen werden. Als Vorhersagemodell wird das Tracking-Verfahren verwendet, das auf der Bewegung einzelner Regenzellen aufbaut. Durch die Identifizierung einzelner Regenzellen in aufeinander folgenden Radarbildern werden deren Zugrichtung und -geschwindigkeit ermittelt und daraus die zukünftige örtliche Niederschlagsverteilung ermittelt.
Die derart ermittelten Niederschlagsdaten werden als Eingangsgrößen für das online rechnende Simulationsmodell Hystem- Extran verwendet, das daraus die Wasserstände und Abflüsse im Kanalnetz ermittelt. Diese prognostizierten Abflüsse bzw. Wasserstände dienen neben den aktuellen Messwerten als Eingangsgrößen für den Regel-Interpreter. Diese Berechnungen werden bei Regenwetter alle 10 Minuten aktualisiert und umfassen einen Prognosehorizont von zwei Stunden.
Ergebnisse der simulierten Steuerung
Die Implementierung der Abflusssteuerung im Wiener Kanalnetz vollzieht sich in drei Phasen. Die erste Phase umfasst das Einzugsgebiet links der Donau und wurde 2005 in Betrieb genommen. Die dafür berechneten Ergebnisse für diesen Teil des Kanalnetzes sind in den Abbildungen 5 und 6 dargestellt. Für ein Jahr mit mittleren Niederschlagsverhältnissen beträgt demnach die Reduzierung des Entlastungsvolumens für ein mittleres Jahr für den Bereich LDS ca. drei Millionen Kubikmeter oder mehr als 30 Prozent.
Aus den Abbildungen ist ersichtlich, dass bei kleinen Ereignissen eine Entlastung vollständig verhindert werden kann. Die Reduzierung der Entlastungsmengen ist für große Ereignisse geringer als für kleine Ereignisse. Unter der Annahme, dass dieser Teil des Kanalnetzes unabhängig ist und für sich bewertet werden müsste, ergibt sich, dass die Anforderungen an die Mischwasserentlastungen entsprechend den örtlichen Vorgaben erfüllt werden.
In Abbildung 7 sind die Entlastungsmengen und -frachten für ein Ereignis mit extremen Niederschlägen dargestellt, bei dem fast die gesamten Kanalquerschnitte für die Ableitung der Abflüsse benötigt werden. Sogar bei diesem Ereignis ergibt sich eine, wenn auch geringe, Reduzierung der Entlastungsmengen um 2,4 Prozent. Die Reduzierung der Entlastungsfrachten ist mehr als doppelt so groß und liegt bei 6,2 Prozent. Der Grund dafür liegt in der Ausgestaltung der Regelbasis: Bei beginnendem Niederschlag wird der mögliche Schmutzstoß aus der Innenstadt nicht abgeschlagen, sondern im Kanalnetz gehalten und zur Kläranlage gepumpt.
Erfahrungen aus der Planung und Implementierung
Messungen
Der erforderliche Zeitbedarf für den Aufbau eines Messnetzes mit derart unterschiedlichen Anforderungen, einerseits für die Modellkalibrierung, andererseits für die Abflusssteuerung, sollte nicht unterschätzt werden. Der Vorteil einer Trennung beider Aufgabenstellungen liegt darin, dass die Daten frühzeitig zur Verfügung stehen und auf eine zentrale Datenerfassung vorerst verzichtet werden kann. Bei der Kombination beider Zielstellungen kann das gesamte System von der Datenerfassung bis hin zur Datenübertragung und zentralen Verarbeitung im Detail getestet werden, bevor das Abflusssteuerungssystem implementiert ist. Das setzt jedoch voraus, dass alle notwendigen Informationen für die Installation des Messsystems frühzeitig zur Verfügung stehen, was insbesondere für den optimalen Standort der Messgeräte nicht immer gegeben ist. Auch die unterschiedlichen Zielrichtungen machen es in der Regel erforderlich, einzelne Messgeräte umzusetzen. Auf jeden Fall sollte gleich zu Beginn ein Algorithmus entwickelt, implementiert und getestet werden, mit dem die Güte der Messungen überprüft werden kann und der fehlerhafte Messungen von einer weiteren Verarbeitung ausschließt. Dass die Messgeräte trotzdem in regelmäßigen Abständen, zu Beginn sicher im ein- bis zweiwöchentlichen Rhythmus, kontrolliert werden müssen, ist selbstverständlich. Die hier gewonnenen Erfahrungen zeigen, dass trotzdem mit einer Ausfallquote von 10 Prozent zu rechnen ist.
Niederschlag-Abfluss-Berechnungen
Zu Beginn des Projekts lagen lediglich ungeprüfte Kanalnetzdaten in einer Datenbank und keine direkt verwertbaren Angaben zur Oberflächennutzung vor. Die Prüfung der Kanalnetzdaten, die Ermittlung der abflusswirksamen Flächen aus Luftbildern und die Kalibrierung des Modells anhand von Messungen, das heißt die Modellaufstellung, sollte von dem eigentlichen Projekt, der Entwicklung und Implementierung einer Abflusssteuerung getrennt werden. Die notwendigen Simulationsrechnungen wurden an zwei verschiedenen Kanalnetzen, genauer gesagt Modellen, durchgeführt. Detaillierte Berechnungen des Kanalnetzes, das heißt zum Beispiel Rückstaueinflüsse durch Steuerungseingriffe etc., wurden am detaillierten System mit dem hydrodynamischen Modell Hystem- Extran durchgeführt, das sämtliche Haltungen umfasst. Hierdurch ist gewährleistet, dass für sämtliche Elemente des Kanalnetzes Aussagen über die Beeinflussung durch die Abflusssteuerung insbesondere höherer Wasserstände vorliegen. Ein vereinfachtes Kanalnetz, ein sogenanntes Grobnetz, wurde für die Entwicklung der Steuerungsstrategie wie auch für die Online-Simulation entwickelt. Das Grobnetz zeigt in seinem Verhalten vergleichbare Ergebnisse wie das Feinnetz. Auch diese Berechungen wurden mit Hystem-Extran in Verbindung mit ITWH-Control durchgeführt.
Planung und Bau der Steuerungseinrichtungen
Die Zeit von der Entscheidung über den Bau einer Steuerungseinrichtung, aber auch anderer Bauten, bis zu deren Inbetriebnahme wird in der Regel unterschätzt. Dies gilt auch für dieses Projekt. Verzögerungen ergaben sich durch Verschiebung der Bauzeiten in den Winter, Kombination der Baumaßnahme mit anderen Baumaßnahmen und andere mehr. Hinzu kamen Änderungen an den Steuerungseinrichtungen, die sich aus der Steuerungsstrategie ergaben, wie zum Beispiel die Öffnungsgeschwindigkeit von Schiebern oder die minimale Regelgröße. Neben Verzögerungen beim Aufbau und der Inbetriebnahme des Messsystems und der Modellaufstellung war dies der wesentliche Faktor für eine signifikante Abweichung zwischen dem ursprünglichen und dem sich letztlich ergebenden Zeitplan.
Datenübertragung
Alle Steuerungseinrichtungen sind per Glasfaserkabel an die zentrale Leitwarte angeschlossen. Dieses Glasfasernetzwerk sollte ebenfalls für die schnelle und sichere Übertragung der Messwerte genutzt werden. Der Ausbau des Netzwerkes verzögerte sich jedoch, so dass entscheidende Messwerte per Modem zur Leitwarte übertragen werden mussten. Dies hat immer wieder zu Problemen geführt, da die Leitwarte maßgebliche Daten im Minutenzyklus erwartet, diese jedoch oftmals nicht zeitgerecht übertragen werden konnten.
Die einkommenden Messwerte werden nach einer Prüfung in einer zentralen Datenbank gespeichert und dann an den Steuerungsrechner übergeben. Nach anfänglichen kleineren Problemen läuft diese Weiterverarbeitung der Daten optimal.
Monitoring
Das Steuerungssystem wurde nach seiner Implementierung im Rahmen eines Monitoring intensiv überwacht und analysiert. Ziel des Monitorings ist es, weitere Verbesserungen hinsichtlich des Gesamtsystems zu erreichen. Neben Interviews mit dem Betriebspersonal, die zu einer Optimierung der Leittechnik und der Visualisierung der einzelnen Prozesse führen sollen, wurden insbesondere die Messwerte und die Regelbasis bewertet.
Für sämtliche gemessenen Ereignisse wurden und werden fortlaufend die Messwerte auf Ausfall, unplausible Werte und sonstige Unstimmigkeiten überprüft. Die gemessenen Wasserstände und Abflüsse werden dann mit den Ergebnissen einer simulierten Abflusssteuerung verglichen, um zu weiteren Erkenntnissen hinsichtlich der Modellkalibrierung und zur Verbesserung der Regelbasis zu gelangen. Dabei wurde eine Vielzahl von Erkenntnissen gewonnen, die von fehlerhaften Messwerten, nicht korrekten Grenzwerten für die Aktivierung der Stauräume, fehlerhafter bzw. häufiger Ausfall der Datenübertragung bis hin zu einer Erweiterung der Regelbasis für außergewöhnliche Systemzustände reichen. Diese Erkenntnisse werden gesammelt und, sofern eine sofortige Beseitigung nicht zwingend erforderlich ist, im Rahmen einer Optimierung des Gesamtsystems bewertet und realisiert.
Fazit
Der Beitrag beschreibt den Entwurf und die Implementierung des Abflusssteuerungssystems für die Stadt Wien. Das Projekt umfasste alle Planungsphasen von der Konzeption und Installation der Messgeräte, der Aufstellung des Niederschlag-Abfluss Modells, der Entwicklung der Steuerungskonzeption und dessen Implementierung bis zur Planung und Umsetzung einiger erforderlicher Schieberbauwerke. Nach Abschluss der Implementierung wurde und wird das Gesamtsystem umfassend überwacht, um es weiter zu optimieren.
Bereits jetzt zeigt sich, dass die angestrebten Ziele erreicht werden: Die Mischwasserentlastungsmengen nur für den Bereich des LDS können um ca. 30 Prozent reduziert werden, der Zufluss zur Kläranlage wird vergleichmäßigt, und die Steuerungskonzeption führt zu einem besseren Betrieb des Kanalnetzes. Nach Implementierung des gesamten Systems und weiteren Maßnahmen wie dem Bau und der Bewirtschaftung neuer Sammler werden die erstrebten Reduzierungen der Entlastungen um mehr als 50 Prozent erreicht werden.
Die Implementierung war auch von einigen Rückschlägen begleitet, die sich im Wesentlichen aus Verzögerungen bei der Modellaufstellung, nicht korrekten Messwerten, der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Schieberbauwerke und des Glasfasernetzes ergaben. Aus diesen Erfahrungen kann man ableiten, dass der Zeitplan von 2,5 Jahren für ein derartiges Projekt zu ambitioniert war.
Dank
Die Autoren danken den vielen an dem Projekt beteiligten Mitarbeitern bei der Stadt Wien – MA 30 für die umfassende Bereitstellung von Informationen, die jederzeitige Bereitschaft für offene, intensive Diskussionen, die enge Zusammenarbeit und die Flexibilität bei der Durchführung des Projekts.


Literatur

[1] DWA-M 180: Handlungsrahmen zur Planung der Abflusssteuerung in Kanalnetzen, Hennef, 2005

[2] Fuchs, L.; Beeneken, T.; Scheffer, C.; Spönemann, P.: Model based real-time control of sewer systems using Fuzzy-logic. In: Proc. 7th Int. Conf. on Urban Storm Drainage, SUG-Verlagsgesellschaft, Hannover, 1996, S. 929–934

[3] Fuchs, L.; Beeneken, T.; Verworn, H.-R.; Pfannhauser, G.; Atanasoff, K.; Steinwender, A.: RTC of the Sewer System of the City of Vienna – A Project Perspective. In: Proc. 9th Int. Conf. on Urban Drainage, Portland, Oregon/USA, 2002

[4] Fuchs, L.: Aspekte der Abflusssteuerung, In: Dresdner Berichte 19, Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der TU Dresden, Dresden, 2002

[5] Fuchs, L.; Günther, H.; Lindenberg, M.: Minimizing the Water Pollution Load by Means of Real-Time Control – The Dresden Example, in: Krebs, P.; Fuchs, L. (Hrsg.): Proc. 6th Int. Conf. Urban Drainage Modelling, 15. bis 17. September 2004, Dresden

[6] ITWH-Control, Programmbeschreibung und Dokumentation, ITWH, 2004

[7] Krämer, S.; Fuchs, L.; Verworn, H.-R.: Aspects of radar rainfall forecast and their effectiveness for real-time control – The example of the sewer system of the city of Viennna. In: Proc. 7th Int. Conf. Urban Drainage Modelling and 4th Int. Conf. Water Sensitive Urban Design, Melbourne/Australien, April 2006

[8] MA 30 – Wien Kanal: Kanalnetzbewirtschaftung für die Stadt Wien, RTC Wien, Berichte und Planunterlagen, nicht veröffentlicht (1998 ff.)

[9] Schilling, W.: Praktische Aspekte der Abflussteuerung in Kanalnetzen, Oldenbourg, München, 1996

[10] Schütze, M.; Butler, D., Beck, M. B.: Optimization of control strategies for urban wastewater systems – an integrated approach. In: Proc. UDM´98, 4th Int. Conf. Developments in Urban Drainage Modelling, 21. bis 24. September 1998, London/Großbritannien


 Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung der KA – Abwasser, Abfall 2007 (54) Nr. 7 veröffentlicht.  

Kontakt

Dr.-Ing. Lothar Fuchs, Dipl.-Ing. Thomas Beeneken (Institut für technisch-wissenschaftliche Hydrologie GmbH)

30167 Hannover

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