IG BAU wehrt sich gegen Abschaffung des Branchenmindestlohns
15.01.2022
Fatales Signal angesichts des Fachkräftemangels / Lohndumping und Ausbeutung von Zuwanderern drohen
Er ist eine lang eingeübte Praxis und hat sich über Jahrzehnte bewährt: der Branchenmindestlohn im Bauhauptgewerbe. Weil in der Branche ein großer Fachkräftemangel herrscht und es einen besonderen Anreiz braucht, um Beschäftigte für oftmals körperlich sehr belastende Tätigkeiten zu gewinnen, liegt das unterste Limit am Bau mit 12,85 Euro um knapp 34 Prozent über dem derzeitigen „Normal“-Mindestlohn (9,60 Euro). Von diesem Prinzip wollen die Bauarbeitgeber*innen nun abweichen.
In der jüngsten Verhandlungsrunde stellten sie den Branchenmindestlohn generell in Frage. Den Mindestlohn II für Facharbeiter*innen, er liegt bei 15,70 Euro, wollen sie auf jeden Fall abschaffen. „Da wird die Axt an ein Erfolgsmodell gelegt. Angesichts der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren wird sich der Arbeitskräftemangel eher noch verschärfen. Der Sinneswandel ist für mich nicht nachvollziehbar. Zudem ist es ein lupenreiner Knieschuss: Ohne Bauarbeiter*innen lässt sich auch nichts bauen und lassen sich auch keine Umsätze und damit Gewinne erzielen“, sagt der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger.
Die Abschaffung des Mindestlohns II hat aber auch noch eine ganz andere, gravierende Folge. Bauunternehmen ist es noch bis Ende des Jahres 2023 gestattet, Arbeitskräfte aus dem Westbalkan (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien) anzuwerben. „Aus diesen Staaten kommen oftmals Fachkräfte, die hierzulande mit einem 'Normallohn' in Höhe von etwas über 20 Euro bezahlt werden, da sind knapp 16 Euro Branchenmindestlohn mehr als recht und billig. Mit dieser Blockadehaltung am Tariftisch entziehen die Bauarbeitgeber einer möglichen Entfristung der Westbalkan-Regelung jegliche Grundlagen“, ist sich Feiger sicher. „Wir wissen alle, dass Zuwandererinnen und Zuwanderer viel zu oft von dubiosen Geschäftemachern um ihre Ansprüche betrogen werden. Angesichts des auf absehbare Zeit anhaltenden Baubooms ist für uns als Baugewerkschaft völlig unverständlich, dass die Arbeitgeberseite auf die erprobten Instrumente für eine faire Zuwanderung verzichten wollen.“
Die neue Ampelregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine neue Fachkräftestrategie festgelegt. Ein wichtiger Baustein darin ist die Weiterentwicklung des Einwanderungsrechts. „Deutschland ist schon seit langem ein Einwanderungsland. Ein modernes Einwanderungsrecht ist überfällig – gut abgesichert über Branchenmindestlöhne und Tarifverträge. Denn Zuwanderung darf kein Einfallstor für Lohndumping und Ausbeutung sein“, sagt der IG BAU-Chef abschließend.
Der derzeitige Mindestlohntarifvertrag in Baugewerbe lief Ende des Jahres 2021 aus. Ende Januar wird es dazu eine neue Verhandlungsrunde geben. Die Bunderegierung beabsichtigt den allgemeinen Mindestlohn Mitte des Jahres auf 12 Euro anzuheben.
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