Kurzrohrrelining in Edelstahl. Renovierung mit Quick Lock-Manschetten

21.11.2006

Extremer Grundwassereintritt und sensible örtliche Randbedingungen führten bei der Sanierung eines Mischwassersammlers zu einer in dieser Form erstmaligen Einsatzvariante der Quick-Lock-Edelstahlmanschette.

Der Abwasserzweckverband Betzdorf-Kirchen-Daaden ist zuständig für die Entsorgung von vier Verbandsgemeinden und betreibt zu diesem Zweck etwa 95 Kilometer Transportleitungen, die das Abwasser zu der auf 75.000 Einwohnergleichwerte ausgelegten zentralen Kläranlage in Betzdorf/Wallmenroth leiten. Teil dieses Netzes ist ein 17 Kilometer langer Mischwassersammler aus Stahlbeton- und Asbestzementrohren.
Unerklärliches Schadensbild
Auf einer Länge von etwa 10 Kilometern weist dieser etwa 20 Jahre alte Sammler ein außergewöhnliches Schadensbild auf: Insbesondere bei den Asbestzementrohren hat sich eine im Durchschnitt etwa 2 cm tiefe und 1,5 cm breite Rille gebildet, die sich wie eingefräst durch die Sohle zieht. "Die Ursache für diesen Schaden ist, trotz umfangreicher Nachforschungen und wissenschaftlicher Untersuchungen, ein bis heute ungeklärtes Phänomen und wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben," erläutert Jürgen Neitzert vom Abwasserzweckverband. Vermutet wird die Einleitung eines hoch aggressiven Mediums, Zusammensetzung und Herkunft lassen sich jedoch nicht mehr ermitteln.
In den Jahren 2000 bis 2002 wurden etwa 3,2 Kilometer des Sammlers in den Nennweiten zwischen DN 300 und DN 500 mit PEHD-Kurzrohren saniert. Im September dieses Jahres stand nun in Alsdorf ein besonders kritischer Abschnitt zur Sanierung an. Das 225 Meter lange Teilstück mit den Durchmessern DN 700 und DN 800 verläuft im Tal und teilweise unter dem Bett des Flusses Heller. Im Rahmen der Zustandserfassung wurde im Oktober 2005 bei der Kamerabefahrung festgestellt, dass in diesem Abschnitt die Rille in der Sohle der Asbestzementrohre an mehreren Stellen zu Löchern im Rohr geführt hatte, die den ungehinderten Blick auf die Rohrbettung frei gaben. Das etwa 3 Meter hoch anstehende Grundwasser führte zu einem massiven Fremdwassereintrag. Das Inspektionsvideo zeigt regelrechte Springbrunnenkaskaden mit armdicken, teilweise bis zu 60 cm hoch sprudelnden Fontainen. Vorsichtige Ermittlungen des Abwasserzweckverbandes ergaben auf diesen 225 Metern Kanal einen Fremdwasserzulauf von etwa 15 l/sec oder rund 1300 Kubikmeter pro Tag.
Die Schächte befinden sich dem gegenüber in gutem Zustand und sind dicht. Im Januar 2006 wurde dieser Abschnitt zur Sanierung ausgeschrieben, wobei innovative Sanierungsvorschläge ausdrücklich gewünscht wurden. Eine CD mit dem Inspektionsvideo wurde den Ausschreibungsunterlagen beigefügt, um keine Missverständnisse über die Randbedingungen der Maßnahme aufkommen zu lassen.
Sensibles Umfeld
Zu diesen Randbedingungen gehört auch das sensible Umfeld: Der Kanal liegt zum großen Teil in der befestigten und bewachsenen Uferböschung. Baugruben in dem seit 20 Jahren ungestörten Boden hätten zu einer deutlichen Schwächung dieses empfindlichen und häufig dem Wasser ausgesetzten Uferbereiches geführt.

Die Ausschreibung ergab Sanierungsvorschläge im Rohrrelining mit PEHD-Rohren, mit denen der Abwasserzweckverband bei der schon erwähnten Sanierung eines anderen Sammlerabschnittes gute Erfahrungen gemacht hatte. Der Nachteil: Bei dem anstehenden Projekt mit den Nennweiten DN 700 und DN 800 wären die entsprechenden Kurzrohre nicht mehr über die vorhandenen Schächte in den Kanal einzubringen gewesen. Baugruben wären unvermeidlich gewesen, mit dem entsprechenden Einsatz von Maschinen und Gerät.
Sanfte Sanierung
Als Alternative hierzu schlug die Firma Kanalservice Gebr. Dineiger aus Wahlrod eine Vollauskleidung des Sammlers mit insgesamt 450 Quick-Lock-Edelstahlmanschetten, des Systemanbieters Uhrig vor.

Das Unternehmen der Gebr. Dineiger beschäftigt 30 Mitarbeiter und ist Dienstleister rund um den Kanal. Das Leistungsspektrum reicht von der Reinigung über Inspektion, Dichtheitsprüfung, Durchflussmessung, Schachtabdichtung, bis zur Sanierung mit Robotertechnik, Rohrrelining-, Kurzliner- und Quick-Lock-Verfahren.
"Da wir vom Abwasserzweckverband bereits mit der Zustandserfassung des Sammlers beauftragt waren, kannten wir uns mit den örtlichen Gegebenheiten natürlich bestens aus," schildert Eberhard Dineiger. "Darüber hinaus sind wir Quick-Lock-Anwender der ersten Stunde und verfügen somit über 10 Jahre Erfahrung mit diesem System." Beides führte dazu, dass Dineiger zusammen mit der Fa. Uhrig neben einem Sanierungsvorschlag mit HDPE-Langrohren, einem mit PEHD-Kurzrohren, zusätzlich eine Variante eines "Edelstahlliners" aus Quick-Lock-Manschetten ausarbeitete und als Alternativangebot abgab.
Obwohl dieses Angebot mit 200.000 Euro um knapp 2 Prozent teurer als die billigste HDPE-Variante war, entschied sich der Abwasserzweckverband für das Quick-Lock-Verfahren. Die Gründe hierfür lagen in erster Linie darin, dass auf Baugruben und damit verbundene Tiefbauarbeiten komplett verzichtet werden konnte. Lediglich im Abschnitt des Sammlers mit 800 mm Durchmesser wurde ein Schachtaufsatz aufgestemmt, um für die größeren Manschetten mehr Platz zu schaffen. Die 700er Manschetten wurden über die normalen Schachteinstiegsöffnungen in den Kanal eingebaut. "Da wir bei diesem Vorschlag auf den Einsatz von Maschinen und auf Tiefbauarbeiten verzichten konnten, war dies nicht nur die sanfteste, leiseste und schonendste Variante, wir konnten auch den im Vergleich zu den PE-Lösungen deutlich höheren Materialpreis zumindest teilweise kompensieren," sagt Eberhard Dineiger. Darüber hinaus war er aus der Erfahrung mit Quick-Lock von seinem Vorschlag so überzeugt, dass er anbot, die Gewährleistung bei dieser Maßnahme von fünf auf zehn Jahre zu erhöhen.
Neuland betreten
Was bei Auftragsvergabe noch nicht geklärt war, war die Frage, ob und wie der Vorschlag in der Praxis funktionieren würde, denn ein vergleichbares Projekt hatte es bis dahin nirgends gegeben.

Dabei ist Quick-Lock kein neues Verfahren. Es wurde vor etwa 11 Jahren von der Firma Uhrig Kanaltechnik aus Geisingen im Schwarzwald entwickelt. Ziel dieser war es, ein dauerhaftes, rein mechanisches partielles Sanierungssystem aus den Materialien V4A Edelstahl und EPDM-Gummi auf den Markt zu bringen. Ein wesentlicher Aspekt war dabei, dem Anwender durch den einfachen, montageartigen Versetzvorgang und die geringe Vorbehandlung des Altrohres, ein leicht und zuverlässig handelbares Sanierungssystem zu bieten.
Ein Druckluftpacker dient zum Versetzen und Einbauen der mit einer nahtlosen Kompressionsdichtung aus EPDM-Gummi ummantelten Manschetten. Die Manschette ist vorn und hinten mit einem aus drei Zahnrädern bestehenden Getriebe ausgestattet, das ein Zurückstellen der Manschette nach dem Expandieren verhindert. Dieser Mechanismus rastert im Abstand von 0,5 Millimetern und stellt so die sichere, dauerhafte, zuverlässige und rein mechanische Verspannung der Manschette im Kanal sicher.
Als partielles Sanierungsverfahren hat sich Quick-Lock - vor allem in der jüngeren Vergangenheit - immer besser etabliert. Auch das Hintereinandersetzen von mehreren Manschetten wurde bereits häufiger praktiziert. "Das komplette Auskleiden eines Sammlers auf eine Länge von 225 Metern mit  450 Manschetten in Durchmessern von 700 und 800 Millimetern war jedoch absolutes Neuland," bestätigt Mark Biesalski, Vertriebsleiter für Quick-Lock im Hause Uhrig.
Viel Muskelkraft
Die 50 Zentimeter langen Manschetten wurden per Container auf die Baustelle geliefert und ausgeladen. Da ein maschineller Transport zu den Einbauschächten aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich war, mussten alle Manschetten mit einem Einzelgewicht von immerhin 30 Kilogramm per Hand auf der Baustelle vom Lagerplatz zum Einbauort bewegt werden. Im Schacht wurde der Einbaupacker mit einer Manschette bestückt, an einem durch die Haltung verlegten Seil mit Muskelkraft zur Einbaustelle gezogen und dort von einem Mitarbeiter, der sich auf einem Rollbrett liegend in der Haltung aufhielt, millimetergenau mit einer exakt festgelegten Überlappung zur vorigen Manschette positioniert und eingebaut.
Die genaue Positionierung der einzelnen Manschetten war deshalb so wichtig, weil in dem zu sanierenden Bereich fünf Zuläufe in den Sammler münden. Fünf Manschetten waren mit entsprechenden Öffnungen versehen. Alle fünf Zuläufe konnten millimetergenau und dicht eingebunden werden - ein ausgezeichnetes Zeugnis für die Arbeit der Sanierungsmannschaft. Um die Kompression der Gummidichtung über den gesamten Manschettenumfang und damit die Dichtheit des Systems zu gewährleisten, wurde die Rille in der Rohrsohle im Bereich der Überlappung der Manschetten mit einem Edelstahlblech abgedeckt.
Unglaubliche Einbauleistung
Trotz zehnjähriger Erfahrung mit dem Einbau von Quick-Lock-Manschetten, für einen Einsatz dieser Art lagen auch für die Brüder Dineiger kaum praktische Erkenntnisse vor. "Unter der Voraussetzung, dass alles optimal klappt, kalkulierten wir eine Arbeitszeit von 10 Tagen," schildert Eberhard Dineiger. "Die Koordination der einzelnen Arbeitsschritte und die Zusammenarbeit der Mannschaft auf der Baustelle haben dann jedoch so phantastisch funktioniert, dass wir am 15. September um 20.45 Uhr nach sechs Arbeitstagen erschöpft aber glücklich und noch vor dem aufziehenden schlechteren Wetter fertig waren." 106 Manschetten wurden am letzten Tag eingebaut. "So eine unglaubliche Versetzleistung hat es vorher selbst von der Firma Uhrig, die ja als Systemanbieter auch selbst Manschetten einbaut, noch nie gegeben," unterstreicht Mark Biesalski die Besonderheit dieses Rekordergebnisses.
Jürgen Neitzert warnt jedoch davor, solche Zahlen zu verallgemeinern und zum Maßstab zu nehmen. "Ich habe selten eine Baustelle gesehen, auf der die Leute mit so einem Elan, mit Engagement und mit einem unglaublichen Teamgeist gearbeitet haben. Das ging weit über das Maß hinaus, was man normalerweise voraussetzen kann. Und dies hat sicher - neben intensiver Arbeitsvorbereitung und ausgefeilter Logistik auf der Baustelle -  diese Leistung überhaupt erst möglich gemacht," betont Neitzert.
Überzeugendes Ergebnis
Das Sanierungsergebnis hat unter der Schnelligkeit nicht gelitten. Die abschließende Kamerabefahrung ergab ein fehlerloses Bild: "Der abgesperrte Kanal war trotz des drückenden Grundwassers völlig trocken. Die Einbindung der Anschlüsse war vorbildlich und dicht und das Gesamtbild dieser Sanierung ist absolut überzeugend," lobt Jürgen Neitzert den Ausgang dieser Maßnahme, der man durchaus Pilotcharakter zumessen kann. Für Mark Biesalski ist und bleibt Quick-Lock zwar nach wie vor in erster Linie ein partielles Sanierungsverfahren.
"Der erfolgreiche Abschluss dieses Projektes hat uns jedoch gezeigt, dass bei entsprechend schwierigen Randbedingungen Quick-Lock im Vergleich zu anderen Relingverfahren eine durchaus wettbewerbsfähige Alternative mit hohem Qualitätsanspruch bieten kann," ergänzt Eberhard Dineiger, der gute Chancen sieht, bei weiteren Projekten mit dem Kurzrohrrelining in Edelstahl zum Zuge zu kommen.

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