Stuttgarter Forscher koordinieren EU-Großprojekt zur Sanierung von Boden und Grundwasser
04.07.2013
Bei der Sanierung von Verunreinigungen in Boden und Grundwasser kommen zunehmend winzige Nanopartikel zum Einsatz, die Schadstoffe vor Ort umwandeln beziehungsweise abbauen sollen. Die oft ein wenig missverständlich als „Nanosanierung“ bezeichneten Verfahren können auch bei Verschmutzungen eingesetzt werden, die bisher schwer zu bekämpfen waren, zum Beispiel durch Schwermetalle oder den berüchtigten, krebserregenden Weichmacher PCB.
Doch wie verhalten sich die verschiedenen Nanopartikel im Boden, sind sie ihrerseits unschädlich für Mensch und Umwelt und wie lassen sie sich kostengünstig herstellen? Diese Fragen untersuchen Wissenschaftler der Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung (VEGAS) der Universität Stuttgart gemeinsam mit 27 Partnern aus 13 Ländern im Rahmen des auf vier Jahre angelegten EU Projektes „NanoRem“. Die Europäische Union stellt dafür rund 10,5 Millionen Euro aus dem 7. Forschungsrahmen-programm zur Verfügung.
Nanotechnologien bieten sich insbesondere an, um Grundwasserleiter (Aquifere), aber auch verschmutzte Böden, am Ort der Verunreinigung (in situ) zu behandeln. Bei Sanierungsprojekten (Altlastensanierung) werden sie bisher jedoch nur zögerlich angewendet, da eine effektive und zuverlässige Anwendung noch nicht ausgereift, die potentiellen Risiken für die Umwelt schwer abschätzbar und Nanosanierungen zudem aufgrund der noch hohen Herstellkosten von Nanopartikeln vergleichsweise teuer sind. Die Nanotechologie bietet jedoch Vorteile: Gegenüber den klassischen Sanierungsverfahren wie „Pump & Treat“ (Abpumpen von verunreinigtem Grundwasser und dessen Reinigung in einer Aufbereitungsanlage) oder chemischen beziehungsweise mikrobiologischen In-Situ-Sanierungsverfahren ist die Bandbreite der „behandelbaren“ Schadstoffe größer. Zudem kann ein schneller und gezielter Abbau der Verunreinigungen, zum Beispiel auch unter Industriebauten ohne Unterbrechung der Produktion, erzielt werden. „Wir erwarten durch die Nanotechnologie eine wesentliche Verbesserung der Sanierungsleistung und der Einsatzgebiete“, so der Stuttgarter Koordinator Dr. Hans-Peter Koschitzky. Das käme nicht nur der Umwelt zugute, sondern wäre auch ökonomisch attraktiv: Der Weltmarkt für die Anwendung von Umweltnanotechnologien wurde im Jahr 2010 auf insgesamt sechs Milliarden US-Dollar geschätzt.
Vor diesem Hintergrund wollen die an NanoRem beteiligten Wissenschaftler praxistaugliche, effiziente, sichere und ökonomische Nanotechnologien für In-situ-Sanierungen entwickeln mit dem Ziel, einen kommerziellen Einsatz sowie eine Verbreiterung der Anwendung in Europa zu ermöglichen. Im Fokus stehen die am besten geeigneten Nano-Sanierungstechnologien sowie kostengünstige Produktionstechniken. Dazu sind insbesondere Fragestellungen zur Mobilität und Reaktivität von Nanopartikeln im Untergrund sowie das mögliche Gefährdungspotential für Mensch und Umwelt zu untersuchen. Ein weiteres Ziel ist die Bereitstellung eines umfassenden „Werkzeugkastens“ für die Planung und Überwachung der Sanierungen sowie deren Erfolgskontrolle.
Die Forscher der Stuttgarter Versuchseinrichtung zur Grundwasser- und Altlastensanierung, VEGAS, konzentrieren sich innerhalb des Projekts auf den großtechnischen Einsatz von Nano-Eisen-Partikeln. Es werden zunächst drei Großversuche durchgeführt: Mit definierten Sandschichten unterschiedlicher Eigenschaften werden künstliche Aquifere in großen Edelstahlcontainern in der Versuchshalle aufgebaut und mit Grundwasser durchströmt. In jeden dieser Großversuche wird eine definierte Schadstoffquelle eingebaut, dann werden verschiedene Nanopartikel injiziert. Messsonden im Container geben Aufschluss über die Konzentrationen von Schadstoffen und Nanopartikeln sowie über den Sanierungsfortschritt an vielen Stellen im Aquifer. Validiert werden diese Versuche durch niederländische und italienische Partner mit Hilfe eines numerischen Grundwasserströmungs- und Transportmodells. Anschließend werden Feldversuche an sanierungsbedürftigen Standorten mit verschiedenen Anforderungsprofilen in mehreren Ländern Europas durchgeführt, um die Effizienz und Ökonomie der Nanosanierung nachzuweisen. Insbesondere dienen sie aber auch dazu, durch Transparenz europaweit Akzeptanz bei Behörden und der Öffentlichkeit zu erreichen.
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