„Qualität ist alternativlos“

15.07.2022

Die unterirdische Infrastruktur durch Qualität schützen

von Dr.-Ing. Marco Künster

Energiewende, Digitalisierung und Klimaanpassung gehören aktuell zu den erklärten Aufgaben unserer Gesellschaft. Der hierfür erforderliche Ausbau und Erhalt unterirdischer Infrastrukturen muss von unserer Branche trotz eines massiven Fachkräftemangels zeitnah und zugleich nachhaltig geschultert werden. Dieser Kraftakt wird durch die Corona-Pandemie, massive Preissteigerungen und Lieferengpässe infolge des Krieges in der Ukraine noch zusätzlich erschwert.

Schwierige Marktverschiebungen

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine treffen auch die Baustellen hierzulande. Gravierende Materialpreissteigerungen und drohende Lieferschwierigkeiten sind die Folge. Bereits jetzt ist ein signifikanter Anstieg der Preise bei einigen Bauproduktgruppen zu beobachten. Dies kann für Unternehmen existenzielle Folgen haben, wenn in laufenden Verträgen massive Preissteigerungen nicht weitergereicht werden können. Diese krisenhafte Zuspitzung schließt sich nahtlos an zwei Jahre einer pandemiebedingten Baustellenorganisation im Ausnahmezustand an. Kommunikation auf Distanz, veränderte Organisationsabläufe im Arbeitsalltag und die Umsetzung Corona konformer Arbeitsschutzstandards und Hygienekonzepte haben viel Zeit am Rande des substanziellen Baugeschehens gebunden.

Hierbei handelt es sich – das hoffen wir alle – um zeitlich begrenzte Hürden. Nun müssen wir dafür Sorge tragen, dass die aktuellen Geschehnisse uns nicht auf unserer Langstrecken-Disziplin ausbremsen, die Energiewende umzusetzen und dem Klimawandel mit baulichen Anpassungsmaßnahmen zu begegnen. Denn es liegt in unserer Verantwortung, der Überlastung der Kanalinfrastruktur infolge von Extremwetterlagen proaktiv entgegenzutreten, um Menschen vor urbanen Sturzfluten und Hochwasserkatastrophen zu schützen. Die hierfür erforderlichen Fachkräfte in unsere Branche zu bringen und zu halten, ist dabei von ebenso existenzieller Bedeutung. Denn leider sind Fachkräfte und qualifizierte Mitarbeiter immer schwerer zu rekrutieren – eine ernst zu nehmende Entwicklung, die den Gesamtumfang der künftigen Bautätigkeit zu limitieren droht.

Schock sitzt tief

Insbesondere die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat Kommunen und Netzbetreibern deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, Vorkehrungen gegen Extremwetterereignisse zu treffen. Gewaltige Wassermassen, die sich ihren Weg durch Ortschaften bahnen und dabei Menschen, Autos und sogar Häuser mitreißen – noch lange werden uns diese Bilder aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen beschäftigen.

Nicht nur der Schock infolge der Flutkatastrophe, bei der in Deutschland 181 Menschen ums Leben kamen, wirkt nach. Angesichts entstandener Schäden von geschätzt mehr als 29 Milliarden Euro wird auch der Wiederaufbau der Privathäuser und der öffentlichen Infrastruktur noch sehr lange Zeit in Anspruch nehmen.

Herausforderungen durch Wetterextreme

Noch nie ist laut der 1881 begonnenen, systematischen Wetteraufzeichnungen in Deutschland an einem Tag so viel Regen gefallen wie im Juli in der Ahr- und Erft- Region: Als Spitzenwert wurden 93 Liter Wasser pro Quadratmeter gemessen. Für derartige Niederschlagsextreme ist die Kanalisation nicht ausgelegt – zumal auch die Böden in den betroffenen Regionen nach vorangegangenem Dauerregen kein Wasser mehr aufnehmen konnten.

Umso drängender stellt sich die Frage, wie in Zukunft Vorsorge getroffen werden kann. Laut einer Studie der World Weather Attribution sind die extremen Starkregenfälle vom Juli und die damit verbundenen Hochwasserschäden mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine Folge des Klimawandels. Schon heute sei es zu beobachten, dass sich die Intensität extremer Niederschläge in einigen westeuropäischen Regionen, darunter auch um die Flüsse Ahr und Erft, sowie der Region um den Fluss Maas in Belgien zwischen 3 und 19 Prozent erhöht habe.

Wir müssen Vorsorge treffen

Nun gilt es auch die Trinkwasserver- und die Abwasserentsorgung an die Folgen eines wahrscheinlich anthropogenen Klimawandels anzupassen. In den Krisengebieten der Flutkatastrophe ist die unterirdische Infrastruktur zerstört, ihr Wiederaufbau ist der nächste wichtige Schritt. Dabei wird es aber auch darum gehen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Insgesamt ist ein Wiederaufbau in der Region nur sinnvoll, wenn dort gleichzeitig zusätzliche Retentionskapazitäten geschaffen werden, die solche extremen Niederschläge aufnehmen können.

Darüber hinaus stehen Kommunen und Netzbetreiber allerorts vor der Herausforderung, den Aspekt einer gesteigerten Wassersensibilität in die Prozesse des Planens und Bauens zu integrieren, um die Klimaresilienz der Netze zu verbessern. Aber ein weiterer Aspekt ist an dieser Stelle von zentraler Bedeutung: Qualität!

Denn eine qualitätsgerechte Ausführung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass Kanäle über den geplanten Abschreibungszeitraum genutzt werden können. Ein vorzeitiges Versagen der Bauwerke würde eine zusätzliche finanzielle Belastung der Kommunen zur Folge haben. Aber frühzeitiger Sanierungsbedarf bedeutet vor allem auch eine weitere Strapazierung der prekären Fachkräftesituation der Branche.

Nur mit regelkonformer Planung und Ausführung nach dem aktuellen Stand der Technik können unsere knappen Ressourcen effizient eingesetzt werden. Fachkräfte müssen sodann nicht mehrfach bei einem Projekt tätig werden, sondern sie können dort eingesetzt werden, wo sie dringend gebraucht werden: für neue Baumaßnahmen.

Kurzum: Die Qualität bei Ausschreibung, Ausführung und Bauüberwachung ist maßgebend für die Wirtschaftlichkeit entsprechender Investitionen und die Reichweite unserer begrenzten Ressourcen. In Bezug auf die dazu notwendigen Baupartner gibt zum Beispiel das Gütezeichen RAL-GZ 961 Auftraggebern eine Orientierung, denn es dokumentiert Fachkunde, technische Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Gütezeicheninhabers. Das gilt für ausschreibende und bauüberwachenden Ingenieurbüros genauso wie für ausführende Unternehmen.

Fachkräfte dringend gesucht

Eines der drängendsten Probleme der Branche ist der Fachkräftemangel, Tendenz steigend. Seit Jahren herrscht trotz der hohen gesellschaftlichen Relevanz der Tätigkeit im Tief- und Kanalbau Fachkräftemangel. Hier stehen qualifizierte Fachkräfte oder Ingenieure mit entsprechender Berufserfahrung nicht mehr in ausreichender Anzahl zur Verfügung. Der demographische Wandel wird diese Situation in Zukunft vermutlich noch verschärfen. Somit ist die Leistungsfähigkeit der Branche im Besonderen und der gesamten Bauwirtschaft im Allgemeinen gefährdet.

Dies bestätigt ein Blick in den zuletzt vorgelegten DIHK-Report Fachkräfte 2021 „Fachkräfteengpässe schon über Vorkrisenniveau“. Hier ist nachzulesen, dass in der Bauwirtschaft insgesamt und in einzelnen Teilbereichen des Baus wie zum Beispiel dem Ausbaugewerbe (72 %) und dem Tiefbau (67 %), aber gleichermaßen in Architektur- und Ingenieurbüros (58 %), die Personalprobleme besonders stark ausgeprägt sind. Viele private wie öffentliche Bauvorhaben und nicht zuletzt die Erweiterung und Modernisierung der öffentlichen Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur könnten – so der Report – damit ausgebremst werden, selbst wenn die Finanzierung für solche Vorhaben gesichert sei.

Personalknappheit in der öffentlichen Verwaltung mit Blick auf nötige Genehmigungsverfahren sowie Materialknappheit seien weitere Hürden in diesem Kontext. Somit ist eine gezielte Fachkräfteakquise von zentraler Bedeutung. In Anbetracht der anstehenden Infrastrukturerweiterungen und -instandsetzungen ist eine Stellenbesetzung mit adäquat qualifizierten Mitarbeitern derzeit eine der wichtigsten Aufgaben.

Qualität zahlt sich aus

Im Zuge dieser Entwicklung entstehen Engpässe, die dringend notwendige infrastrukturelle Baumaßnahmen verzögern. In dieser angespannten Situation sind Unternehmen und Behörden zunehmend gezwungen, Berufseinsteiger bzw. Quereinsteiger auf die Anforderungen des Berufsalltags selbst vorzubereiten. Gleichzeitig stehen Kommunen in der Verantwortung, den Zustand ihrer unterirdischen Infrastruktur im Auge zu behalten. Gerade in Zeiten knapper Haushaltskassen ist dabei die Auswahl von geeigneten Baupartnern, die bei der Ausführung auch die geforderten Qualitätsstandards umsetzen, wichtiger denn je: Denn Qualität war immer schon viel wert, heute ist sie unerlässlich.

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