Geo-ASYS - Umsetzung und Erfahrung im Projekt Kassel
04.09.2008
1 Forschungsprojekt: Vermessung mit Geo-ASYS und Verwaltung im GIS
1.1 Historie der Vorgehensweise
Abwasserbeseitigungspflichtige in Hessen aufgefordert sich strategisch und konzeptionell neu zu positionieren. Das erlassene Gesetz stellte jeden Verantwortlichen vor die Entscheidung den ordnungsgemäßen Bau und Betrieb der Zuleitungskanäle zum öffentlichen Kanalnetz zu überwachen oder sich entsprechende Nachweise vorlegen zu lassen. Im Rahmen eines langen und intensiven Diskussionsprozesses aller beteiligten, verantwortlichen Personen im Hause des Kasseler Entwässerungsbetriebs wurde eine Grundsatzentscheidung getroffen. Der Kasseler Entwässerungsbetrieb überwacht den ordnungsgemäßen Bau und Betrieb der Zuleitungskanäle zum öffentlichen Kanalnetz im eigenen Aufgabenbereich.
Eins der vielen Argumente und wahrscheinlich das Wichtigste von allen, welches zu dieser Entscheidung geführt hat; war, dass der Kasseler Entwässerungsbetrieb die Bürger/Gebührenzahler; für die er sich verantwortlich zeigt, vor unlauterem Wettbewerb schützen will.
Mit dieser wichtigen Entscheidung wurde für die Neupositionierung im Umgang mit den Zuleitungskanälen im Bereich der Strategien und Konzepte die Weichen gestellt.
Neben dem wichtigen Punkt der Erarbeitung von rechtlichen Grundlagen musste auch die technische Umsetzung auf den Weg gebracht werden. Auch hier wurde nach umfassenden Gesprächen und Diskussionen aller Verantwortlichen eine weitreichende Entscheidung getroffen.
Die Betrachtungsweise der Zuleitungskanäle sollen gleichrangig auf einer Plattform mit den öffentlichen Kanälen dargestellt werden. Dies eröffnet dem Planer/Sanierungsplaner ein weitaus größeres Betrachtungs- und Sanierungsspektrum. Diese Vorgehensweise wird sich wesentlich auf wirtschaftlichere und somit auf kostengünstigere Sanierungsstrategien auswirken, was dem Hauseigentümer als Leitungsbesitzer in seinem Grundstück wiederum zu Gute kommt.
Hierzu schaute man sich am Markt um, welche vorhandenen Inspektionssysteme es gibt. Systeme die es ermöglichen bei der Inspektion, der nun zu untersuchenden Zuleitungskanäle, die geografische Lage mit ab zu bilden und schnittstellenkonform in das vorhandene Geoinformationssystem des Kasseler Entwässerungsbetriebes zu implizieren. Schnell wurde klar, dass, obwohl bei unterschiedlichsten Anbietern Grundlagen vorhanden waren, keines der Systeme für den Kasseler Entwässerungsbetrieb in Frage kam. Das System „ASYS“ der Firma JT-elektronik in Zusammenarbeit mit der Bundeswehruniversität München war zu diesem Zeitpunkt das Vielversprechenste. Nach mehreren Gesprächen zwischen den Akteuren (Firma JT-Elektronik, BW Uni München und dem KEB) wurde ein Public Private Partnership Projekt gegründet. Dieses Projekt hat die Zielsetzung das vorhandene System „ASYS“ in „Geo-ASYS“ (Unterirdische geodätische Anschlusskanalvermessung in Verbindung mit der TV-Inspektion zur automatisierten Weiterverarbeitung der Daten im Geoinformationssystem) zu transformieren. „Geo-ASYS“ soll in der Lage sein, den Verlauf des gerade zu untersuchenden Kanals in Echtzeit auf dem Inspektionsfahrzeug zur Unterstützung des Inspekteurs darzustellen. Die georeferenzierte Lage (x, y und z Koordinaten) des Kanals in seinen Detail (Leitung, Abzweig, Revisionsschacht) an ein Geoinformationssystem zu übergeben. Im GIS sollen nun alle Informationen (Zustand, Berichte, Bilder, Videos) verknüpft werden. Im GIS oder in einem darauf aufgesetzten Informationssystem sollen die Daten, wie auch schon die, der öffentlichen Kanäle, abrufbar sein.
1.2 Stand der Entwicklung von Geo-ASYS
Seit 15 Monaten läuft das Public Private Partnership Projekt. Im Vorfeld gab es über einen Zeitraum von 9 Monaten Vorgespräche und Versuchsreihen mit „ASYS“ zum Zweck der Zielsetzungen und Koordinierung der gemeinsamen Zusammenarbeit sowie der Formulierung der Vertragsinhalte und Aufgabenverteilung im Projekt. In der Zeitabfolge wurden 8 mehrtägige Meetings in Lindau; München und Kassel zur Feststellung des Arbeitsstandes und der Neuformulierung von Zielsetzungen abgehalten. Umfangreiche Tagesbesuche von Technikern der Firma JT-elektronik und Wissenschaftler der BW Uni München in Kassel und unzählige Telefonkonferenzen wurden in diesem Zeitraum durchgeführt. Die nachfolgenden Aufstellungen der Erkenntnisse basieren auf einer über 2 jährigen, intensiven Zusammenarbeit im gemeinsamen Projekt.
1.2.1 Der Arbeitsplatz des TV-Inspekteurs
- Bedieneroberfläche mit pull down Menü (in Anlehnung an Standardsoftware)
- Kanalbestandsdaten werden übernommen
- Georeferenzierte Stadtgrundkarte als Hintergrundbild
- Darstellung des Untersuchungsverlaufs in Echtzeit mit tatsächlicher Lagedarstellung der Inspektionseinheit (bessere Orientierung)
- Eindeutige Bezeichnung von Abzweigen und Revisionsschächten mit sofortiger Darstellung zur Unterstützung/Orientierung des Inspekteurs
- Untersuchungsdaten wie Schadenskürzel, Bilder und Videoaufzeichnung werden unwiderruflich mit den Entwässerungsobjekten (Schacht, Haltung) verbunden
1.2.2 Untersuchungsschema der Verlaufsmessung
- Im ersten Arbeitsschritt wird der Hauptkanal mit dem Fahrwagen der Satellitenkamera zur Erfassung aller vorhandenen Anschlüsse durchfahren.
- Auf dem Rückweg zum Ausgangspunkt werden in Reihenfolge alle aufgefundenen Anschlüsse gemeinsam mit den Anschlusskanälen untersucht und vermessen.
- Die Vermessung beginnt mit der Untersuchung vom Anschlusspunkt
- Die Elemente des Entwässerungssystems (Leitung von Anschlusspunkt bis Abzweig, Leitung von Abzweig bis Abzweig, Leitung von Abzweig bis Revisionsschacht) werden während der Untersuchung angelegt/bezeichnet und so unverwechselbar mit den Zustandsdaten verbunden
- Beim Abschluss der Untersuchung einer jeden Grundstücksentwässerung wird von dem am weitesten entfernten Punkt zum Anschluss bei der Rückwärtsfahrt eine Kontrollmessung zur Überprüfung der erhobenen Vermessungsdaten durchgeführt.
1.2.3 Genauigkeit der Verlaufsvermessung
Zur Verifizierung der Genauigkeit beim Einsatz von „Geo-ASYS“ wurden im Vorfeld die im Testgebiet liegenden zugänglichen Entwässerungselemente topografisch vermessen. Die Vermessungsdaten der Entwässerungselemente (Revisionsschächte) wurden in die digitale Stadtgrundkarte eingepflegt. Durch diese Vorgehensweise wird jede vor Ort mit „Geo-ASYS“ durchgeführte Vermessung während der Inspektion des Anschlusskanals überprüfbar. In der nachfolgenden Darstellung wird sichtbar, welche Fortschritte in Bezug auf die Genauigkeit der Verlaufsmessung erreicht wurden.
Durch ständige Anpassung der Hard- und Software, sowie der Kalibrierung des Systems ist eine ständige Verbesserung bei der Verlaufsmessung zu verzeichnen.
Betrachtet man die ersten 20 Meter der Vermessung, so kann man hier sogar feststellen, dass die Messdaten mit der tatsächlich angenommenen Lage des Anschlusskanals punktgenau übereinstimmen.
Die jeweilige Verbesserung der Vermessungsqualität lässt den Schluss zu (dies ist die Meinung aller am Projekt Beteiligten), dass das formulierte Ziel von +/- 50 cm in der x und y Achse und +/- 5 cm in der z Achse auch noch bei tiefer gehenden Untersuchungen über die ersten 20 Meter hinaus erreichbar sein wird.
1.2.4 Der Datentransfer zwischen Geo-ASYS und dem Geoinformationssystem (Kandis 4.0)
Im Zuge des PPP-Projektes wurde durch die BW Uni München die Schnittstelle entsprechend der derzeitigen Vorgaben für das Geoinformationssystem Sicad-Kandis (Kandis 4.0) programmiert. Die Schnittstelle arbeitet mittlerweile fehlerfrei. Der Datenexport und -import zwischen Sicad- Kandis und Geo-ASYS verläuft fehlerfrei.
1.2.5 Die Weiterverarbeitung der Daten im Geoinformationssystem im Sicad-Kandis
- Die Darstellung, sowie der Umgang mit den Zuleitungskanälen erfolgt genauso wie das der öffentlichen Kanäle
- Die Informationen über den Zustand der Zuleitungskanäle sind an den einzelnen Arbeitsplätzen der Sachbearbeiter abrufbar
- Auskunft, Beratung, Zustandskontrolle und Überwachung sind somit auf kurzem Weg möglich
- Kenntlich Machung einer einzelnen Leitung im Bereich der Zuleitungskanäle auf Privatgrundstück
- Vorbereitung zur Selektierung für weitere Informationsabfragen oder Bearbeitung, wie z.B.: maßstabsgerechter Ausdruck auf Farbdrucker oder Plotter, Weiterbearbeitung durch RedLine Funktion usw.
Informationen über Bestand und Zustand der ausgewählten Entwässerungsleitungen
- Ort und Straße
- Kanalart
- Material
- Durchmesser
- Leitungslänge
- Gefälle
- Haltungsbezeichnung (Eindeutigkeit)
- Lagekoordinaten (X,Y und Z)
1.2.6 Die Produktivität der Anschlussuntersuchung mit Verlaufsvermessung
Die Produktivität der Anschlusskanaluntersuchung mit Verlaufsvermessung ist im Wesentlichen davon abhängig, welcher Anspruch an den Unersuchungsumfang und den Sauberkeitsgrad der zu untersuchenden Leitung gelegt wird, sowie dem Zustand und dem damit verbunden Dokumentationsaufwand.
Der Untersuchungsumfang kann sich ausschließlich auf den Bereich des Hauptentwässerungsstranges vom Revisionsschacht/der Revisionsklappe bis zum Anschluss am öffentlichen Kanal erstrecken oder darüber hinaus auch auf alle Entwässerungsleitungen eines Grundstückes, die nicht mit der Bodenplatte des Hauses überbaut sind. Die zeitaufwändigste Untersuchung wäre, wenn die überbauten Leitungen auch noch zum Untersuchungsaufwand hinzukommen. Bei der Sauberkeit der Leitungen kann unterschieden werden zwischen der Inspektion mit und ohne Spültechnik.
Im Rahmen des PPP-Modells wurde das Inspektionsfahrzeug mit beiden Inspektionstechniken ausgerüstet. Die Untersuchungen können somit im direkten Vergleich mit Spül- und Schiebetechnik untersucht werden.
Aufgrund der Qualitätsvorteile im Spülbetrieb (gereinigte Leitung = bessere Zustandsbeurteilung, Spülantrieb = größere Untersuchungstiefe) wurde der Fokus bis jetzt vermehrt auf die Untersuchung im Spülbetrieb gelegt und somit der unmittelbare Vergleich der unterschiedlichen Techniken noch aussteht. Die Erkenntnis, dass die Spültechnik die aufwändigere Technik ist, kann pauschal an dieser Stelle schon getroffen werden.
Durchschnittliche Untersuchungsleistung von Entwässerungsleitungen im Spülbetrieb mit Verlaufsvermessung im Bereich von Anliegerstraßen (ohne aufwändige Verkehrsabsicherung) mit Vorabreinigung des öffentlichen Kanals:
-
Hauptentwässerungsstrang/Zuleitungskanal (dif. HWG)
Durchschnittliche Untersuchungslänge 10 bis 15 m bei einer Arbeitsschicht von 8 h und durchschnittlichem Schadensaufkommen: 8 bis 12 Grundstücke
-
Entwässerungsleitungen die nicht überbaut sind
Durchschnittliche Untersuchungslänge 25 bis 50 m bei einer Arbeitsschicht von 8 h und durchschnittlichem Schadensaufkommen: 5 bis 8 Grundstücke
-
Komplette Grundstücksentwässerungsleitungen
Durchschnittliche Untersuchungslänge 40 bis 100 m bei einer Arbeitsschicht von 8 h und durchschnittlichem Schadensaufkommen: 3 bis 5 Grundstücke
1.2.7 Kosten der Anschlussuntersuchung
Die Kostenberechnung basiert auf einer berechneten Tagespauschale für das
Inspektionsfahrzeug mit einer Besatzung von zwei ausgebildeten TV-Inspekteuren und Fahrzeugkosten bestehend aus Abschreibung, Softwarekosten, Unterhaltungskosten (Reparatur, Kraftstoff, DV-Material usw.), sowie der Frischwasserkosten für den Spülbetrieb.
Tagespauschale: 1250 €
- Hauptentwässerungsstrang/Zuleitungskanal (dif. HWG) = 80-150€/ Grundstück
- Entwässerungsleitungen die nicht überbaut sind = 150-250€/ Grundstück
- Komplette Grundstücksentwässerungsleitungen = 250-500€/ Grundstück
Weitergehende Kosten für die Qualitätsprüfung der Untersuchungsdaten mit eventueller Klassifizierung der Schäden, sowie die automatisierte Weiterverarbeitung im Geoinformationssystem sind an dieser Stelle noch nicht berücksichtigt.
1.3 Projekt Herrmannstraße, eine Anliegerstraße in Kassel
Am Beispiel Herrmannstraße soll verdeutlicht werden, welche Entscheidungsmöglichkeiten einem Planer zusätzlich an die Hand gegeben werden, wenn im Vorfeld oder während der Planungsphase die Anschlusskanäle mit einer Verlaufsmessung untersucht und dargestellt werden. Die Aufgabe dieses Projektes lautet, Neuordnung des vorhandenen Entwässerungssystems im vorhandenen Bestand.
- Kanalart Mischwasserkanal DN 350
- Baujahr 1888
- Material Steinzeug
- Überdeckung zwischen 6,5 bis 3,5 m
- 5 Haltungen, Gesamtlänge ca. 200 m
- ca. 30 Stück Anschlusskanäle (nicht untersucht)
Der öffentliche Kanal wurde im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (EKVO) 03/04 mittels TVKamera untersucht.
Es wurden mehrfach Schäden der Schadensklasse 0 und bei zwei von fünf Haltungen wurden Unterbögen von mehr als 10 cm Tiefe festgestellt.
Im ersten Planungsansatz wurden klassische Sanierungsmaßnahmen aus dem Inneren (Inliner), Kompletterneuerung aller Haltungen sowie ein Mix aus beiden geprüft.
Alle drei Verfahren haben aufgrund der Lage und vorhandenen Topografie ihre Vor- und Nachteile.
Inlinerverfahren: | |
---|---|
Vorteile | Nachteile |
|
|
Offene Bauweise: | |
---|---|
Vorteile | Nachteile |
|
|
Mix der Bauverfahren:
Annähernd auch ein Mix aus den bereits genannten Vor- und Nachteilen
Weitere Untersuchungen:
Vermessungsarbeiten zur Feststellung der Höhenlage einzelner Kellersohlen.
Aufgrund der Erkenntnisse soll geprüft werden, ob Möglichkeiten bestehen, den Kanal unter nachstehender Überlegung umzuplanen und neu zu bauen:
- Fließrichtungswechsel in Richtung Königstor (Ausnutzen der Topografie).
- Kanalsohle höher legen (evt. mit Änderung der Hausentwässerung unter der Kellerdecke).
Vorteile:
- Tiefenlage geringer max. ca. 3,5 m
- geringe Baukosten
- geringe Bauzeit
- lange Lebensdauer
- wesentliche hydraulische Verbesserung (evt. kleinerer Durchmesser)
- geringer Unterhaltungsaufwand
Nach durchgeführter Untersuchung der Anschlusskanäle und Auswertung der Sachdaten werden die Ergebnisse in die Planung einbezogen.
Die Untersuchung wird in nächster Zeit im Rahmen des PPP-Projektes auf Grund der verbesserten und genaueren Verlaufsmessung durchgeführt.
1.4 Zukunftsperspektive
- Weiterarbeit im PPP Modell noch ein Jahr (im Moment die Hälfte erreicht)
- Verbessern der Genauigkeit während der Verlaufsmessung (entsprechend des vom KEB aufgestellten Leitfadens +/- 50 cm)
- Vereinfachung der komplexen Bedienungstechnik für den Inspekteur
- Optimieren der Verfahrensabläufe für rationelleres Arbeiten auf dem Fahrzeug
- Verbessern der Software und der Kandisschnittstelle für stabileren Lauf
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