Grenzen erweitern - nachhaltig sanieren!

13.11.2023

21. Deutscher Schlauchlinertag und 12. Deutscher Reparaturtag in Düsseldorf

Eine angespannte Wettbewerbssituation und ausufernde Preissteigerungen am Rohstoffmarkt dürfen nicht dazu führen, dass ein qualitätsorientiertes und nachhaltiges Bauen aus dem Fokus der Kanalsanierung gerät. Doch wie können wir für mehr Nachhaltigkeit und Qualität sorgen? Welche Entwicklungspotenziale bestehen derzeit bei Schlauchliner- und Reparaturverfahren? Und wo liegen die Ursachen für vermeintliche Verfahrens- und Systemschwächen?

Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt des 21. Deutschen Schlauchlinertages und des 12. Deutschen Reparaturtages, die in diesem Jahr am 19. und 20. September im CCD Congress Center Düsseldorf stattfanden. „Wir wollen uns gemeinsam weiterentwickeln, denn Stillstand ist für unsere Branche keine Option!“

Mit seinem Eingangsstatement unterstrich Dr.-Ing. Igor Borovsky, Vorsitzender der Technischen Akademie Hannover e. V. (TAH) und Geschäftsführer des Verbandes zertifizierter Sanierungs-Berater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB), zum Auftakt in Düsseldorf eine wesentliche Zielsetzung des bewährten Veranstaltungsduos. „Wenn die Erfahrung der vergangenen Jahre uns eines gelehrt hat, dann doch die Tatsache, dass wir alle – Netzbetreiber, Planer und Industrie –auf Augenhöhe kommunizieren und gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, um Schwachpunkte zu benennen und Innovationspfade zu identifizieren, die unsere Branche immer besser machen“, betonte Borovsky den Markenkern des bewährten Branchentreffens.

Persönliches Networking

Während die beiden vorangegangenen Veranstaltungen coronabedingt noch in einer hybriden Online-/ Präsenzvariante durchgeführt wurden, stand der etablierte Branchentreff in diesem Jahr für die rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder als reine Präsenzveranstaltung ganz im Zeichen der intensiven persönlichen Kontaktpflege. „Man hat sehr deutlich gemerkt, dass alle Teilnehmenden begeistert waren, sich endlich wieder ausschließlich von Angesicht zu Angesicht über ihre Erfahrungen auszutauschen“, freute sich Dipl.-Ing. Michael Hippe, Vorstandsvorsitzender des Verbandes zertifizierter Sanierungs-Berater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB) und Moderator des Deutschen Reparaturtages über die vollständige Rückkehr zur Präsenzform an beiden Veranstaltungstagen.

Noch lange nicht am Ende

„Nach über 40 Jahren wissen wir, dass wir mit dem Schlauchliner über eine technisch überzeugende Systemlösung verfügen, um die Funktionsfähigkeit und den Wert unserer unterirdischen Lebensadern zu verlängern und zu erhalten. Dennoch sind wir mit diesem Verfahren noch nicht am Ende seiner Entwicklungsmöglichkeiten angelangt“, wie Franz Hoppe, der vor 21 Jahren den Schlauchlinertag ins Leben rief, meint. Und Hoppe weiter: „Der Schlauchliner ist ein hochentwickeltes Qualitätsprodukt mit besten Trägermaterialien und Harzen. Lassen Sie uns hier und heute gemeinsam daran arbeiten, den Schlauchliner weiterzuentwickeln. Aber immer mit Bedacht.

Wir wollen dem Produkt positiv, wenn nötig, aber auch kritisch gegenüberstehen. Vor diesem Hintergrund ist der Schlauchlinertag eine feste Institution, die seit nunmehr 20 Jahren für viele Verbesserungen gesorgt, Regelwerke vorangetrieben und Denkanstöße gegeben hat. Aus der einst belächelten „Korrosionsschutzsocke“ ist das am häufigsten eingesetzte Sanierungsverfahren unserer Branche geworden. Und wir sind noch nicht am Ende!“

Sind wir auf dem richtigen Weg?

Nach der erfolgreichen Premiere im vergangenen Jahr bildete das vom langjährigen Chefredakteur der bi Umweltbau, Artur Graf zu Eulenburg, moderierte Talkformat auch den Auftakt des 21. Deutschen Schlauchlinertages in Düsseldorf. „Sind wir mit dem Schlauchlining auf dem richtigen Weg?“, „Geht der aktuelle Preiskampf auf Kosten der Qualität?“ und „Was können wir für die Zukunft noch erwarten?“, lauteten einige Leitgedanken der Diskussionsrunde. Dass das Schlauchliningverfahren längst eine unersetzliche Technologieoption sei, daran bestehe – so die einhellige Meinung der teilnehmenden kommunalen Netzbetreiber, Planer, Vertreter bauausführender Unternehmen sowie Anbieter von Produkten und Verfahren – nicht der geringste Zweifel. „Schlauchlining ist ein zentrales Instrument im Werkzeugkasten der Netzbetreiber. Nun ist es die Aufgabe aller Beteiligten, es als ein gutes und sicheres Verfahren kontinuierlich weiterzuentwickeln“, lautete der Konsens in der Diskussion. Dabei gelte es aber stets im Hinterkopf zu behalten, dass alle Linersysteme situationsbezogen über Vor- und Nachteile verfügen. Deshalb sei es notwendig, die Einsatzgrenzen jedes Systems zu kennen und in Planung und Ausschreibung zu berücksichtigen. Nur so sei es möglich, ein auf die individuellen Rahmenbedingungen optimal abgestimmtes System auszuwählen.

Meilensteine der Branchen-Roadmap

Im Anschluss an die angeregte Podiumsdiskussion bestimmten weitere relevante Aspekte der Qualitätssicherung, der technischen Entwicklungen und Innovationen das Veranstaltungsgeschehen in der NRW-Landeshauptstadt. Hinzu kamen praxisrelevante Ansätze eines juristischen Umgangs mit auffälligen Angeboten und der Blick auf „Schlauchlinerzulassungskriterien im Spannungsfeld der internationalen Standards“. Und natürlich hat auch das allgegenwärtige Thema Künstliche Intelligenz und der Einsatz intelligenter Sensorik längst Einzug in die Welt der Kanalsanierung gehalten.

Hier entstehen unter anderem durch den Einsatz hochfrequenter elektromagnetischer Felder sukzessive neue Überwachungsmöglichkeiten, die den Vernetzungsfortschritt von Kunststoffen bei der UV-Härtung von Schlauchlinern mittels einer berührungslosen Sensorik ermitteln. Zudem durfte ein weiterer Megatrend der (Tief-)Baubranche auf der Agenda des Schlauchlinertages nicht fehlen: das Thema Nachhaltigkeit und die Auswirkungen des Schlauchlinings auf die Umwelt. Die Zusammenarbeit zwischen Interessenvertretern der Industrie, Forschern und Aufsichtsbehörden sei entscheidend für die Optimierung des Energieverbrauchs und die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks des Schlauchliners.

Die Planung ist das entscheidende Moment

„Wann ist eine Sanierung im Schlauchliningverfahren sinnvoll, zielführend und wirtschaftlich?“ lautete die Frage von Markus Dohmann, M. Eng., Große Kreisstadt Backnang. „Der Blick auf die Schadensbilder ist entscheidend“, so eine These des Referenten. Dies allein reiche aber für eine fundierte Entscheidungsfindung nicht aus. Zudem sei es notwendig, auch auf die Ursachen der Schäden und auf alle vorhandenen Randbedingungen zu blicken und diese in eine valide Sanierungsplanung mit einzubeziehen. Diesen Fokus auf die Planung als DIE entscheidende Grundlage einer erfolgreichen Kanalsanierung unterstrich auch Dipl.-Ing. (FH) Markus Vogel, Markus Vogel – Beratung, Kappelrodeck, in seinem Vortrag „Welchen Einfluss hat die Planung auf die Qualität der Sanierungsergebnisse?“: „Kanalsanierung ohne Planung ist nicht möglich“, so Vogel. „Es gibt keine Standardsanierungslösung. Vor jeder Ausschreibung steht eine komplexe Entscheidungsfindung, um aus der Vielzahl der vorhandenen Techniken die situativ passende und damit die beste auszuwählen. Qualität und Dauerhaftigkeit einer Kanalsanierung werden in der Planungsphase geschaffen“, so Vogel.

Die Grenzen des Machbaren erweitern

„Bei den Druckrohrleitungen rücken grabenlose Sanierungsverfahren ebenfalls zunehmend in den Vordergrund“, erläuterte Dr.-Ing. Susanne Leddig-Bahls, IQS Engineering AG, Loitz OT Rustow. Aufgrund einer mancherorts erschwerten Zugänglichkeit der Leitungsabschnitte hätten in der Vergangenheit teilweise keine geeigneten Sanierungsverfahren im Druckrohrbereich zur Verfügung gestanden. „Die Herstellung vor Ort, die Material- und Prozessvielfalt sowie insbesondere die Flexibilität bieten gerade im Druckrohrbereich wesentliche Einsatzvorteile“, so Leddig-Bahls. Von diesen Einsatzvorteilen können noch weitere Bauwerke in zunehmendem Maße profitieren. Denn auch Schächte waren bis dato mit Schlauchlinern kaum effizient zu sanieren. Mit dem Einsatz flexibler, an Dimensionssprünge und verschiedene Schachtgeometrien hoch anpassungsfähiger Liner gehöre auch das der Vergangenheit an, so Stefan Blenke, Brandenburger Liner GmbH Co. KG. Und last but not least: Auch im Bereich der Fernwärmeleitungen ist Bewegung in puncto Schlauchlining. Den weltweit ersten Schlauchliner für Fernwärmeleitungen präsentierte Lars Quernheim, BKP Berolina Polyester GmbH & Co. KG / PPR Deutschland GmbH, in Düsseldorf.

Der mit Carbonfasern als Trägermaterial ausgestattete Liner wurde für Nennweitenbereiche DN 100 bis DN 800 entwickelt. „Mit dem System sind schnelle Baufortschritte, kürzere Planungs- und Genehmigungsphasen und geringere Beeinträchtigungen der umliegenden Infrastruktur realisierbar“, so Quernheim. Der erste Veranstaltungstag habe deutlich gezeigt – so Hoppe zum Abschluss des 21. Deutschen Schlauchlinertages – dass sich die Anwendungsbereiche des Schlauchlinings vergrößern. Diese Form der Grenzerweiterung berge viele Chancen, bedeute aber auch, dass das Wissen der Branche erheblich erweitert werden müsse, um Fehler zu vermeiden. „Wir sind auf einem guten Weg“, betonte Hoppe. „Wir haben viel erreicht, denn wo wären wir ohne den Schlauchliner heute? Aber wir stellen uns den Problemen und neuen Herausforderungen, nicht zuletzt mit dieser Veranstaltung.“

Nachhaltig reparieren

Der zweite Veranstaltungstag oder genauer der 12. Deutsche Reparaturtag stand dann am 20. September ganz im Zeichen des nachhaltigen Bauens. Zwar sei es, dies unterstrich Hippe bei der Begrüßung der Teilnehmenden, schwer zu beantworten, wie nachhaltig eine Reparatur tatsächlich sei. Denn einerseits sei die Reparatur zumindest in geschlossener Bauweise mit einem ausgesprochen geringen Ressourcenverbrauch verbunden. „Andererseits aber verbleiben Schäden geringerer Dringlichkeit oder aber potenzielle Undichtigkeiten an alten Rohrverbindungen mit entsprechender Boden- und Grundwasserverunreinigung“, definierte Hippe das komplexe Spannungsfeld der Gesamtthematik. „Verlagern wir unzulässigerweise erforderliche Investitionen auf die nächste Generation?“, sei eine Frage, die ebenfalls in diesem Jahr in Düsseldorf zu erörtern sei. Gleichwohl stehe aber zweifellos fest, dass eine qualitätsgerecht ausgeführte Reparatur eindeutig nachhaltiger sei als eine unsachgemäß ausgeführte, welche in absehbarer Zeit wiederholt werden müsse.

Strategisch handeln in der Praxis

Die „Wahl der richtigen Reparaturstrategie“ und „Reparaturverfahren in der Praxis“ stellten auch in diesem Jahr wesentliche inhaltliche Aspekte des Veranstaltungsprogramms dar. Mit einem exemplarischen Blick auf das rund 2.300 km lange Kanalnetz der Hansestadt Bremen zeigte Ralph Zwafink, hanseWasser Bremen, in seinem Vortrag „Die Reparatur als Strategie – vertragsgerechte Kanalsanierung in Bremen“, dass eine effektive Reparaturstrategie ein wichtiger Bestandteil des Funktions- und Werterhalts eines Netzes sein kann. Weitere Insights auf die Kanalnetze von Köln und Düsseldorf boten die Vorträge von Dipl.-Ing. (FH) Karl Elis, Stadtentwässerungsbetriebe Köln, und Roland Baum, Stadtentwässerungsbetrieb Düsseldorf. Während Elis die „Fachgerechte Zulaufanbindung im Spachtel- und Verpressverfahren“ mit besonderem Fokus auf die Arbeitsvorbereitung und die einzelnen Ausführungsschritte in das Zentrum seines Vortrags stellte, beschrieb Baum mit dem sogenannten Düsseldorfer Modell die aufwändige Fugensanierung an Düsseldorfer Mauerwerkskanälen.

In weiteren Vorträgen ging es um den „Reparaturerfolg bei Kurzlinern“, um eine „Erfolgreiche Schachtreparatur“ sowie um das „Handlaminat in der Praxis“ und – in einem interessanten Grundsatzbeitrag – um die individuellen Spezifika von Kunststoff und den richtigen Umgang mit diesem Material. Grundsätzliche „Risiken und Chancen einer Reparatur“ stellte Prof. Dr. Ing. F. Wolfgang Günthert in das Zentrum seiner Ausführungen. Eine dezidierte Risikobewertung und Risikoreduktion einzelner Reparaturverfahren, wie sie aktuell vom VSB in seiner Empfehlung abgebildet sei, könne zu längeren Nutzungsdauern führen und sei ein wertvolles Instrument für Ingenieurbüros, die in der Planung und Bauüberwachung tätig seien.

Was ist nachhaltig?

In der abschließenden Diskussionsrunde wurden viele Fäden des umfassenden Informationsangebots des 12. Deutschen Reparaturtages erneut zusammengeführt. „Was ist nachhaltiger? Die konsequente Reparatur zum Werterhalt oder die vorausschauende Investition zum Substanzerhalt?“, lautete das Leitthema, über das sich die Vertreter von Netzbetreibern, Ingenieurbüros und Sanierungsfirmen konstruktiv austauschten. In der Diskussion wurde deutlich, dass diese Frage nicht pauschal, sondern stets mit einem differenzierten Blick auf die individuelle Netzsituation beantwortet werden muss. Klar wurde auch, dass das Thema Nachhaltigkeit unfassbar viele Implikationen birgt. Gleichwohl herrschte bei den Diskussionsteilnehmern ein deutlicher Konsens darüber, dass ein qualitätsorientiertes, technologieoffenes und generationengerechtes Bauen, welches sich nicht ausschließlich dem Diktat des Preises unterwirft, die Basis eines erfolgreichen Netzmanagements sei. Hinzu käme ein respektvoller und von einer gegenseitigen Wertschätzung geprägter Umgang aller Akteure miteinander, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Ein starkes Gesamtpaket

Ein wesentliches Charakteristikum des Schlauchliner- und Reparaturtages bleibt die enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Die maßgeschneiderte Kombination eines hochkarätigen Vortragsprogramms mit einer begleitenden Fachausstellung und den erlebnisreichen, moderierten Außenvorführungen machen das Veranstaltungsduo zu einem Leuchtturm-Event der Tiefbaubranche. „Wir stellen immer wieder fest, dass der konstruktive Austausch zwischen Netzbetreibern, planenden Ingenieurbüros und Vertretern von Sanierungsfirmen nicht nur dazu führt, den Finger in die Wunden aktueller Pain-Points zu legen, sondern auch Innovationspfade für unsere Branche zu entwickeln“, so Hippe. Und Borovsky hob abschließend hervor: „Die beiden Veranstaltungen sind eine starke Gemeinschaftsleistung aller Aussteller und Sponsoren, aller Referierenden und natürlich auch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich mit vielen konstruktiven Beiträgen aktiv in das Diskussionsgeschehen der Veranstaltung einbringen. Ihnen allen gebührt unser herzlicher Dank dafür, dass sie aktiv an einer zukunftsfähigen Weiterentwicklung unserer Branche mitwirken“.

Kontakt

Technische Akademie Hannover e. V.

Dr.-Ing. Igor Borovsky

Werftstraße 20

30163 Hannover

Deutschland

Telefon:

+49 511 394 3330

E-Mail:

borovsky@ta-hannover.de

Internet:

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