Zukunft der Abwasserentsorgung aus kommunaler Sicht

11.06.2008

Daten der Abwasserentsorgung PfarrkirchensDamit Sie sich eine Vorstellung über unsere Abwasserwerke (Eigenbetrieb) in Pfarrkirchen machen können: Pfarrkirchen hat knapp 13.000 Einwohner. Das Kanalnetz ist 130 km lang. Die Kläranlage hat 68.000 Einwohnergleichwerte. Jährlich fallen ca. 2.000 cbm Klärschlamm mit einer Trockensubstanz von 27 - 30 TS an (Kammerfilterpresse, Polymere). Wir können unseren Klärschlamm noch landwirtschaftlich ausbringen.

Die Leistungsfähigkeit der Anlage liegt bei 1.020 cbm/h. Sie ist ein Eigenbetrieb der Stadt Pfarrkirchen. Die Investitionen der letzten 12 Jahre betrugen 18,1 Mio. Euro. Der Schuldenstand beträgt 7,57 Mio. Euro. Die Abwassergebühr liegt bei 2,30 €/m3 für den Haushalt, keine Grundgebühr. Personal: 9 Vollzeit-Beschäftigte.
Privatisierung kommunaler Abwasserbeseitigung
Die Wasserwirtschaft ist eine öffentliche Aufgabe und in diesen Zusammenhang gehört die Abwasserbeseitigung zu den wichtigsten Pflichtaufgaben der Kommunen zum Wohl der Allgemeinheit.
In diesem Zusammenhang spielen auch die Diskussionen um die Themen Liberalisierung und Privatisierung eine große Rolle.
Hier steht die Ansicht der Privatisierungsbefürworter, dass ein Einstieg der Privaten in die Abwasserentsorgung zu Wettbewerb und letztlich zu einer Kostensenkung führen würde, der Ansicht der Privatisierungsgegner gegenüber, nämlich: wird die Abwasserbeseitigung von privaten Unternehmen übernommen, so kann das für die Gebührenzahler eine Mehrbelastung bedeuten. Neben den steuerlichen Auswirkungen werden die Gewinnmaximierung der Privaten und der Verlust günstiger Finanzierungsmöglichkeiten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die zu einer Mehrbelastung führen, ins Feld geführt.
Wir müssen jedoch unterscheiden zwischen materieller und formeller Privatisierung.
  • Von einer materiellen Privatisierung oder Aufgabenprivatisierung wird dann gesprochen, wenn eine Kommune eine Aufgabe an einen privaten Dritten überträgt und in diesem Fall nicht mehr die Kommune, sondern der Dritte für die Aufgabenerledigung verantwortlich ist. In diesem Falle würde sich die Kommune vollständig von der Abwasserbehandlung zurückziehen und hätte keine Restverantwortung mehr. Würde der private Dritte die Aufgabe nicht oder nur schlecht erfüllen, wäre nicht mehr die Kommune, sondern der Dritte für die Aufgabenerledigung verantwortlich.
  • Von einer formellen Privatisierung wird gesprochen, wenn die Aufgabe und damit die Verantwortung bei der Kommune verbleibt und diese bei der Erfüllung ihrer Aufgabe einen privaten Dritten einschaltet.
Die Privatisierung wird immer wieder verwechselt mit der Liberalisierung. Im Falle einer Liberalisierung bestünde die Sorge, dass die von den Entsorgern praktizierte optimale Abwasserbehandlung zugunsten einer einseitigen wirtschaftlichen Nutzung aufgegeben wird. Ziel der Liberalisierung ist der Wettbewerb am Markt. Wettbewerb entsteht, wenn verschiedene Entsorgungsunternehmen innerhalb eines Gebietes konkurrieren.
So wird also bereits der Begriff „Privatisierung“ unterschiedlich interpretiert. Dieses Thema wird derzeit als eines der vordringlichsten wirtschaftlichen Anliegen propagiert und wenn ein Thema mit solch einer Vehemenz diskutiert wird, entsteht leicht der Verdacht, dass man von anderen Problemen ablenken will. Und deshalb bedarf es einer gründlichen Durchleuchtung des Einzelfalles, welche Entscheidung man bei welcher Aufgabe trifft.
Eines möchte ich vorweg klarstellen: Ich bin kein Privatisierungsgegner, den Sie hier möglicherweise erwarten. Mir geht es insbesondere darum, das Thema Privatisierung nicht über einen Kamm zu scheren. Der Privatisierung rede ich dann das Wort, wenn ein Privater Aufgaben tatsächlich besser und kostengünstiger bzw. preiswerter erfüllen kann, als wir Städte und Gemeinden.
Die formelle Privatisierung haben wir in unserer Stadt bereits mehrfach praktiziert. Z. B. ein Großteil unserer Grünanlagen wird durch Private gepflegt. Unsere Stadtbuslinien betreibt ein Privater, weil wir diese öffentliche Nahverkehrslinie gar nicht so effizient und preiswert betreiben könnten, wie das der Private tut. Das Gleiche gilt bei der Straßen- und Kanalreinigung.
Das sind aber Fälle, die auf unsere Stadt zugeschnitten sind; das kann in einer anderen Kommune schon wieder ganz anders sein.
Tatsache ist aber auch: wenn heute gemeindliche Aufgaben von Privaten übernommen werden bzw. wenn ein Privater eine öffentliche Aufgabe erledigt, dann kann er das nicht zum Selbstkostenpreis tun, sondern er muss dabei verdienen. Und hier stellt sich bereits die Frage: Wer bezahlt dann den Gewinn? Und die Folgefrage muss lauten: Wem dient die Privatisierung? Dem Wohle der Bürger? Oder der Erweiterung der Privatwirtschaft?
Für uns Kommunen muss das Wohl des Bürgers im Vordergrund stehen. Wenn wir z. B. bei der Privatisierung der Abwasserbeseitigung zu der Erkenntnis kommen, dass ein Privater diese Aufgabe besser und kostengünstiger und sogar noch mit Gewinn erledigen kann, ist wohl die Frage erlaubt, warum kann er dies und die Gemeinde nicht bzw. was hat die Gemeinde bisher falsch gemacht?
An erster Stelle dürfte die Personalsituation stehen. Beschäftigt der Private weniger Personal, als die Gemeinde? Bezahlt er es genauso gut?
Und zweitens: Oft wird auch von intensiverem Kostenbewusstsein und mehr Wettbewerb bei der Aufgabenerfüllung durch Private gesprochen. Alles Öffentliche wird dagegen mit den negativen Begriffen wie „Bürokratie“, „Monopol“, „Verschuldung“, „Zwang“ belegt. Diese Behauptung wird mit einer Automatik aufgestellt, als seien Funktionsmängel und Fehlsteuerungen im Privaten unmöglich.
Alle diese Gründe sind nicht stichhaltig.
  1. Handelt es sich z. B. bei den Abwassereinrichtungen um kostenrechnende Einrichtungen.
  2. Die Zuschusssituation dürfte sich beim Privaten wie bei der Kommune gleichermaßen schwierig darstellen.
  3. werden beide, Kommune und Privater, Darlehen aufnehmen müssen, deren Zins und Tilgung in die Kostenrechnung mit einfließen müssen. Die Verschuldung im Abwassersektor dürfte also den wenigsten Kämmerern Schmerzen bereiten, weil sie Betrieb und Investitionen über die Beiträge wieder finanzieren.
  4. Allenfalls ein Argument könnte noch das kostengünstigere Bauen durch Private sein. Auch hier muss aber nachgefragt werden: Warum bauen Private günstiger, als die Gemeinden? Sind es nicht HOAI und VOB, die uns ein Korsett aufzwängen, durch das uns dann Baumaßnahmen teuerer kommen, als Privaten?
Hier geht es um Waffengleichheit! Wenn wir, die Kommunen, die gleichen Instrumentarien in der Hand haben, wie die Privatwirtschaft, oder die Privatwirtschaft die gleichen Instrumentarien anwenden muss, wie die Kommunen, dann können wir ebenbürtig handeln.
Alles was Erfolg verspricht, weckt Begierde bei anderen und alles, was nicht rentierlich ist, läuft auf die Gemeinden zu.
Optimale Aufgabenerfüllung
Wir Städte und Gemeinden müssen aber auch darüber nachdenken, ob wir nicht innerhalb unserer Rathäuser andere Organisationsformen finden. Denn es gibt eine ganze Menge Ansatzpunkte in unseren Gemeinden, wirtschaftlicher zu arbeiten. Da gilt es z. B. Synergieeffekte mit anderen kommunalen Betrieben zu nutzen. Wir Pfarrkirchner betreiben unsere Kläranlage als Eigenbetrieb und so ist der Betrieb auch transparent für den Bürger. Alle Kosten und Aufwendungen für die Abwasserbeseitigung erscheinen bis in die letzte Einzelheit in den Büchern des Eigenbetriebes bzw. städtischen Unternehmens und sind von diesem selbst zu finanzieren.
Damit Umwelt, Gesundheit und der Geldbeutel der Bevölkerung gleichermaßen geschont werden, kommt es bei den kommunalen Unternehmen auf passende Organisationsstrukturen, eine kompetente Betriebsführung, transparent geregelte Verantwortungsbereiche, gesamtwirtschaftliches Denken und Weitsicht bei der Substanzerhaltung an.
Interkommunale Zusammenarbeit
Leider ziehen noch viele Kommunen einen Stacheldraht um ihre Gemeinden und sind von einer kommunalen Zusammenarbeit weiter entfernt denn je. Kleinere Unternehmen, die hier zwangsläufig an ihre personellen Grenzen stoßen, sollen in erster Linie eine verstärkte kommunale Zusammenarbeit (z. B. Betriebsführungs-Zweckverband) oder vertraglich vereinbarte Kooperationen mit anderen leistungsfähigen Kommunen suchen.
Auch eine Zusammenarbeit mit Privaten kann bei der Durchführung der kommunalen Aufgabe sinnvoll sein, wenn es um die formelle Privatisierung geht. Hier gibt es eine große Bandbreite von Möglichkeiten, von der Vergabe kontinuierlicher Leistungen in Bereichen wie Wartung, Instandhaltung und Bereitschaftsdienst über befristete Betriebsführungsverträge bis hin zum Betreibermodell. Jede Kommune muss sich gut überlegen, welche Lösung für sie die beste ist, denn die richtige Form der Zusammenarbeit ist von konkret vorliegenden Rahmenbedingungen abhängig.
Benchmarking
Vor diesem Hintergrund kommt kommunalem Benchmarking große Bedeutung zu. Zentrales Ziel ist, die Abwasserwirtschaft auf lokaler Ebene effizienter und wirtschaftlicher zu betreiben, genaue Kenntnisse über Kosten zu gewinnen, um aktuelle Diskussionen, beispielsweise zur Privatisierung, fundiert führen zu können.
Vor einigen Jahren habe ich das Thema bei der DWA-Landestagung in Bayern angestoßen und die Beteiligten aufgefordert, sich dem Benchmarking zu unterziehen. Nur wenn wir unsere Arbeit in den Anlagen transparent machen, haben wir in der Zukunft eine Chance. Es herrschte von Anfang an Einigkeit darüber, dass das Benchmarking allein der Verbesserung der lokalen Steuerung dienen soll, was zur Folge hat, dass für den Vergleich nur Kennzahlen verwendet werden, die einen steuerungsrelevanten, also beeinflussbaren Sachverhalt abbilden.
Leider hält sich die Teilnehmerzahl der am Benchmarking Beteiligten noch in sehr engen Grenzen. So gilt es m. E. schon darüber nachzudenken, ob eine Beteiligung am Benchmarking nicht mit einem gewissen Bonus bei der RZWas versehen wird; ich habe das kürzlich im Beirat der DWA angeregt.
Die Zukunft der kommunalen Abwasserentsorgung setzt unser Bestreben voraus, zielgerichtet Betriebskosten einzusparen, die Schwachstellen zu erkennen und konkrete, qualifizierbare Maßnahmen und deren Kosten und Potenziale zu identifizieren. Das Benchmarking ist hierfür ein hervorragendes Instrument. Die Rückkoppelung, d. h. der Vergleich von erwarteter und realisierter Einsparung, ist dabei ein notwendiger Schritt zur Erfolgskontrolle.
Klärschlammentsorgung
Eine weitere Stellschraube ist die Klärschlammentsorgung. Das Bundes- Umweltministerium verkündete Ende 2006 seine Neufassung der Klärschlammverordnung unter dem Motto „Ressourcen nutzen“. Bayern und Baden Württemberg gehen hier einen anderen Weg. In Bayern wird die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung gegeißelt. Das Ziel lautet: thermische Verwertung. Meines Erachtens ist dieses Ziel falsch, denn der Klärschlamm wäre ein wirkungsvoller Dünger, der zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beitragen kann, aber eben aufgrund seiner möglichen Schadstoffbelastung kontrovers diskutiert wird.
Übrigens, Klärschlamm ist nicht gleich Klärschlamm. Schlämme, welche die Voraussetzungen nicht erfüllen, dürfen auch nicht ausgebracht werden.
Meines Erachtens wäre es endlich an der Zeit, die gleichen Untersuchungsparameter bei den Düngemitteln anzusetzen, wie beim Klärschlamm. Auch stellt sich die Frage der Verbrennungskapazitäten und die Beseitigung des Restmülls, der hochkonzentriert belastet ist und dann dauerdeponiert werden muss.
Zusammenfassung
Der langfristige Schutz der Gewässer ist eine staatliche Aufgabe, zu dem die kommunalen Wasserunternehmer einen erheblichen Beitrag leisten; deshalb muss die Abwasserbehandlung eine Kernaufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Zuständigkeit der Städte und Gemeinden bleiben. Diese treffen die strategischen Entscheidungen über Organisationsformen.
Abwasser wird in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen EUStaaten mit dem höchsten EU-Reinigungsstandard behandelt.
Freiwilliges Benchmarking in der deutschen Wasserwirtschaft ist eine Erfolgsgeschichte. Die beteiligten Unternehmen erkennen und nutzen Verbesserungspotenziale, die letztendlich allen Bürgern zugute kommen.
Die kommunale Abwasserbeseitigung ist leistungsstark. Sie befindet sich in einem ständigen Modernisierungsprozess. Deshalb gilt es, die hohen Standards in den Merkmalen Sicherheit, Qualität und Nachhaltigkeit zu erhalten und weiter zu entwickeln und dabei die Preisentwicklungen weiterhin auf ihrem bisherigen niedrigen Niveau zu halten.
Eine wesentliche Voraussetzung für eine optimale Abwasserbeseitigung sind die Aus- und Fortbildung unseres Personals. Hier finden wir in der DWA unseren Partner und Lehrmeister; ergänzt durch die Abwasserwerksnachbarschaften, in denen unser Personal aus der Praxis für die Praxis lernt. Den verantwortlichen Kommunen kann ich nur empfehlen - soweit noch nicht geschehen - in dieses Boot mit einzusteigen und mit in die richtige Richtung zu rudern.
Wenn wir uns unseren Aufgaben in der Zukunft gewissenhaft stellen, dann brauchen wir uns um die kommunale Abwasserbeseitigung keine Sorgen machen.

Kontakt

Georg Riedel (1. Bürgermeister Stadt Pfarrkirchen)

84347 Pfarrkrichen

Telefon:

08561 - 306 0

Fax:

08561 - 306 35

E-Mail:

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