Grabenlos durch das Biotop von Badrina – begeisterte Besucher des Baustellentages verfolgen den Rohreinzug
20.03.2018
Eine marode Stahlrohrleitung mit hohem Reparaturbedarf liegt in einem ökologisch sensiblen Gelände, welches inzwischen zu einem FFH-Gebiet umgewidmet wurde. Um weitere Störungen durch Instandsetzungsarbeiten zu vermeiden, muss die Altleitung ausgetauscht werden, ohne dass die Biotope betreten oder gar mit schwerem Gerät befahren werden dürfen. Derlei Aufgaben löst man heutzutage am elegantesten mit duktilen Gussrohren, welche mittels HDD-Verfahren in Einzelrohrmontage sozusagen „berührungslos“ eingezogen werden.
1 Einleitung
Der Zweckverband Delitzsch-Rackwitzer Wasserversorgung (DERAWA) stand in Badrina vor einer seiner umfangreichsten Investitionen: Zur Stabilisierung der Rohwasserversorgung von Delitzsch mit seinen umliegenden Gemeinden in Sachsen musste eine alte Leitung ausgetauscht werden, welche zum Teil durch das Biotop Badrina führt (Bild 1). Dessen hervorstechendes Merkmal ist das oligotrophe (nährstoff- und humusarm) bis mesotrophe (mittlerer Nährstoffzustand), kalkhaltige Stillgewässer in Badrina. Gewässer dieses Lebensraumtyps sind im Naturraum sehr selten.
Die ungenutzten Teiche besitzen einen klaren, relativ nährstoffarmen Wasserkörper und weisen großflächige Bestände von Armleuchteralgen auf. Sie befinden sich in einem guten Erhaltungszustand. Obwohl es einen direkten Zugang von der Straße gibt, sind anthropogene Beeinträchtigungen gering. Eine Nutzung als Fisch- oder Angelgewässer oder das Befahren des Geländes mit schwerem Gerät würde jedoch den aktuell günstigen Erhaltungszustand massiv gefährden [1].
Das Biotop in Badrina gehört zum Netzwerk „Natura 2000“ [2], eine offizielle Bezeichnung für ein kohärentes Netz von Schutzgebieten, das innerhalb der Europäischen Union nach den Maßgaben der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie) errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. In das Schutzgebietsnetz werden auch die gemäß der Richtlinie 79/409/EWG (kurz Vogelschutzrichtlinie) ausgewiesenen Gebiete integriert [3].
2 Ausgangssituation
Das Wasserwerk Delitzsch bezieht sein Rohwasser aus den Brunnenfassungen Prellheide Nord und Süd sowie aus Spröda. Dafür wurde in den siebziger Jahren eigens eine 16 km lange Transportleitung DN 500 aus Stahl gebaut. Die Leitung zieht sich von Badrina, einem Ortsteil von Delitzsch, bis nach Scholitz durch sensible Biotope wie Feuchtwiesen und Röhrichtgebiete. Leider mussten hier in den letzten Jahren häufig Reparaturarbeiten durchgeführt werden, weil die Stahlleitung mit Korrosionsschäden zu kämpfen hatte. Die Störanfälligkeit der über 40 Jahre alten Leitung nahm ständig zu. Für die DERAWA zeichnete sich daher ein Austausch des Leitungsabschnittes im Badrinaer Biotop ab.
Es wurde die größte und aufwändigste Investition seit vielen Jahren. Rund eine halbe Million Euro kostet es, die neue Leitung im Tausch gegen die alte unter die Erde zu bringen [4]. An dieser Rohrleitung hängt das Wasserwerk des Zweckverbandes, der in seinem Versorgungsgebiet 48.000 Einwohner sowie die darin gelegenen Industrie-, Gewerbe-, Handels-, Landwirtschaftsbetriebe und öffentlichen Einrichtungen mit Trinkwasser beliefert.
3 Planung
Über ein Jahr hat die DERAWA auf diese Maßnahme hin geplant. Vier Naturschutzgebiete sind auf den Bauplänen für die 480 m lange Leitung eingetragen, daher entschieden sich die Planer für eine geschlossene Bauweise im HDD-Verfahren mit duktilen Gussrohren DN 500 mit längskraftschlüssiger BLS®-Steckmuffen-Verbindung und Zementmörtel-Umhüllung nach EN 15542 [5]. Aufgrund der genannten örtlichen Gegebenheiten kam nur das umweltfreundliche Horizontalspülbohrverfahren nach dem DVGW-Arbeitsblatt GW 321 [6], in diesem Falle mit einer Kreiselkompass-Steuerung, zum Einsatz.
Hierbei wird mittels Navigationssoftware und Laserkreisel der Bohrer so geführt, dass er zwischen Start- und Zielgrube kontrolliert und zentimetergenau auf der Soll-Linie bleibt. Diese Spezialversion wurde wegen des Betretungsverbotes der Biotope angewendet, weil beim üblichen Spülbohrverfahren mit magnetischen Führungssystemen entlang der Trasse kontrolliert wird. Der Weg zwischen Start- und Zielgrube wird nur am Computermonitor gesteuert. Der Badrinaer Boden wird durch eine an der Bohrkopfspitze unter hohem Druck austretende Bentonitsuspension, Mischung aus natürlichem Ton und Wasser, Meter für Meter ausgetragen. Die Suspension stützt das Bohrloch und wird später recycelt.
Wegen der beengten Platzverhältnisse wurde die Rohrleitung im Einzelrohr-Verfahren auf einer abgewinkelten Montagerampe montiert; ein Vorteil bei geringem Platzangebot um die Startgrube. Entgegen anfänglicher Bedenken bezüglich der Montagedauer der Verbindung bei Verwendung von ZM-U-Schrumpfmanschetten ließen sich nach geringer Einarbeitungszeit sehr kurze Montagezeiten erzielen. So konnte trotz Einzelrohrmontage die Rohrleitung innerhalb weniger Stunden eingezogen werden. Ein widerstandsfähiger Verbindungsschutz mit Schrumpfmanschetten hält die Spülbohrsuspension sowie das Grundwasser des Biotops vom Verbindungsspalt fern. Für den Umschluss der neuen Leitung steht im Wasserwerk eine Zeitreserve von circa 48 Stunden zur Verfügung.
4 Bauausführung
Zum Spülbohren nutzte die Firma Beermann Bohrtechnik GmbH aus Zeitz ein Bohrgerät mit einer Zugkraft von 1.000 kN. Die erste Bohrung mit 200 mm war innerhalb eines Tages abgeschlossen, auf Hindernisse sind die sechs Arbeiter des Steinfurter Unternehmens nicht gestoßen. Im zweiten Gang wurde die Bohrung auf 750 mm und schließlich auf 920 mm aufgeweitet. Durch dieses Bohrloch wurde mit schwerer Technik der Strang aus neuen, je sechs Meter langen Rohren DN 500 eingezogen. Die Einzelrohrmontage der BLS®-Rohre DN 500 wurde von der Baufirma Josef Pfaffinger Leipzig Baugesellschaft mbH durchgeführt. Zur Einführung der Rohre in das Bohrloch unter einem angestrebten Eintrittswinkel von 11° diente eine Montagerampe (Bild 2). Die Baugrube war etwa 15 m lang. Vor dem Einzug wurde die Verbindung der duktilen Gussrohre mit einer Schrumpfmanschette und einem Stahlblechkonus geschützt.
Die Rohre wurden schnell und unkompliziert mit Hilfe eines bereitstehenden Baggers montiert. Durch den Zug des Bohrgerätes wurden die längskraftschlüssigen BLS®-Steckmuffen-Verbindungen „verriegelt“. Am 16.09.2015 um etwa 14.30 Uhr begann der Rohreinzug und endete am darauffolgenden Tag um 03.00 Uhr ohne besondere Vorkommnisse. Nach einer kurzen Orientierungsphase konnten Montagezeiten von etwa neun Minuten erzielt werden. Der Rohreinzug wurde mit einer Zugkraftmesseinrichtung überwacht (Bild 3).
Nach dem erfolgreichen Einzug der Rohre wurde die neue Leitung mit Gussformstücken, Druckstufe PN 10, an das vorhandene System angeschlossen. Nach Rückbau von Start- und Zielgrube war die Maßnahme Ende Oktober beendet.
5 Baustellentag in Badrina
Der Rohrhersteller hat dieses besondere Projekt genutzt, um am 16.09.2015 gemeinsam mit dem Zweckverband Interessierte, Planer sowie Auftraggeber der umliegenden Kommunen zu einem Baustellentag einzuladen. Nach einer Besichtigung des Wasserwerks in Delitzsch konnten die Besucher miterleben, wie unkompliziert, schnell und perfekt der grabenlose Einbau mit duktilen Gussrohren funktioniert.
Mit großem Interesse verfolgten die Gäste die Montage der BLS®-Steckmuffen-Verbindung und den anschließenden Rohreinzug. Die Begeisterung war groß, zumal den meisten Besuchern bewusst war, wieviel vom erfolgreichen Einbau der Hauptleitung der Delitzsch-Rackwitzer Wasserversorgung abhängt.
6 Projektdaten
- HDD-Einzelrohrmontage, DN 500, BLS®
- Rohraußenschutz: Zementmörtel- Umhüllung nach EN 15542 [5]
- Verbindungsschutz: Schrumpfmanschette und Stahlblechkonus
- Rohrleitungslänge: 432 m
- Maximale Zugkraft der Bohrmaschine: 1.000 kN
- Zulässige Zugkraft für duktile Gussrohre DN 500: 860 kN
- Höchste gemessene Zugkraft: 60 kN
- Durchschnittliche Montagezeit für die Herstellung der BLS®-Steckmuffen-Verbindung DN 500 bei Verwendung einer Schrumpfmanschette und eines Stahlblechkonus: 12 min
7 Fazit
Gerade in komplizierten Situationen mit Hindernissen und besonderen Auflagen hat sich das grabenlose HDD-Verfahren in Verbindung mit duktilen Gussrohren vielfach bewährt. Die Robustheit der Rohre, eine mehrfache Sicherheit gegenüber vorhandenen Innendrücken und die große äußere Belastbarkeit sind Garanten für hohe Betriebssicherheit und lange Nutzungsdauer. Die neue Leitung aus duktilen Gussrohren soll wieder mindestens die nächsten 50 Jahre halten.
Dank der flexiblen BLS®-Steckmuffen-Verbindung konnte die Rohrleitung unter Einsatz der grabenlosen Verfahrenstechnik sicher und schnell durch das Badrinaer Biotop eingebaut werden. Niemand betrat und störte dabei das sensible Ökosystem.
Literatur
[1] Managementplan für das Gebiet Nr. 210, Vegetationskunde und Landschaftsökologie (IVL), Leipzig 2010
[2] Tafeln Europaschutzgebiet (Natura 2000) und geschützter Landschaftsteil, Quelle: Wikipedia 2011-07-10
[3] EUR-Lex - l28076 – EU: 1992-05-21
[4] Jacob, C. Badrinaer Biotop entscheidet über Wasserversorgung der Region, Leipziger Volkszeitung 2015-09-10
[5] EN 15542: 2008
[6] DVGW-Arbeitsblatt GW 321: 2003-10
(Erstveröffentlichung in: GUSS-ROHRSYSTEME - Information of the European Association for Ductile Iron Pipe Systems • EADIPS®)
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