Kanalgipfel 2021: Bedeutung der Kanalsanierungsstrategie 2030 für die Entscheidungen der Gemeinde Willstätt aus kaufmännischer Sicht
03.06.2021
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen und wirtschaftlichen Bewertung dieser langlebigen Anlagen. Der Kanalgipfel bietet eine Hilfestellung für eine detaillierte und konsistente Wertermittlung unserer Entwässerungssysteme sowie für deren Werterhalt. Bürgermeister Christian Hubner berichtet über kaufmännische Entscheidungen bei der Planung der Kanalsanierungsstrategie.
Die Gemeinde Willstätt hat die Instandhaltung des rund 100 km langen kommunalen Hauptkanalnetzes als generationenübergreifende Daueraufgabe wahrgenommen. Um für die Zukunft den Bedarf notwendiger Investitionen in dieses kostenintensive Anlagevermögen erkennen zu können und hierfür einen Korridor der künftigen Budget-Planungsgrößen zu erhalten, hat der Gemeinderat Ende 2016 beschlossen, eine auf Alterungsprognosen gestützte Sanierungsstrategie erarbeiten zu lassen.
In einem mehrstufigen Prozess wurde die gemeindespezifische Situation analysiert und in enger Abstimmung mit der Verwaltung gemeinsam zwischen kaufmännischer und technischer Seite die künftigen Vorgehensweisen als Basis für die Strategieberechnungen abgestimmt.
Im Oktober 2019 konnten dem Gemeinderat dann die Ergebnisse final vorgestellt werden und der Beschluss zur Umsetzung einer „optimierten gebührenstetigen Strategie“ gefasst werden.
Für die Gemeinde bedeutet dies nach der Aufgabe der eigenen Kläranlagen und dem Anschluss an die benachbarte Verbandskläranlage der Stadt Offenburg im Jahr 2011 einen weiteren Meilenstein zur strategischen und wirtschaftlichen Ausrichtung des Abwasserbetriebs.
Als ungewöhnlich, aber maßgeblich für das Ergebnis stellte sich heraus, dass das heute gemeinsame Kanalnetz der ehemals aus fünf eigenständigen Gemeinden bestehende heutige Gesamtgemeinde Willstätt zwischen 1965 und 1970 zu rd. 60 % gebaut wurde. Dies hat zur Folge, dass auch nennenswerte Teile des Kanalnetzes in mehr oder weniger vergleichbaren Zeitspannen Handlungsbedarf aufweisen werden.
Im Ergebnis zeigt sich prognostisch, dass sich – im heute in weiten Teilen gut 50 Jahre alte Kanalnetz – in den nächsten 10 Jahren ein Anteil von ca. 30 % des Netzes in einen kritischen Zustand mit Ausfallwahrscheinlichkeiten > 50 % hinein entwickeln wird. Ohne Investitionen in deutlich größerem Umfang als bislang würde sich ein anhaltender Sanierungsstau entwickeln, der den Kommunalverantwortlichen nicht hinnehmbar erschien. Es kann festgehalten werden, dass die Strategieentwicklung gerade rechtzeitig stattfand und diese Situation so frühzeitig erkannt wurde.
In Kenntnis des Bedarfs, werden sich mit einem vorwiegend auf Renovierungen ausgerichteten Sanierungsprogramm die baulichen Defizite mindern lassen und das Netz langfristig modernisiert werden können. Auf Grund noch fehlender Informationen zur hydraulischen Situation des in weiten Teilen im Trennsystem betriebenen Entwässerungsnetzes, werden die jährlich erforderlichen rd. 500 T€ zunächst vorwiegend in die schmutzwasserführenden Netzteile investiert.
Die hieraus resultierenden stetigen Gebührenerhöhungen in den nächsten ca. 20 Jahren werden hierbei überaus moderat ausfallen. Auch mit Blick auf die noch ausstehenden Erkenntnisse aus der hydraulischen Netzprüfung wird es dem Abwasserbetrieb aller Voraussicht nach in Summe gelingen, die Aufgaben ohne drastische Mehrbelastung für die Gebührenzahler kostendeckend umsetzen zu können. Die Ergebnisse aus beiden Untersuchungen wird es noch zu überlagern gelten, um ein Sanierungskonzept unter Beachtung aller Betriebsaspekte zu ermöglichen.
Mit der Entwicklung einer zukunftsorientierten Sanierungsstrategie konnte im Gemeinderat Vertrauen in die Richtigkeit der notwendigen Budget- und damit einhergehenden Gebührenerhöhungen im Abwasserbetrieb geschaffen werden.
Erfreulich für die Gemeinde ist als Nebeneffekt, dass es entsprechend der Regelungen der Eigenkontrollverordnung Baden-Württemberg, nun möglich wird, auf unnötige Inspektionen im nächsten Inspektionsintervall verzichten zu können. Grundlage hierfür ist, dass durch die methodische Zustandsprognose dargestellt werden konnte, für welche Entwässerungsobjekte (Kanalstrecken) im Untersuchungszeitraum bis 2035 eine Zustandsverschlechterung erwartet werden muss. Nur diese wird es formal zu untersuchen gelten.
Wird der bei der Wasserrechtsbehörde vor wenigen Wochen vorgestellte und erläuterte Antrag wie erwartet positiv beschieden, erspart sich die Gemeinde bis 2035 kumulierte Kosten in Verbindung mit der EKVO-Untersuchung im Wert von rd. 700 T€. Die verausgabten geringeren Kosten für die Strategieentwicklung haben sich dann schon deshalb unmittelbar wirtschaftlich mehr als gelohnt.
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