DEMO Grabenloser Leitungsbau / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2003)

Bäume und Bewuchs

Schöne Bäume waren einst Zeichen für Reichtum und Vitalität einer Stadt. Nachdem diese Erkenntnis lange Zeit in Vergessenheit geraten war und Bäume z.B. der Verbesserung des Straßenverkehrs geopfert wurden, werden seit einigen Jahren und in zunehmender Tendenz in den Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland wieder Maßnahmen zur Stadtbegrünung - selbst auch im Zusammenhang mit der Verkehrsberuhigung - geplant und ausgeführt.

Die Bedeutung der Baumpflanzungen als städtebauliches und grünplanerisches Element verdeutlichen folgende Zahlen: Nach Beyer [Beyer87] verfügte Berlin im Jahre 1987 mit 250.000 Straßenbäumen über die dichteste Baumpflanzung in Deutschland. Statistisch gesehen, stand danach im Mittel ein Baum pro 12 m Straßenlänge. Es folgten München mit 28 m, Hamburg mit 30 m und Frankfurt mit 37 m.

Bäume und Bewuchs sind jedoch nicht nur eine Zierde und ein bedeutender Beitrag zur Verbesserung des städtischen Klimas, sondern stellen auch einen beachtlichen materiellen Wert dar [Becke93]. So zählte beispielsweise die Stadt Bochum im Jahr 2000 ca. 37.000 Straßenbäume mit einem Gesamtkostenaufwand von etwa 180 Mio. DM (ca. 90 Mio. €) [NN00n].

Für die Erhaltung bzw. Schutzwürdigkeit von Bäumen und Sträuchern, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten und ausgeräumten Landschaften gibt es nach [RAS86] folgende Gründe:

  • Verringerung des Eingriffs in die Landschaft,
  • Beeinflussung des Kleinklimas,
  • Windschutz,
  • Erosionsschutz,
  • hygienische Auswirkungen wie Sauerstofferzeugung, Staubfilterung, Lärmschutz, Schattenwurf,
  • großer Zeitraum, den Neupflanzungen benötigen, bis sie annähernd gleiche Wirkungen erzielen,
  • Wirkung als Gestaltungselement,
  • materieller Wert der Bäume.

Um die gegenseitige Beeinflussung von unterirdischen Entsorgungsanlagen und Bäumen im Bereich von öffentlichen Verkehrsflächen so gering wie möglich zu halten, werden die Grünflächenämter und die Entsorgungsunternehmen angehalten, rechtzeitig bei der Planung und Durchführung von Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen zusammenzuarbeiten und somit die gesetzliche Ver- und Entsorgungsarbeit und das öffentliche System in den Auftrag zur Begrünung zu koordinieren.

Dabei sind nach [Stute93] folgende Grundsätze zu beachten:

  1. Der Bestand von Bäumen und Leitungen muß auch im unmittelbaren Nebeneinander für die gesamte normale Lebensdauer eines Baumes oder einer Ver- und Entsorgungsleitung schadlos gesichert werden.
  2. Durch gezielte Maßnahmen ist ebenfalls sicherzustellen, daß das Wachstum und die Lebenserhaltung des jeweiligen Baumes und der Betrieb der Leitungen uneingeschränkt gewährleistet werden können.
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Bild 6.2.4-1: 

Schäden durch Maschinen im Wurzelbereich in Anlehnung an [RAS86] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Als mögliche Gefährdung der Existenz von Bäumen durch Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen in offener Bauweise (im Zusammenhang mit der geschlossenen Bauweise betrifft dies z.B. Start- und Zielschächte sowie Kleinbaugruben zur Vorflutsicherung bei Kanälen und für die Einbindung von Hausanschlüssen) werden in dem "Merkblatt über Baumstandorte und unterirdische Ver- und Entsorgungsanlagen (uVEA)" der FGSV [FGSV89] folgende Ursachen genannt:

  • Entfernen von Haltewurzeln, dadurch Umsturzgefahr
  • Entfernen von Feinwurzeln bei zu geringem Abstand zum Stamm, dadurch Absterben als Folge von Unterversorgung
  • Pilzinfektion (kein Gegenmittel) als Folge von Stamm- und Wurzelverletzungen
  • Verfüllen der Baugrube mit pflanzenfeindlichen Stoffen und Materialien
  • Dauerdränagewirkung beim Verfüllen der Baugrube mit ungeeigneten Materialien
  • längerfristige oder dauernde Grund- oder Schichten wasserabsenkung
  • Verdichtung des Wurzelraumes durch Belastung der Wurzelfläche mit Materialien, Geräten oder Fahrzeugen (Bild 6.2.4-1)
  • Überdeckung bzw. Eindeckung des Stammes durch Auffüllungen
  • Aufheizen des Bodens durch Fernheizungen oder hoch belastete Starkstromkabel
  • Austrocknung des Wurzelraumes
  • Austreten von leitungstransportierten Stoffen im Lebensbereich der Bäume
  • Beschädigung von Stamm und Krone

Einen Überblick über durch die offene Bauweise im Nahbereich von Bäumen und gegebenenfalls durch Fernwirkung für die durchwurzelten Bodenbereiche verursachten Wurzel- und Baumschäden vermittelt (Tabelle 6.2.4-1). Weitere diesbezügliche Ausführungen enthält RAS-LG 4 [RAS86].

Tabelle 6.2.4-1: 

Mögliche Schäden für Wurzelraum und Bäume durch die offene Bauweise [GSTT8]

Maßnahmen und Folgen der
offenen Bauweise

Folgen und Schadenssymptome
für Wurzelraum und Baum

Großflächige und -volumige Bodeninanspruchnahme durch Leitungsgrabenaushub und Böschungs- bzw. Baugrubensicherungsmaßnahmen Großflächiger Bodeneingriff im Kronentraufbereich, Reduktion des Durchwurzelungsvolumens
Wurzeldurchtrennung-/-an-/-abrisse durch Bodenaushubarbeiten mit schweren Maschinen Verminderung der Wurzelmasse, Rücktrocknung der Wurzeln, Totastbildung, Schaderregerbefall, Fäulnis, Gefährdung der Standsicherheit
Austrocknung des Bodens an den Grabenwänden bei fehlender Abhängung Wassermangel, Abstreben von Wurzeln, Totholzbildung, Schaderregerbefall, Fäulnis
Ausfrierung des Bodens im Winter bei fehlender Abdeckung der Baugrube Wurzelerfrierungen, Schaderregerbefall und Fäulnis
Grundwasserabsenkung bei unter dem Grundwasserspiegel liegender, tiefer Grabensohle Wassermangel, "Zopftrockenheit", Schaderregerbefall
Grundwasserstau durch dichte Spundwände, Dichtwände auf der Talseite und Wiederverfüllung mit undurchlässigem, bindigem Boden Vernässung, Wurzelfäulnis, Veränderung des ph-Wertes des Bodens, Festlegung von Nährstoffen, Sauerstoffmangel
Bodenverdichtung bei Verfüllung des Leitungsgrabens mit Maschineneinsatz Wurzelquetschung, Bodenschäden, Luftmangel (Anaerobie), Wurzelfäulnis, Wassermangel, Nährstoffmangel
Schwingungen durch Rüttler und Rammen Wurzelabrisse, Bodensackungen, dadurch Verdichtungen mit nachfolgendem Sauerstoffmangel
Bodensetzungen und -sackungen entlang der Grabenwand Wurzelabrisse, Rücktrocknung, Bodenverdichtungen, Wurzelfäulnis
Langzeitoffenhaltung z.B. bei Großbaustellen Trockenschäden, Bodenschrumpfung mit Wurzelabrissen, Wurzelerfrierungen, Schaderregerbefall
Grabenverfüllung mit rolligen, grobkörnigen Erdbaustoffen Zwangsdränagewirkung, Austrocknung am Grabenrand mit Wurzelabtrocknungen, die oberirdisch zu Totholzbildung führen
Grabenverfüllung mit undurchlässigen, bindigen Erdbaustoffen, zusätzlich verdichtet Bodenverdichtung, Staunässe, Wurzelfäulnis
Grabensohle tiefer als Grundwasserspiegel Zwangsdränagewirkung wie Grundwasserabsenkung wirkend, Wurzelabtrocknung

 

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Bild 6.2.4-2: 

Bau von uVEA im Wurzelbereich vorhandener Bäume in Anlehnung an [FGSV89] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Zum Bau von Entsorgungsanlagen im Wurzelbereich vorhandener Bäume (Bild 6.2.4-2) heißt es in diesem Merkblatt [FGSV89] :

"Werden unterirdische Ver- und Entsorgungsanlagen (uVEA) im Bereich vorhandener Bäume geplant, so sind die Grünflächenämter in die Planung einzubeziehen.

Sind keine entsprechenden Unterlagen vorhanden, so sind die Baumstandorte vom Veranlasser einzumessen und im Lageplan, in der Regel im Maßstab 1:500, darzustellen".

Im Interesse des Baumschutzes kann es empfehlenswert sein, den Baumbestand zu Planungsbeginn im geplanten Trassenverlauf durch geeignete Sachverständige aufzunehmen, wobei in kritischen Bereichen der Wurzelverlauf durch Handschachtung zu überprüfen ist. Die Ergebnisse dieser Voruntersuchungen sind mit dem jeweiligen Bauverfahren abzugleichen, um mechanische Einwirkungen auf den Wurzelraum nach Möglichkeit durch Wahl der geeigneten Bauweise und Trasse zu vermeiden [GSTT8] [Brüch00].

Darüber hinaus empfiehlt [FGSV89] :

"Es ist der Leitungsbestand aller tangierten Ver- und Entsorgungsunternehmen festzustellen und ihre Stellungnahme einzuholen.

Bei der Festlegung der Trasse der uVEA sind die Lebensmöglichkeiten der Bäume und der spätere Betrieb sowie die Wartung der Anlagen zu berücksichtigen.

Bereits im Planungsstadium sind wurzelschützende Maßnahmen wie Durchbohrungen, Durchpressungen oder der Bau von Wurzelvorhängen in Abstimmung mit den Grünflächenämtern zu prüfen.

Grundsätzlich sollen Aufgrabungen nicht dichter als 2,50 m vom Stamm ausgeführt werden.

Kommt ein geringerer Abstand in Betracht, so können im Einvernehmen der Beteiligten Schutzmaßnahmen in Abhängigkeit vom vorhandenen Wurzelwerk vereinbart werden.

Bei der Anwendung von Sonderschutzmaßnahmen sind DIN 18920 [DIN18920] , "Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil : Landschaftsgestaltung RAS-LG, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen und Sträuchern im Bereich von Baustellen RAS-LG 4" [RAS86] , der Hinweis GW 125 des DVGW [DVGWGW125] und der Hinweis H 162 [ATVH162] der ATV und des DVGW zu beachten."

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Bild 6.2.4-3: 

Beschädigungen des Wurzelsystems eines Baumes bei Aufgrabungen in unterschiedlichem Abstand vom Stamm [Milwa]

Bei all diesen Überlegungen sollte jedoch immer berücksichtigt werden, dass mit geringer werdendem Abstand der Wurzelverlust und damit auch das Risiko für das Absterben des Baumes erheblich steigen (Bild 6.2.4-3).

"Wird bei der Durchführung der Erdarbeiten für die Verlegung von uVEA der Wurzelbereich von Bäumen angeschnitten, so ist der ausgehobene oder verbesserte Boden wieder in den Graben einzubringen, sofern nicht aus Gründen des Straßenbaues oder der Leitungsverlegung andere Maßnahmen erforderlich werden.

Erdarbeiten sind mit dem Grünflächenamt abzustimmen.

Für die Leitungszone gelten die Vorschriften der jeweiligen Leitungsbetreiber.

Arbeiten im Wurzelbereich von Bäumen sind in möglichst kurzer Zeit durchzuführen, um den Einfluß von Trockenheit und Frost zu begrenzen. Gegebenenfalls ist zu wässern. Müssen Wurzeln durchtrennt werden, sind sie schneidend zu durchtrennen, größere Schnittstellen zu glätten und mit Wundverschlußmittel zu versorgen.

Wird durch die Baumaßnahmen die Standsicherheit von Bäumen gefährdet, muß eine Verankerung erfolgen".

Zusätzlich sind ZTV A-Stb [ZTVAStB97], ZTV-Baumpflege [ZTVBa93] und MA-Stb [MAStB92] zum Schutz von Bäumen im Bereich von Baustellen zu beachten.

Bezüglich der Wiedereinbringung des ausgehobenen Bodens ist zu beachten, dass bei dicht am Baum vorgenommenen Grabungen viel Wurzelmaterial im Aushub enthalten ist. Dieses Material wird nach Wiedereinbringung mikrobiell abgebaut, wofür die Mikroorganismen Nährstoffe und Sauerstoff benötigen. Da sie in der Konkurrenz um diese Nährstoffe den höheren Pflanzen eindeutig überlegen sind, kann das zu Mangelerscheinungen mit der Folge weiterer Schäden führen. Dies gilt insbesondere, wenn der Boden mit Rindenmulch oder Holzhäcksel zur Verminderung der Verdunstung abgedeckt war und die Abdeckung nicht entfernt wurde.

Wird bei älteren Bäumen die Standsicherheit gefährdet, lässt sich dies in der Regel nicht durch die in [FGSV89] geforderte Verankerung kompensieren, da hierfür die oberflächennahen Wurzeln sowie die in Stamm Verlängerung nach unten ziehenden "Herzwurzeln" (falls ausgebildet) besonders entscheidend sind. Bei der geschlossenen Bauweise ist deshalb selbst bei einer relativen baumnahen Leitungsverlegung die statische Beeinträchtigung des betroffenen Baumes gering. Wird dessen Standsicherheit tatsächlich beeinträchtigt, kann eine Verankerung dies vorübergehend kompensieren, die Regeneration muss aber durch einen entsprechenden Kronenrückschnitt angeregt werden.

In [Milwa] ist geregelt, dass in Abhängigkeit von der Baumgröße innerhalb einer Schutzzone von 1 m bis 3 m rund um den Stamm keine Baumaterialien gelagert, weder Mineralöle oder chemische Stoffe verschüttet noch Maschinenarbeiten ausgeführt werden dürfen. Nur außerhalb dieser Zonen dürfen Aufgrabungen vorgenommen werden, wenn nicht grabenlos arbeitende Verfahren eingesetzt werden können.

Diese Regelung stellt den Idealfall dar, der in der Praxis selten realisiert wird bzw. werden kann. Überlegenswert wäre in diesem Zusammenhang das gezielte Abstellen von Paletten mit Baumaterial, um zumindest das unkontrollierte Befahren der Schutzzone und damit Stamm- und Wurzelverletzungen zu verhindern [Stütz02].

Bei Befahren der Schutzzone ist die Größe der eingesetzten Maschine völlig unerheblich, es kommt ausschließlich auf die Bodenbelastung an [Dujes97]. Diese ist bei sonst gleicher Größe bei Radfahrzeugen viel höher ist als bei Kettenfahrzeugen. Durch die Vibration in Kombination mit der mehr oder weniger punktförmigen Belastung bei Radfahrzeugen sind die Wurzelschäden als besonders hoch zu bewerten. Das bedeutet, dass es gerade durch den Einsatz sogenannter Mini-Bagger, z.B. bei Neuanlage oder Reparatur von Hausanschlüssen, zu starken Schäden am Wurzelwerk von Bäumen kommen kann.

Nach DVGW-Merkblatt GW 125 [DVGWHGW125] sind deshalb Grabungen bzw. Schachtungen im Wurzelbereich grundsätzlich nur in Handarbeit auszuführen.

Handschachtungen sind nach [Stütz02] jedoch nur dann sinnvoll, wenn die Wurzeln glatt abgeschnitten oder gesägt werden und hinterher sofort ein Wundverschluss, z.B. mit Lac-Balsam oder einem anderem Mittel auf Dispersionsbasis, erfolgt, der abgetrocknet sein muss, bevor die Verfüllung erfolgt.

Die sauberste Lösung wäre, vorausgesetzt, dass sich keine Leitungen im Einzugsbereich befinden, wenn baumseitig der Graben z.B. mit einer scharfen und hochtourigen Stubbenfräse aufgeschnitten würde, dann kann man problemlos auch mit Maschinen graben.

Alternativen zur Neuverlegung oder Erneuerung von Ver- und Entsorgungsleitungen in offener Bauweise stellen insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Bäumen und Sträuchern und anderer Vegetationsbestände die Verfahren des grabenlosen Leitungsbaus dar [Marte93] [Verst00].

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Bild 6.2.4-4: 

Vergleich der Wurzelschädigung bei der Kanalverlegung in offener (links) und geschlossener Bauweise (rechts) [Verst00]

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Bild 6.2.4-5: 

Wurzelsysteme von Bäumen [Milwa] - Tiefwurzeler

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Bild 6.2.4-6: 

Wurzelsysteme von Bäumen [Milwa] - Typischer Flachwurzeler (85 % der Wurzeln befinden sich innerhalb einer Tiefe von 0,50 m)

Hierbei werden die kritischen Wurzelbereiche in geschlossener Bauweise unterfahren und so vor Beschädigungen sowie Minderversorgung durch Wasser und Nährstoffe bewahrt (Bild 6.2.4-4).

Die Unterfahrung sollte möglichst tief erfolgen, da sich im oberen halben Meter im Allgemeinen die meisten Wurzeln befinden [Dujes97].

Nach [Milwa] wachsen die meisten Wurzeln in horizontaler Richtung mit dem Ergebnis, dass sich etwa 85% der Wurzeln in den oberen 50 cm des Bodens befinden. In einer Tiefe größer gleich 1 m werden in der Regel keine Wurzeln angetroffen (Bild 6.2.4-5) (Bild 6.2.4-6).

Zu einer ähnlichen Aussage kommt Dobson [Robso95] aufgrund umfangreicher Untersuchungen in Großbritannien. Danach konzentrieren sich 90% der Wurzeln im oberflächennahen Bereich bis in eine Tiefe von 600 mm; nur ein kleiner Prozentsatz der Bäume wurzelt tiefer als 2 m.

Auf der Grundlage von Erfahrungen sind für übliche Stadtbäume keine Einwurzelungen zu erwarten [GSTT8] :

  • unter dem höchsten Grund- oder Schichtenwasserstand
  • in stark verdichteten Bodenschichten
  • in anaeroben Bodenschichten (Mudden, Schlick)

Mit weiter Auswurzelung ist dagegen zu rechnen [GSTT8] :

  • von Privatgrundstücken aus in den öffentliches Straßenraum oder in Nachbargrundstücke und umgekehrt
  • bei sehr flachgründigen Bodenverhältnissen
  • bei flachen Grund- oder Schichtenwasserverhältnissen
  • in gut belüfteten Bodenschichten, z.B. humose Sand-Kies-Wechselschichten
  • in Leitungsgräben von Ver- und Entsorgungsanlagen

In diesen Fällen ist es nicht ungewöhnlich, dass sich der Wurzelbereich eines Baumes unter Umständen über das 2- bis 3-fache des Radius der Baumkrone bzw. das 2- bis 3-fache der Baumhöhe erstreckt [Milwa].

Für den Fall, dass Trasse und Gradiente der Leitung Wurzelbereiche tangieren, sollten bei Auswahl des Verfahrens berücksichtigt und soweit wie möglich vermieden werden [GSTT8] :

  • Wurzelabriss im Vortriebsbereich bei Bodenentnahmeverfahren (Abschnitt 7.1) (Abschnitt 8.1) (Abschnitt 9.1)
  • Wurzelquetschungen und -abrisse sowie Bodenverdichtung bei Bodenverdrängungsverfahren (Abschnitt 5.1) (Abschnitt 6)

Für den Fall, dass ein Wurzelverlust nicht vermeidbar ist, sollte ein prozentual entsprechender Kronenrückschnitt vorgenommen werden, da die erfolgte Störung der Wasseraufnahmekapazität durch eine Reduktion des Verbrauches kompensiert werden muss, wenn keine physiologischen Schäden in Kauf genommen werden sollen. Erfolgt der Kronenrückschnitt nicht, verlieren die Bäume unkontrolliert Äste, wodurch sich die Unfallgefahren erhöhen [Stütz02].

Während bei der offenen Bauweise, bedingt durch die Zerstörung der natürlich gewachsenen Bodenschichten und der Rückverfüllung des Leitungsgrabens mit in der Regel durchlässigerem oder zumindest weniger gut verdichtetem Lockergestein, ideale Wachstumsbedingungen für Wurzeln in diesem Bereich geschaffen werden, beschränkt sich die Störung des Baugrundes beim grabenlosen Leitungsbau nur auf die unmittelbare Umgebung des Rohres. Die darüber befindlichen Bodenschichten bleiben in ihrem natürlichen Zustand erhalten und verhindern das Wachstum der Wurzeln in Richtung des neuverlegten Kanals und ein späteres Hineinwachsen in Abwasserleitungen und -kanäle über Undichtigkeiten und andere Schäden an Rohren und Rohrverbindungen.

Für den Fall, dass ein späterer Wurzeleinwuchs in den Kanal nicht auszuschließen ist [Bosse01a] [Bosse01b], können u.U. Schutzrohre erforderlich sein. Ihr Einsatz bedarf der Abstimmung zwischen den Beteiligten.

Alle o.a. Aussagen differenzieren nicht die genetisch festgelegte Form der Wurzelausbreitung in Abhängigkeit der Baumart bzw. des Standortes (Bild 6.2.4-5) (Bild 6.2.4-6). Danach unterscheidet man zwischen Flach-, Herz-, und Tiefwurzeler, wobei in der Natur je nach Standort Übergänge vorkommen.

Weitere Informationen über die Eigenschaften des Wurzelsystems der Bäume bei Eingriffen, Einschütten, Überfüllen, Anheben der Beläge und auch unter Berücksichtigung des Eindringens in Entsorgungsleitungen enthalten [ATVAG17398] [Kierm].

Neben ihren o.a. nützlichen Eigenschaften können Bäume oder fest eingebaute Pflanzkübel jedoch auch Betrieb, Überwachung und Reparatur von uVEA erschweren und gefährden.

So kann beispielsweise die Betriebssicherheit von uVEA gefährdet werden durch:

  • Wurzeln von Bäumen, die sowohl uVEA als auch Kabel- und Rohrumhüllungen, Muffen, Rohrverbindungen und Hydrantenentleerungen verdrängen, beschädigen oder unwirksam machen können
  • Belastung durch Kippmomente, die vom Baum ausgehen,
  • Entwurzelungen von Bäumen bei Sturm- und Schneebruchschäden,
  • Verwendung aggressiver Böden und Materialien bei Pflanzungen,
  • Verwendung von Düngemitteln, die den Leitungswerkstoff, dessen Umhüllung oder die Dichtung angreifen,
  • Arbeiten an Pflanzengruben oder am Wurzelwerk,
  • erschwerte Überwachung des Betriebszustandes,
  • erschwerte Schadensbehebung und damit längere Versorgungsunterbrechungen.

DEMO Grabenloser Leitungsbau / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2003)