Hydraulische Bemessung von Abwasserleitungen und -kanälen
10.07.2006
Bei der Planung von Abwasserleitungen und -kanälen ist die hydraulische Bemessung und damit der Nachweis des ablagerungsfreien Betriebs ein wesentlicher Bestandteil. Für Freispiegelleitungen erfolgt sie im Allgemeinen nach dem Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 110. Der Nachweis kann dabei entweder nach dem Pauschalkonzept oder nach dem Individualkonzept durchgeführt werden.
Seit 1988 steht für die hydraulische Dimensionierung und den Leistungsnachweis von Abwasserleitungen und -kanälen das Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 110 zur Verfügung, das in seiner überarbeiteten Fassung 2001 neu erschienen ist. 1998 wurde es durch das Arbeitsblatt ATV-A 112 für den Geltungsbereich der Sonderbauwerke ergänzt. Die Berechnungen zur Dimensionierung und zum Leistungsnachweis gemäß ATV-DVWK-A 110 sind nicht Gegenstand dieses Beitrages, sondern ausschließlich die aus den Werkstoffeigenschaften der Rohre resultierenden Strömungsverluste. Die Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Freigefälle- oder Freispiegelleitungen, d. h. die Ergebnisse sind nicht auf Druckleitungen übertragbar.
Für die hydraulische Dimensionierung neu zu errichtender Kanalisationen empfiehlt das ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 110 die Anwendung des so genannten Pauschalkonzepts. Es basiert auf der vereinfachten Vorgehensweise, bei der sowohl diskontinuierlich anfallende Strömungswiderstände oder -verluste als auch rohrwerkstoffspezifische Widerstände zu einem pauschalen Rauheitsmaß, der so genannten betrieblichen Rauheit kb, zusammengefasst werden. Diskontinuierlich anfallende Strömungswiderstände oder -verluste können dabei z. B. innerhalb einer Haltung auftretende lokale Strömungswiderstände oder Energiehöhenverluste sein. Ein möglicher rohrwerkstoffspezifischer Widerstand ist die natürliche Wandrauheit k. Einen Überblick über Pauschalwerte für die betriebliche Rauheit in Abhängigkeit von Kanalart und Schachtausbildung gibt Tabelle 1.
- der Wandrauheit k des Rohrwerkstoffes,
- Lageungenauigkeit und -änderungen,
- der Ausbildung der Rohrverbindungen,
- den Zulauf-Formstücken und
- den Schachtbauwerken (bis einschließlich Scheitelfüllung h/d < 1,0).
Folgende Einflüsse sind nicht enthalten:
- Nennweiten-Unterschreitungen,
- Auswirkungen von Einstau und
Überstau, - Vereinigungsbauwerke und
- Ein- und Auslaufbauwerke von Drosselstrecken,
Druckrohrleitungen und
Dükern.
Hinsichtlich der Voraussetzungen und Einschränkungen bei der Anwendung des Pauschalkonzeptes wird auf ATV DVWK-A 110, Abschnitt 4.3 verwiesen.
Für den Leistungsnachweis bestehender Entwässerungssysteme ist das Individualkonzept nach ATV-DVWK-A 110 mit detaillierter Berücksichtigung aller Verlusteinflüsse im Einzelfall anzuwenden. Dabei werden alle auftretenden Einzelverluste, einschließlich derjenigen infolge der natürlichen Wandrauheit k der Kanäle, haltungsweise nachgewiesen. Dabei ist k grundsätzlich auch in Hinblick auf die sich verändernde Beschaffenheit der Rohrwandungen im Langzeitbetrieb anzusetzen. Zur Bestimmung der Verlusthöhe auf Grund der Reibung dient die Prandtl-Colebrook- Gleichung. Die jeweiligen Einzelverluste werden rechnerisch ermittelt und zu einem kb-Wert für die betriebliche Rauheit zusammengefasst. Neben der Wandrauheit k sind insbesondere die Einzelverluste aus folgenden Einflüssen zu berücksichtigen:
- Lageungenauigkeiten und -änderungen,
- Rohrverbindungen,
- Zulauf-Formstücke,
- Schachtbauwerke in Regelausführung (gerader Durchgang),
- Schachtbauwerke in Sonderausführung (gerader Durchgang),
- Kurvenbauwerke und
- Vereinigungsbauwerke.
Hinsichtlich der Voraussetzungen und Einschränkungen bei der Anwendung des Individualkonzeptes wird auf ATV-DVWK-A 110, Abschnitt 4.4 verwiesen.
Jede Berechnung, die sich der Gleichung nach Prandtl-Colebrook bedient, bedarf der Kenntnis der äquivalenten Sandrauheit oder der natürlichen Rauheit der Innenwandung des jeweiligen Gerinnes oder Rohres. Dieses Rauheitsmaß ist vorab festzulegen, in der Regel auf der Grundlage experimenteller Daten, gegebenenfalls aber auch durch eine zutreffende Schätzung bzw. Festlegung auf Grund betrieblicher Erfahrungen. Die hydraulisch wirksame Rauheit k – auch absolute Rauheit oder äquivalente Sandrauheit ks genannt – ist ein Maß für die Unebenheit der Rohrinnenwand. Unter Rauheit versteht man nach DIN EN 752-4 den "Reibungswiderstand der Oberfläche eines Rohres (...) bei turbulenter Strömung". Sie
kann nur durch Versuche bestimmt werden und ist nicht nur vom Werkstoff,
sondern u. a. auch vom Zustand des Rohres (z. B. neu oder gebraucht, Vorhandensein einer Sielhaut, Beschichtung oder Auskleidung, Inkrustationen etc.) abhängig.
exemplarisch die Durchflussraten eines Rohres DN/ID 400 in Abhängigkeit der Wandrauheit k (0,01 mm ≤ k ≤ 0,4 mm) für verschiedene Sohlgefälle (1 bis 10 Promille) vorgestellt (andere auftretende, werkstoffunabhängige Einzelverluste, resultierend z. B. aus Lageungenauigkeiten, Rohrverbindungen, Schachtbauwerken, Zuläufen, Krümmungen etc. bleiben unberücksichtigt). Dabei wurde von folgenden Randbedingungen ausgegangen:
- Kreisquerschnitt DN/ID 400,
- kinematische Zähigkeit des Wasser: 1,002 × 10-6 m2/s (bei 20,2 °C),
- Füllhöhe: 0,20 m (Halbfüllung).
Wesentlicher Bestandteil bei der Planung von Abwasserleitungen und -kanälen ist die hydraulische Bemessung und damit der Nachweis des ablagerungsfreien Betriebs. Dieser kann insbesondere durch die Einhaltung entsprechender Grenzgrößen wie Sohlgefälle, Fließgeschwindigkeit, Wandschubspannung sowie die Wahl des Abflussquerschnittes (Rohrnennweite und -geometrie) beeinflusst werden. Vor allem das Sohlgefälle sowie die sich daraus ergebende Fließgeschwindigkeit und Wandschubspannung haben entscheidenden Einfluss auf das Entstehen von Ablagerungen. Bei zu großem Gefälle können Rohrwerkstoffe durch Abrieb, bei zu geringem Gefälle durch die Auswirkungen erhöhter Reinigungstätigkeit beeinflusst werden.
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Dipl.-Ing. Wilhelm Niederehe, Geschäftsführer der Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e.V. (FBS)
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