Hydrologen und Sozialwissenschaftler entwickeln Konzepte für nachhaltiges Wassermanagement
19.01.2009
Um eine Tasse Kaffee auf dem Frühstückstisch zu haben, müssen etwa 140 Liter Wasser eingesetzt werden, für die Erzeugung von einem Kilogramm Weizen sind es im Schnitt schon 1000 Liter, während es ein Kilogramm Käse auf rund 5000 und ein Kilogramm Rindfleisch gar auf 15000 Liter Wasser bringen. Zum Vergleich: Bei der Herstellung eines Baumwollhemds werden durchschnittlich 2700, bei einem Paar Schuhe 8400 und bei einem Mittelklasse-Auto 400 000 Liter Wasser verbraucht. Das verdeutlicht: mit zunehmendem Wohlstand steigt der Wasserbedarf. Angesichts der Wasserknappheit in vielen Regionen der Erde und einer wachsenden Weltbevölkerung ist ein nachhaltiges Wassermanagement dringend notwendig. Lösungsansätze zeigen eine Hydrologin und eine Sozialwissenschaftlerin von der Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe von "Forschung Frankfurt" zum Jahr des Planeten Erde.
Eine Ergänzung zu WaterGAP ist das neue, noch vor seiner Fertigstellung hoch begehrte globale Modell des Wasserbedarfs und der Produktion von Feldfrüchten. Es berechnet nicht nur den Wasserbedarf, der durch Bewässerungswasser (blaues Wasser) gedeckt wird, sondern auch den Anteil des Regenwassers, der durch die Verdunstung über die Pflanzenblätter verloren geht (grünes Wasser). Das Modell basiert auf einem neu entwickelten globalen Datensatz landwirtschaftlicher Anbauflächen für den Zeitraum um das Jahr 2000, der für 26 Feldfruchttypen (zum Beispiel Weizen oder Baumwolle) angibt, in welchem Monat welche Flächen unter bewässerten und nichtbewässerten Bedingungen bebaut werden.
Aufgrund dieser Modelle kann Petra Döll angeben, in welchen Regionen Wasserknappheit droht. Sie berechnet sich aus dem Verhältnis von Wasserentnahmen zu erneuerbaren Wasserressourcen. Es zeigt sich, dass nicht nur die trockenen Einzugsgebiete unter Wasserknappheit leiden, sondern auch dicht besiedelte Gebiete in wohlhabenden Ländern der humiden Klimazone. Dort führen die hohen Wasserentnahmen allerdings nicht zu einer physischen Wasserknappheit, sondern der Indikator drückt die allgemeine Belastung der natürlichen Wasserressourcen aus, da zwar ein Großteil des dort vorwiegend für Haushalte und Industrie entnommenen Wassers wieder in die Gewässer zurückfließt, jedoch in mehr oder weniger stark veränderter Qualität.
Wasserprobleme sind aber nicht nur ein Frage der örtlichen Ressourcen, sondern auch gesellschaftlich bedingt. Insofern bedarf es mehr als technischer Lösungen. "Problemzugänge müssen auch das Zusammenwirken sozialer und ökologischer Dynamiken im Blick behalten," weiß Dr. Diana Hummel vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) und Lehrbeauftragte an der Goethe Universität. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt "CuveWaters", das vom ISOE koordiniert wird, steht beispielhaft für diesen neuen integrierten, transdisziplinären Ansatz. Im Norden Namibias liegt das Cuvelai-Etosha-Basin, ein Gebiet rund sechsmal so groß wie Hessen, in dem mit etwa 800 000 Menschen fast die Hälfte der Bevölkerung Namibias lebt. Das Wasserangebot schwankt dort erheblich: Ausgeprägte Dürren oder Trockenperioden wechseln mit teilweise starken Überflutungen zum Ende der Regenzeit. Häufig sind bisher erschlossene Grundwasservorkommen zu salzhaltig, so dass Trinkwasser über ein Fernleitungssystem aus dem namibisch-angolanischen Grenzfluss Kunene entnommen wird. Damit entsteht eine Abhängigkeit von Angola und seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung.
Hohes Bevölkerungswachstum, extreme Siedlungsdichte und anhaltende Urbanisierung erschweren darüber hinaus vielfach die nachhaltige Versorgung mit Trinkwasser und sanitären Einrichtungen. Um die Lebensbedingungen im Cuvelai-Etosha-Basin zu verbessern, entwickelt das Projektteam aus insgesamt über 20 namibischen und deutschen Wissenschaftlern ein Konzept mit dem Ziel, die Wassernutzung zu optimieren und gleichzeitig die regionale Entwicklung zu fördern. Dabei sollen verstärkt lokale Wasserressourcen genutzt und die Wasserproduktivität erhört werden. Dies trägt dazu bei, die Konkurrenz um das Kunene-Wasser zu entschärfen und die Verteilung des Wassers zu optimieren.
Im ländlichen Siedlungsbereich Epyeshona soll beispielsweise künftig Regenwasser auf Dächern gesammelt werden. Andere ländliche Regionen, die nicht an die Fernwasserleitung angeschlossen sind, sollen dezentral über Grundwasser versorgt werden, das mithilfe von solarbetriebenen Anlagen entsalzt wird. Im städtischen Raum wurde für ein formal nicht genehmigtes Siedlungsgebiet, in dem bisher kaum Sanitäranlagen bestehen, ein Konzept für ein modernes Sanitärzentrum entwickelt. Hier wird Abwasser als Ressource genutzt, indem in einem anaeroben Reinigungssystem Biogas produziert und das verbleibende, gereinigte Abwasser gleichzeitig als Bewässerungswasser und als Bodennährstofflieferant genutzt wird.
Bei der Auswahl von Standorten und der Gestaltung dieser Techniken wird nicht nur naturwissenschaftlichtechnische Expertise und sozial-empirische Forschung vernetzt. Durch Workshops vor Ort werden zudem auch alle relevanten Akteure wie Bauern und Dorfbewohner sowie die lokale Administration und traditionelle Autoritäten von Anfang an einbezogen. Die Umsetzung der Maßnahmen soll in einer für 2009 anstehenden zweiten Projektphase erfolgen.
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