Umfrage zum Zustand der Straßenablaufsysteme in Deutschland (Teil 1)

18.05.2009

Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts werden in Deutschland planmäßig Abwasseranlagen nach den jeweils in Betracht kommenden Regeln der Technik errichtet und betrieben. Sie dienen im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes der Abwasserableitung, d.h. dem Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwässern. Den volkswirtschaftlich wichtigsten Part nehmen dabei die Entwässerungssysteme, d.h. "die Anlagen zur Sammlung und Fortleitung von Abwasser in Form von Schmutz- und/oder Regenwasser" ein. Sie umfassen nach DIN EN 752 [1] den Bereich, wo das Abwasser ein Gebäude bzw. eine Dachentwässerung verlässt oder in einen Straßenablauf fließt, bis zu dem Punkt, wo das Abwasser in eine Behandlungsanlage oder einen Vorfluter eingeleitet wird. Nach dieser Definition besteht ein Entwässerungssystem aus drei Teilbereichen und zwar aus dem Entwässerungsnetz, der Grundstücksentwässerung und der Straßenentwässerung.

Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen ist die Straßenentwässerung in Form der Straßenablaufsysteme, bestehend aus Straßenablauf und Anschlusskanal. Sie dienen zur Aufnahme des von befestigten Flächen abfließenden Oberflächenwassers (Straßenabfluss) und zu dessen Ableitung in den Abwasserkanal (s. Bild 1). Darüber hinaus haben Straßenabläufe die Aufgabe, mit dem Straßenabfluss zugeführte grobe Feststoffe zurückzuhalten und auf diesem Wege quasi eine gewisse Vorreinigung des Straßenabflusses vor seiner Ableitung in das Kanalnetz vorzunehmen.
Gegenwärtig existieren noch keine speziellen Strategien sowie Anforderungen und Richtlinien für die Instandhaltung von Straßenablaufsystemen. Diese sind in den für Entwässerungssysteme gültigen Gesetzen/Vorschriften sowie Normen und Regelwerken bisher nicht explizit berücksichtigt worden. Erst wenn es zu so gravierenden Schäden gekommen ist, die zum Ausfall bzw. Versagen des Straßenablaufsystems mit an der Oberfläche sichtbaren Auswirkungen auf den Abwasserkanal, die Umwelt oder den Verkehr bzw. Überflutungen angrenzender Keller führen bzw. geführt haben, werden kostspielige und in der Regel wenig nachhaltige Sofortmaßnahmen nach der Feuerwehrstrategie eingeleitet.
Diese Vorgehensweise bzw. die Vernachlässigung der Straßenablaufsysteme widerspricht der in DIN EN 752 [1] geforderten ganzheitlichen Instandhaltung unserer Entwässerungssysteme. Damit besteht die Gefahr, dass sich die durch die Sanierung der Kanalisationen und der Gründstücksentwässerungen behobenen Schäden und technischen, ökologischen und ökonomischen Schadensfolgen auf die defekten Straßenablaufsysteme verlagern. Damit würden alle zur Zeit und in Zukunft mit hohem finanziellen Aufwand betriebenen Anstrengungen zur Verbesserung des Zustandes der Entwässerungssysteme oftmals ad absurdum geführt werden.
Aus diesem Grund wurde von den Autoren eine bundesweite Umfrage zum Zustand der Straßenablaufsysteme realisiert, deren Ergebnisse in zwei Teilen vorgestellt werden. Im ersten Teil werden die Vorgehensweise bei der Umfrage, die Datenbasis sowie die bauspezifischen Kennzahlen vorgestellt. Der zweite Teil umfasst die Ergebnisse der Fragenkomplexe Inspektion, Dichtheitsprüfung, Sanierungsbedarf und –kosten.
1 Vorgehensweise
Die bundesweite Umfrageaktion zur Ermittlung des Status quo über den aktuellen Zustand, den Bau, Unterhalt und Betrieb sowie die Sanierung von Straßenablaufsystemen erfolgte in Anlehnung an die regelmäßig seit 1984/85, zuletzt im Jahr 2004, von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) durchgeführten Umfragen zum Zustand der öffentlichen Abwasserkanäle, Schächte sowie der privaten Grundstücksentwässerungsanlagen [2]. Die DWA verfolgt mit Ihren Befragungen das Ziel, Daten und Informationen über den Zustand der Kanalisation in Deutschland zu erhalten und Aussagen zum Investitionsbedarf in diesem besonders kostenintensiven Bereich der Abwasserentsorgung treffen zu können. Gleichzeitig sollen auf diese Weise auch technische Entwicklungen wie Bau- und Sanierungsverfahren aufgezeigt und dokumentiert werden. Bei diesen Befragungen wurden die Straßenablaufsysteme bisher nicht erfasst und berücksichtigt, so dass keine diesbezüglichen Informationen vorliegen.
Für die Umfrage wurden bundesweit nach statistischen Gesichtspunkten ausgewählte Kommunen und Netzbetreiber auf dem Postweg angeschrieben. Bei ihrer Auswahl wurde sowohl auf die ausgewogene Verteilung in Bezug auf die Bundesländer, als auch auf die Größenklassen, bezogen auf die Einwohnerzahlen, geachtet.
Der Fragebogen gliederte sich in folgende fünf Abschnitte:
  • Allgemeine Angaben zum Entwässerungsnetz
  • Allgemeine Angaben zu den Straßenabläufen
  • Reinigung der Straßenabläufe
  • Inspektion der Straßenabläufe
  • Sanierung der Straßenabläufe
Die Fragen des ersten und zweiten Abschnittes bezogen sich auf das Entwässerungsnetz und die Straßenablaufsysteme im Allgemeinen, die Fragen des dritten Abschnittes zielten auf die Reinigung im weitesten Sinne ab. Der vierte Abschnitt behandelte den Bereich Inspektion, wozu neben den Inspektionsverfahren und –techniken auch die auftretenden Schadensarten in Straßenablaufsystemen abgefragt wurden. Im fünften Abschnitt wurde hinterfragt, in welchem Umfang die Sanierung von Straßenablaufsystemen betrieben wird, welche Erfahrungen ggf. bisher gewonnen wurden und welche finanziellen und sonstigen Randbedingungen aus Betreibersicht zu beachten sind.
2 Datenbasis
Die Umfrage fand im Zeitraum Juni bis Dezember 2006 statt. Die Beteiligung bei dieser Art von Umfragen ist erfahrungsgemäß stark abhängig von dem Aufwand, den die Kommunen mit der Bearbeitung haben. Zum Teil ist es insbesondere den kleinen bzw. ländlichen Kommunen nicht möglich, die geforderten Angaben zu machen, da die Daten häufig nicht digital vorliegen.
Bei dieser Umfrage wurden insgesamt 180 Kommunen aus dem gesamten Bundesgebiet angeschrieben, von denen 50 Netzbetreiber auf die gestellten Fragen geantwortet haben. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 27,8%.
Im Bild 2 ist die Verteilung der beteiligten Kommunen auf die einzelnen Bundesländer dargestellt. Der überwiegende Anteil stammt mit 66% aus Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Niedersachsen und Bayern mit jeweils 8%. Die Größenklasse GK 4 (100.000 – 500.000 Einwohner) ist mit 38% am stärksten vertreten (s. Bild 3). Die Hansestadt Hamburg stellt mit einer Netzlänge von 5.400 km und einer Einzugsgebietsfläche von 75.600 ha die größte und die Stadt Billerbeck mit einer Netzlänge von 72 km und einer Einzugsgebietsfläche von 800 ha die kleinste Kommune dar.
Werden die Einwohnerzahlen aller Rückläufer aufsummiert, so zeigt sich, dass die Umfrage insgesamt 19,86 Mio. Einwohner abdeckt. Diese repräsentieren ca. 24,1% der Bundesbevölkerung (etwa 82,5 Mio. Einwohner). Insgesamt wurden durch die Umfrage 41.922 km Kanalnetzlänge erfasst (s. Tabelle 1). Dies entspricht nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (SB) 8,6% der gesamten Kanalisation in Deutschland. Verglichen mit dem erfassten Kanalnetz der DWA-Umfrage 2004 [2, 3] liegt die hier aufgenommene Netzlänge bei etwa 50%.
Im Bild 4 ist die Verteilung der Entwässerungssysteme der beteiligten Kommunen dargestellt. Demnach bestehen 53% der Kanalnetze aus Mischwasserkanälen, 24% aus Schmutzwasserkanälen und 23% aus Regenwasserkanälen. Diese Zahlen decken sich in etwa mit denen der DWA-Umfrage 2004 [2].
Bild 5 zeigt die prozentuale Verteilung der Längen der Entwässerungsnetze auf die beteiligten Kommunen. Hieraus lässt sich ersehen, dass ca. 44% der Kommunen ein Kanalnetz von mehr als 600 km Länge betreiben. Den geringsten Anteil machen mit jeweils 4% die Kommunen mit Netzlängen < 100 km sowie zwischen 400 km und 500 km aus.
2.1 Allgemeine Angaben zu den Straßenabläufen
Die Fragen bezüglich Anzahl, Typen-, Werkstoff- und Altersverteilung der Straßenablaufsysteme beantworteten 47 der 50 der beteiligten Kommunen. Dies entspricht etwa einem Anteil von 94%.
2.1.1 Gesamtzahl der Straßenabläufe
Die Anzahl der Straßenabläufe in den erfassten Entwässerungsnetzen schwankt in Abhängigkeit von einer Vielzahl von Einflussfaktoren, wie beispielsweise Netzlänge, Entwässerungsverfahren oder Flächennutzung, zwischen 2.020 und 160.000 (s. Bild 6). Dabei kann festgestellt werden, dass ca. 72% der befragten Kommunen mehr als 10.000 Straßenabläufe in ihrem Kanalnetz betreiben.
Zum Vergleich dieser Daten ist in Tabelle 2 die Anzahl der Schachtbauwerke bzw. Schächte gegenübergestellt, welche im Rahmen einer Umfrage von Falk et. al. [4] ermittelt wurde. Die Schachtanzahl von ca. 11,5 Mio. basiert auf einer Hochrechnung auf die Netzlänge der Misch-, Schmutz- und Regenwasserkanäle, während bei der Ermittlung der Anzahl der Straßenabläufe konstruktionsbedingt nur die Länge der Misch- und Regenwasserkanäle berücksichtigt wurde.
Insgesamt wurden durch die Umfrage bei den 50 befragten Kommunen 1.465.804 Straßenabläufe erfasst. Im Durchschnitt sind im Abstand von ca. 44 m Kanallänge im Straßenquerschnitt zwei Straßenabläufe (einer auf jeder Straßenseite) installiert. Bezogen auf die Gesamtlänge der öffentlichen Misch- und Regenwasserkanäle von 331.531 km gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamtes [3] und unter Zugrundelegung des oben aufgeführten mittleren Straßenablaufabstandes von 44 m, kann die Gesamtzahl der Straßenabläufe in öffentlichen Verkehrsflächen der Bundesrepublik Deutschland auf ca. 15,2 Mio. geschätzt werden.
2.1.2 Länge der Anschlusskanäle
Die Länge der in der Kanalhaltung einbindenden und zur Ableitung des Straßenabflusses dienenden Anschlusskanäle schwankt zwischen 2,5 und größer 10,0 m (s. Bild 7).
Bei mehr als 86% der Kommunen weisen die Anschlusskanäle eine Länge von 2,50 m bis 5,0 m. Die mittlere Länge eines Anschlusskanals beträgt daher ca. 4,90 m.
Bei der durch die Umfrage erfassten Anzahl von 1.465.804 Straßenabläufen und einer mittleren Länge eines Anschlusskanals von 4,90 m beträgt die theoretische Gesamtlänge der Anschlusskanäle in den Entwässerungsnetzen der beteiligten Kommunen etwa 7.200 km. Bezogen auf die erfasste Netzlänge von 41.922 km liegt der Anteil bei 17,17%. Übertragen auf ganz Deutschland umfasst damit die Länge der Anschlusskanäle etwa 1/5 der Länge der öffentlichen Kanalisation (s. Tabelle 3).
2.1.3 Installierte Straßenablauftypen
Straßenabläufe sind in DIN 4052 [5] genormt. Danach werden in Abhängigkeit ihrer Wirkungsweise zwei Arten von Straßenabläufen unterschieden (s. Bild 8):
  • Straßenabläufe mit Bodenauslauf, auch Trockensystem oder Straßenablauf für Trockenschlamm [6] genannt, und nachfolgend mit der Kurzform SB bezeichnet (s. Bild 8 a und b).
  • Straßenabläufe mit Schlammraum, auch Nasssystem oder Straßenablauf für Nassschlamm [6] genannt und nachfolgend mit der Kurzform SS bezeichnet (s. Bild 8 c und d).
Bild 9 zeigt die Verteilung der bisher installierten Straßenablauftypen. Dabei nimmt der Straßenablauf mit Bodenauslauf (SB) (s. Bilder 7a und 7b) mit 61% fast 2/3 der Straßenabläufe ein. Der Anteil der Straßenabläufe mit Schlammraum (SS) (s. Bilder 7c und 7d) beträgt 39%.
2.1.4 Werkstoff- und Altersverteilung der Straßenabläufe
Die Mehrheit der Straßenabläufe der Entwässerungsnetze der beteiligten Kommunen besteht laut Umfrageergebnis aus Beton (85,8%), gefolgt von Straßenabläufen aus Steinzeug (9,2%). Straßenabläufe aus sonstigen Werkstoffen (4,7%) und insbesondere aus Kunststoff (0,3%) spielen eine untergeordnete Rolle (s. Bild 10).
Bild 11 zeigt die Altersverteilung der Straßenabläufe. Zu 45% der erfassten Straßenabläufe konnte durch die befragten Kommunen keine Angabe bezüglich des Alters gemacht werden. Bei den restlichen Straßenabläufen ist der Großteil (45,4%) zwischen 0 und 50 Jahre alt. Rund 7,6% der Straßenabläufe besitzen ein Alter von 51 bis 75 Jahren und lediglich 0,3% sind älter als 100 Jahre. Aus den Angaben zur Altersverteilung lässt sich abschätzen, dass das Durchschnittsalter der Straßenabläufe in den Entwässerungsnetzen der beteiligten Kommunen ungefähr bei 34 Jahren liegt.
Im Bild 12 ist zum Vergleich die Altersverteilung der Straßenabläufe und der Kanalisationen gemäß DWA-Umfrage von 2004 gegenübergestellt. Circa 1/3 der vorhandenen Kanäle wurden in den letzten 25 Jahren neu gebaut, wohingegen der Anteil der neu erbauten Straßenabläufe in diesem Zeitraum bei nur 20% liegt. Die Anzahl der Straßenabläufe, deren Baujahr nicht bekannt ist, liegt bei 45% und ist im Vergleich zum Unbekanntheitsgrad der Baujahre der Kanäle (9%) sehr hoch.

4 Literatur
[1] DIN EN 752-1 (1996): Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden: Allgemeines und Definitionen, Beuth Verlag, Berlin.
[2] Berger, C.; Lohaus, J.: Zustand der Kanalisation in Deutschland – Ergebnisse der DWA-Umfrage 2004, Hennef (2004).
[3] Statistisches Bundesamt: Öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung 1998, Umwelt, Fachserie 19, Reihe 2.1, Verlag Metzler und Pöschel, Stuttgart, 2001.
[4] Falk, Ch., Weidemann, S.: Zustand, Sanierungsbedarf und Sanierungsmöglichkeiten der Einsteigschächte in kommunalen Entwässerungsnetzen; Ergebnisse einer im Auftrag der Elastogran GmbH, Lemförde durchgeführten Umfrage, September, 2004.
[5] DIN 4052 (2006): Betonteile und Eimer für Straßenabläufe; Teil 1: Bauart und Einbau; Teil 2: Zusammenstellungen und Bezeichnungen; Teil 3: Betonteile; Teil 4: Eimer, Beuth Verlag, Berlin.
[6] RAS-Ew (2005): Richtlinien für die Anlage von Straßen (RAS), Teil : Entwässerung (RAS-Ew), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Köln.
[7] Stein, R. (2008): Auswirkungen optimierter Straßenabläufe auf Feststoffeinträge in Kanalisationen, Dissertation, RWTH-Aachen.

Fortsetzung folgt.

Kontakt

S & P Consult GmbH

44801 Bochum

Telefon:

+49 234 5167 0

Fax:

+49 234 5167 109

E-Mail:

office@stein.de

Internet:

Zur Webseite