Mathematik sorgt für sauberes Wasser

25.10.2010

Noch ist die Situation nicht besorgniserregend, aber die Wirkstoffrückstände von Arzneimitteln in unserem Trinkwasser nehmen zu.

Sowohl bei der Erkennung und Einordnung dieser Rückstände wie auch der Reduzierung will Dr. Marcus Weber, Mathematiker am DFG-Forschungszentrum MATHEON, helfen.

Trinkwasser ist für alles Leben auf der Erde die grundlegende Voraussetzung und deshalb vielleicht unser wertvollster Rohstoff. Doch auch dieser Rohstoff droht knapp zu werden. Zusätzlich ist er zunehmend vielfachen Belastungen ausgesetzt. Eine bisher kaum beachtete Belastung der Gewässer geht von unseren Medikamenten aus. Zwar noch lange nicht dramatisch aber durchaus merkbar sammeln sich die unterschiedlichsten Arzneimittelwirkstoffe im Wasser an. Die Folgen einer unbewussten Medikamentierung für Menschen, Tiere und Pflanzen über das Trinkwasser sind derzeit kaum erforscht.

Daher hatte das Umweltbundesamt (UBA) und das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) auf Anregung des Bundesministeriums für Gesundheit im Januar in Berlin Experten des Gesundheitswesens, der pharmazeutischen Industrie, der Wasserwirtschaft, der Wissenschaft, der Umweltverbände und der Verbraucherorganisationen zu einer Tagung "Handlungsmöglichkeiten zur Minderung des Eintrags von Humanarzneimitteln und ihren Rückständen in das Roh- und Trinkwasser" eingeladen. Unter den 50 Experten war als einziger Mathematiker auch Dr. Marcus Weber, Mitarbeiter am DFG-Forschungszentrum MATHEON.

Als Ergebnis dieser Konferenz erschien nun ein Konsenspapier mit einigen sehr praktikablen Vorschlägen, deren Umsetzung in naher Zukunft beabsichtigt ist. In einigen Bereichen des Maßnahmenkatalogs ist eine wesentliche Beteiligung der Mathematik vorgesehen, die zu bisher nicht erwarteten Ergebnissen führen soll.

Schon seit Jahren arbeitet Marcus Weber im MATHEON und im Zuse-Institut an den mathematischen Voraussetzungen für eine schnelle und effiziente Simulation von Molekülen und deren Funktion in verschiedenen Arzneimitteln. Dabei wird das sog. "Schlüssel-Schloss-Prinzip" angewandt, bei dem am Rechner die Moleküle so konstruiert werden, dass sie vorhersehbar an ein schädliches Protein andocken, es blockieren und es damit unschädlich machen. Dank Visualisierung und Simulation kann das virtuelle Wirkstoffmolekül im Computer so lange umgebaut werden, bis ein optimales Ergebnis erreicht ist.

Ein Vorgang, der mit enormen Schwierigkeiten verbunden ist, denn sowohl das Wirkstoffmolekül wie auch das schädliche Protein verändern unter bestimmten Einflüssen wie z.B. Körpertemperatur ständig ihre Gestalt. Marcus Weber geht davon aus, dass derzeit weltweit bis zu 80 Prozent der Rechnerleistung moderner Großrechner alleine für die Simulation von Molekülen benötigt wird. Hier hilft die Mathematik mit neuen Algorithmen, die die Berechnungen vereinfachen und damit die Rechnerleistung optimieren. Die bisherigen Arbeiten von Marcus Weber sind hier sicherlich richtungweisend.

Und diese Forschungen von Marcus Weber und seiner Arbeitsgruppe können natürlich bei der Simulation von Schadstoffen, die möglicherweise in den Wasserkreislauf gelangen und dort in zu hoher Konzentration schädliche Auswirkungen für alle Lebewesen haben, hervorragend eingesetzt werden und zu ganz neuen Ansätzen führen.

So wurde auf der Tagung im Januar beispielsweise empfohlen, die Trinkwasserrelevanz von Medikamenten schon beim Design mit zu berücksichtigen. "Es bereitet uns keine Schwierigkeiten, nicht nur die pharmazeutische Wirkung der eigentlichen Arzneistoffe im Voraus zu simulieren, sondern wir können dabei auch deren mögliche Abbau- und Transformationsprodukte ins Auge fassen", sagt Dr. Weber. In einem weiteren Schritt können dann ebenso Medikamente entwickelt werden, die bestimmte Eigenschaften beinhalten, die ihre Bindung an Sedimente und Aktivkohle erhöhen. Damit wären diese Arzneien leichter aus dem Wasserkreislauf zu entfernen. Außerdem kann erreicht werden, dass der Wirkstoffanteil im Medikament, der den Körper ungenutzt verlässt, vermindert oder im Idealfall ganz eliminiert wird.

Ein weiteres Feld, bei dem Marcus Weber und seine mathematischen Forschungen große Fortschritte beim Rohwasserschutz erreichen könnten, ist die Risikoabschätzung der Wirkung bestimmter Arzneimittelrückstände im Trinkwasser. Viele dieser Spurenstoffe im Wasser können nicht in Tierversuchen untersucht werden, weil sie dazu isoliert oder im Labor künstlich hergestellt werden müssten, was für viele Verbindungsformen noch nicht möglich ist. Marcus Weber aber ist der Ansicht, dass "wir mit unseren Algorithmen ein virtuelles Labor schaffen können, in dem toxikologische Wirkungen von solchen Abbauprodukten simuliert werden. Das ist allerdings auch für uns eine relativ neue Fragestellung, aber eine sehr interessante und sicherlich lösbare Herausforderung", sagt der Mathematiker. Ein zusätzlicher Erfolg wäre, dass mit dem Einsatz mathematischer Grundlagen für toxikologische Untersuchungen Tierversuche ersetzt, eingeschränkt oder zumindest besser geplant werden können.

Marcus Weber ist überzeugt, dass die Fachtagung und das daraus entstandene Konsenspapier ein wichtiger Schritt zur Reinhaltung unserer Lebensgrundlage Wasser ist. "Für mich ist dieser Aspekt ein weiteres Beispiel, auf dem unsere mathematischen Arbeiten die Grundlagen für eine erfolgreiche und vor allem die Natur schützende Maßnahme sind." 

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DFG-Forschungszentrum Matheon - Mathematik für Schlüsseltechnologien
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10623 Berlin
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