Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik - Rohreinbau (Teil 1)

12.07.2017

Voraussetzung für langlebige Leitungen und Kanäle

Rohrleitungen und Schächte sind technische Konstruktionen, bei denen das Zusammenwirken von Bettung, Bauteil und Verfüllung die Grundlage für Stand- und Betriebssicherheit sind. Nach DIN EN 1610 ist die Rohrleitung bereits im Rahmen der Planung einer Maßnahme zu bemessen. Auf diese Weise ist sicherzustellen, dass die Rohre sämtliche vorhersehbar einwirkenden Lasten einschließlich Betriebslasten mit ausreichender Sicherheit aufnehmen können.

Durch den Planer ist das Tragwerkssystem Rohr/Boden vorzugeben, und es sind die für die statische Berechnung maßgebenden Randbedingungen der Baumaßnahme im Objektfragebogen zu benennen (ATV-DVWK-A 127, S. 41). Die statische Berechnung wird dann in der Regel durch den Rohrhersteller auf dieser Basis sowie der Rohr-Kenngrößen erstellt. Während der Ausführung muss geprüft werden, ob die tatsächlichen Randbedingungen auf der Baustelle den Annahmen in der Statik bzw. im Objektfragebogen entsprechen.

Dass die Randbedingungen auf der Baustelle mit den Annahmen in der Rohrstatik übereinstimmen (oder auf der sicheren Seite liegen), hat erheblichen Einfluss auf die Qualität der Bauausführung bzw. auf die Dauerhaftigkeit und Funktionstauglichkeit des erstellten Bauwerks. Doch vor Ort läuft nicht immer alles rund. Wenn die von den Rohrherstellern erstellten Rohrstatiken auf anderen Annahmen basieren, kann das verschiedene Ursachen haben: Entweder haben sich die Randbedingungen geändert, oder aber der Hersteller hat unzutreffende Angaben als Berechnungsgrundlage bekommen.

Vor diesem Hintergrund ist die Kontrolle der Lastannahmen durch das ausführende Unternehmen ein elementarer Bestandteil von dessen Eigenüberwachung. Bei Gütezeicheninhabern Kanalbau RAL-GZ 961 ist diese Kontrolle Bestandteil der Baustellenprüfungen durch die vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieure.

Sicherstellung der Planungsentscheidungen

Der Einbau von Abwasserkanälen und -leitungen ist durch DIN EN 1610 “Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen” auf europäischer Ebene geregelt; im Arbeitsblatt DWA-A 139 werden darauf aufbauend ergänzende Details beschrieben. Zusätzlich sind für verwendete Werkstoffe die zugehörigen Herstelleranleitungen zu beachten.

Nach DIN EN 1610, Abschnitt 4.2, gilt: Die Ausführung der Arbeiten muss in der Weise kontrolliert werden, dass die Entscheidungen, die sich aus den Planungsunterlagen ergeben, eingehalten oder an die veränderten Bedingungen angepasst sind. Gemäß Arbeitsblatt DWA-A 139 muss das Tragwerksystem Rohr/Boden vorhandene und zukünftige Belastungen mit ausreichender Sicherheit aufnehmen können.

Deshalb müssen die auf Abwasserleitungen und -kanäle einwirkenden statischen und dynamischen Lasten schon bei der Planung festgelegt werden. Dazu gehören auch Belastungen aus Bauzuständen, die für die Bemessung bestimmend sein können. Hinzu kommt: Das Tragwerksystem Rohr/Boden muss vor der Bauausführung definiert und nachgewiesen, bzw. in Art und Ausführung vorgegeben sein. Darüber hinaus müssen die statischen Nachweise der Rohre (siehe ATV-DVWK-A 127) und der Sicherung der Baugrube (siehe DIN 4124) vorliegen und auf der Baustelle inhaltlich bekannt sein.

Einflussgröße Bodenart

Im Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 sind die Böden in Hinblick auf ihre Eigenschaften für die statische Berechnung in vier Gruppen eingeteilt (Kurzzeichen nach DIN 18 196):

  • Gruppe 1:
 Nichtbindige Böden (GE, GW, Gl, SE, SW, SI)
  • Gruppe 2:
 Schwachbindige Böden (GU, GT, SU, ST) 

  • Gruppe 3:
 Bindige Mischböden, Schluff (schluffiger Sand und 
Kies, bindiger steiniger Verwitterungsboden) (GU, GT, SU, ST, UL, UM)
  • Gruppe 4: 
Bindige Böden (z. B. Ton) (TL,TM, TA, OÜ, OT, OH, UA)
Einflussgröße Verkehrslast

Außer durch den Boden werden die Rohrleitungen durch die Verkehrslasten beansprucht. Für deren Berechnung verwendet der Statiker sogenannte Regelfahrzeuge mit genormten Abmessungen und Gewichten. Die Lastansätze entsprechen den Brückenklassen 60/30 bzw. 30/30 der DIN 1072. Für die Lastermittlung von Eisenbahnverkehrslasten ist das in der DS 804 (Vorschrift für Eisenbahnbrücken und sonstige Ingenieurbauwerke) der Deutsche Bahn AG angegebene Lastbild UIC 71 maßgebend.

Darüber hinaus sind die Verkehrslasten unter Baustellenbedingungen (geringe Überschüttung) zu beachten. Bei Belastung durch speziellen Verkehr (z.B. Containerstapelfahrzeuge mit hohen Radlasten) müssen im Einzelfall die tatsächlichen Radlasten und Abmessungen berücksichtigt werden. Bezüglich der Flächenlasten sind Schüttgüter, Bauwerksgründungen mit den tatsächlichen oder rechnerischen Werten zu berücksichtigen.

Einflussgröße Überschüttungsbedingungen

Bei der Grabenverfüllung oberhalb der Leitungszone werden vier Überschüttungsbedingungen unterschieden (A1 bis A4, s. Tab. 2), die im Wesentlichen vom gewählten Grabenverbau abhängig sind. Auch die Grabenform beeinflusst die Belastung des Rohres. Das Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 unterscheidet verschiedene Grabenformen.

Zur rechnerischen Abschätzung der Lasterhöhung infolge Unterrammung wird auf den Arbeitsbericht „Berechnungsansätze für die Rohrbelastung im Graben mit gespundetem Verbau“ verwiesen.

Beim Einbau von Abwasserrohren in einem Stufengraben steigt der Einfluss auf die Rohrbelastung mit der Höhe der Stufe im Verhältnis zum Rohrdurchmesser. Durch eine größere Setzung auf der Seite des tiefer liegenden Rohres stellt sich eine verstärkte Lastumlagerung auf das höher liegende Rohr ein. Dieser Lastumlagerungseffekt tritt auch dann ein, wenn das untere Rohr vorher in einem eigenen Graben separat eingebaut wurde und das obere Rohr etwas später in einem neuen Bauabschnitt eingebaut wird.

Einflussgröße Rohrwerkstoff

Je nach Zusammenwirken von Rohrsteifigkeit und Bodenverformung werden Rohre als biegesteif oder biegeweich bezeichnet. Biegesteif
 sind Rohre, bei denen die Belastung keine wesentlichen Verformungen hervorruft und damit keine Auswirkung auf die Druckverteilung hat. Biegeweich 
sind Rohre, deren Verformung die Belastung und Druckverteilung wesentlich beeinflusst, da der Boden Bestandteil des Tragsystems ist. 
Infolge der unterschiedlichen Verformungsfähigkeit des Rohres und des umgebenden Bodens lagern sich die errechneten Bodenspannungen um. 
Allgemein gilt der Merksatz „Ein steifes Rohr zieht die Lasten an, ein weiches Rohr weicht der Belastung aus.“

Die Druckverteilung am Rohrumfang ist abhängig von der Ausbildung des Auflagers, von der Verfüllung der Leitungszone sowie vom Verformungsverhalten der Rohre. Das Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 definiert unterschiedliche Auflagerreaktionen oder Lagerungsfälle. 


Fortsetzung folgt

Die Kontrolle der Lastannahmen auf der Baustelle ist für den Erfolg der Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Im Rahmen der Eigenüberwachung der Unternehmen mit Gütezeichen Kanalbau RAL-GZ 961 werden daher Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt, mit denen systematisch die Übermittlung der Sollwerte auf die Baustelle, die Dokumentation der Istwerte sowie der Abgleich von Soll/Ist erfolgen soll. Die Durchführung der Eigenüberwachung wird durch die Prüfingenieure bei den Baustellenbesuchen kontrolliert.

Im 2. Teil des Beitrages „Kontrolle der Lastannahmen: Rohrstatik – Rohreinbau“ werden die Überschüttungs- und Einbaubedingungen definiert sowie der Einfluss des Grabenverbaus beschrieben.

 

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