19. Tagung Rohrleitungsbau in Berlin – Klares Signal von den Leitungsbauern: Wir bauen die Netze!

03.03.2012

„Der Run auf die zugigsten Plätze in der Nordsee hat begonnen“ – mit diesem plakativen Beispiel machte rbv-Präsident Dipl.-Ing. Klaus Küsel in seiner Begrüßungsrede zur 19. Tagung Rohrleitungsbau deutlich, was die Leitungsbaubranche seit gut einem Jahr bewegt. Der Rohrleitungsbauverband e.V. (rbv) und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB) hatten ihre Mitglieder am 24. und 25. Januar nach Berlin eingeladen, um mit Ihnen über die Auswirkungen der Energiewende in Deutschland zu diskutieren.

Positive Botschaft für die Mitglieder: Der Umbau der Energieversorgung ist nach Meinung von rbv-Präsident Klaus Küsel ohne die Mitwirkung und das Know-how der mittelständischen Leitungsbauer nicht zu realisieren (Bild: rbv)
Das Land befindet sich in einem Prozess tiefgreifender energiepolitischer Veränderungen, alles, was mit Energie zu tun hat, ist in Bewegung geraten. Das gilt für die Planungen von Energiekonzernen, Kommunen und Netzbetreibern ebenso wie für die Aktivitäten von Industrie und Politik. Folgerichtig bildeten die Entwicklung und die zukünftige Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die anstehenden technischen Herausforderungen an die Leitungsbauunternehmen den inhaltlichen roten Faden der Veranstaltung. Ebenso im Fokus stand die unterirdische Leitungsinfrastruktur. Während in den letzten Jahren hauptsächlich über den Zustand der Netze diskutiert wurde, werden nun neue Aufgabenfelder definiert, die sich aus der Energiewende ergeben. Neue Märkte – neue Chancen: Das erfordert schnelles und weitsichtiges Handeln von den Leitungsbauunternehmen und ihrem Verband. Zeit für lange Orientierung bleibt kaum. Dementsprechend ist die bereits auf der 18. Tagung Rohrleitungsbau im vergangenen Jahr ausgegebene Botschaft wichtiger den je: „Abwarten war gestern, Initiative ergreifen“ – mit diesen Worten stimmte Küsel die Mitgliedsunternehmen auf das Diskussionsforum ein.
 
Die Umstellung der gesamten Energieinfrastruktur entwickelt sich für alle Beteiligten zur großen Herausforderung. Zukunftsträchtige Visionen sind bei der Umsetzung ebenso gefragt, wie technisches Fachwissen und Unternehmergeist. Und Spielregeln müssen her: Im letzten Jahr hat die Bundesregierung erste Gesetze auf den Weg gebracht und damit Rahmenbedingungen definiert, die weit mehr umfassen, als die Abschaltung der letzten Meiler bis 2022. Das erklärte Ziel: Die erneuerbaren Energien sollen stärker gefördert, die Energieeffizienz verbessert und die Stromnetze ausgebaut werden. Mit der Genehmigung des Szenariorahmens zur energiewirtschaftlichen Entwicklung nach § 12 a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) hat die Bundesnetzagentur zum Jahreswechsel zusätzlich Bewegung ins Spiel gebracht. Damit ist die Basis für die Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber zur künftigen Netzbelastung und zum Netzausbau- und Netzoptimierungsbedarf gelegt. Gleichzeitig wurde die Forderung untermauert, alle Interessierten und Betroffenen frühzeitig, intensiv und ergebnisoffen zu beteiligen. Ziel muss bleiben – hierin sind sich alle einig – innerhalb eines realistischen Zeitrahmens einen transparenten, plausiblen und inhaltlich sinnvollen Netzentwicklungsplan zu erstellen.
 
„Mit überregionalen Planungsstäben, die mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind, läßt sich die Wende stemmen“, erklärte Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur (Bild: rbv)
Bei Investitionen auf dem letzten Platz
Doch welche Perspektiven hat die Bauwirtschaft angesichts von Euro-Krise, Schuldenbremse und Energiewende? „Die Energiewende in Deutschland ist ohne den Ausbau der kabelgebundenen Leitungsinfrastruktur nicht zu stemmen. Wir fordern deshalb die Netzbetreiber auf, jetzt in ihre Infrastruktur zu investieren. Die Politik muss jedoch gleichzeitig die Voraussetzung dafür schaffen, dass sich die dadurch entstehenden Mehrkosten für den Endverbraucher in Grenzen halten“, lauteten einige der Forderungen, die der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), RA Michael Knipper, in seinem Vortrag über die aktuelle Lage und Perspektiven in der deutschen Bauwirtschaft erhob. „Der Bau hat 2011 Anschluss an die gesamtkonjunkturelle Entwicklung gefunden“, so Knipper, „doch entscheidend für die weitere Entwicklung wird die Auswirkung der Euro- und Schuldenkrise auf die Realwirtschaft sein.“ Im Klartext heißt dies, dass die dringend erforderliche Investitionstätigkeit des Bundes durch die Schuldenbremse belastet wird. Im Vergleich mit den großen Industrienationen liegt Deutschland bei der Investitionsquote am Tabellenende. Kontraproduktiv, wenn man den Milliardenbedarf dagegenstellt, der für die Schaffung von Kraftwerkskapazitäten, Offshore-Windparks, zusätzlichen Speicherkapazitäten und den Ausbau von Übertragungs- und Verteilernetze notwendig ist. „Aktuelle Fehlentwicklungen wie die überproportionale Förderung der Solarenergie – für 3% des Strombedarfs werden 50% der Fördergelder verwendet – oder die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium behindern die Umsetzung der Energiewende zusätzlich“, legte Knipper den Finger in die Wunde. Investitionssicherheit, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und Rechtssicherheit gehören deshalb zu den notwendigen Rahmenbedingungen bei „einer Mammut-Aufgabe, für deren Umsetzung die Bauwirtschaft bereitsteht“, so Knipper, der die Anwesenden abschließend aufforderte, kleine Arbeitskreise mit großen Investoren einzurichten und eine neue Kultur in der Bauwirtschaft zu schaffen, die vor allem durch partnerschaftlichen Umgang geprägt sein sollte.
  
Planung aus einem Guss
„Das die Energiewende und die dafür nötigen Investititonen allerdings nicht nur vom Staat geschultert werden können“, machte der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, in seinem Vortrag deutlich. Vor allem ist ein vernünftiges Zusamenspiel der Bausteine „Ausbau der Infrastruktur“, Marktintegration der Erneuerbaren“, Versorgungssicherheit“, Speichertechnologien“ und „angemessene Strompreise“ nötig, wenn 2022 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden. „Die dann entstehende Lücke sei von Windenergie und Solarenergie alleine nicht zu schließen“, stellte Kurth fest, der damit neuen Techniken und Konzepten wie zum Beispiel der Power to Gas-Initiative eine regelrechte Steilvorlage gab. „Das Angebot, die Nachfrage und die Verteilung von Strom muss nachhaltig geklärt und gelöst werden“, so der Präsident der Netzagentur weiter, der dabei durchaus auf eine europäische Karte und weniger auf nationale Alleingänge setzt. „Mit überregionalen Planungsstäben, die mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet seien, ließe sich die Wende stemmen“, ist Kurth sicher. Gleichzeitig brach er eine Lanze für die bisher auf den Weg gebrachten Instrumente wie das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG), mit dem für den zurzeit erforderlichen Infrastrukturausbaubedarf, der vergleichbar mit dem Ausmaß der Herausforderungen nach der Wiedervereinigung und dem Aufbau Ost sei, eine wichtige Voraussetzung geschaffen wurde.
 
Investitionen für den Ausbau der Netze forderte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), RA Michael Knipper, in seinem Vortrag über die aktuelle Lage und Perspektiven in der deutschen Bauwirtschaft (Bild: rbv)
Synchronisation von Produktion und Verbrauch
„Instrumente wie dieses sollen und können dazu beitragen, erneuerbare Energien schnell und effizient in die neuen Versorgungskonzepte zu integrieren“, dieser Meinung schloß sich Andreas Jung, Geschäftsführer der Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), an. Eine wichtige Aufgabe sieht Jung in der Synchronisation von Erzeugungsstruktur und Verbrauchszentren. Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert deshalb auch den Ausbau des Stromnetzes. In Nordsee-Windparks erzeugter Strom muss über geeignete Leitungen möglichst effektiv quer durch Deutschland transportiert werden. Der Ausbau von kleinen Verteilernetzen ist notwendig, um regionale Versorgungsunternehmen, die in neue Kraftwerke oder Photovoltaik- und Windkraftanlagen investieren, optimal in das Netz einzubinden. Daneben rückt die intelligente Vernetzung aller Erzeuger und Verbraucher in den Mittelpunkt. Smart Grids sollen neuerbare Energien bedarfsgerecht und störungsfrei zu den Abnehmern bringen. Der Verbrauch in Unternehmen oder Haushalten – so das Ziel – wird hierbei der jeweils günstigsten Zeit und Netzbelastung angepasst.
 
Keine Zukunft ohne Netze
„Damit kommt den Netzen und ihrer Umgestaltung für die zukünftigen Erfordernisse eine entscheidende Bedeutung zu“, so die Bilanz von Dipl.-Ing. Holger Gassner, Leiter Politik und Märkte, RWE Innogy GmbH, in seinem Referat über Smart Renewables: Keine Zukunft ohne Netze!? Auch die zwischenzeitlich schon totgeglaubte Gasversorgung erlebt im Reigen der am meisten diskutierten Energieversorgungskonzepte von morgen eine regelrechte Renaissance. Hoffnung schürt dabei vor allem das Schlagwort Power to Gas, eine Verknüpfung von Strom und Gas, bei der Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert werden kann. Dies wäre eine Möglichkeit, um große Mengen Strom aus erneuerbaren Energien langfristig zu speichern. Allerdings gilt auch hier der „europäische Gedanke“: Die Wende in der Energieversorgung muss als regionale, nationale und europäische Aufgabe gleichzeitig angegangen werden“, so Gassner. Bestätigt wurde diese Ansicht unter anderem von Dipl.-Ing. Marc Hall, dem Geschäftsführer der Bayerngas GmbH, München. Dieser sieht im Gasbereich auf überregionaler Ebene durchaus Interessenkonflikte zwischen Produzenten, Transporteuren und Anbietern und damit eine Modellfalle, die schlecht für die gesamte Entwicklung ist. Trotzdem glaubt er an das große Potential, was noch in der Nutzung der Gaswirtschaft steckt. „Wenn es in Zukunft ein deutliches Plus an Strom aus erneuerbaren Energien gibt, ist die beste technische Möglichkeit, Strom und Gas miteinander zu verknüpfen“, so Hall. Eine Meinung, der sich Dipl.-Kfm. Werner Diwald, Vorstand ENERTRAG AG, Dauerthal, anschließt. Auch für Diwald ist der Energiewandel ohne ausreichende Speicherkapazitäten und den Ausbau der Netze nicht möglich. „Pilotprojekte wie auf dem neuen Berliner Flughafen zeigen, das neue Technologien durchaus realistische Chancen haben, auch im großen Stil die Versorgung von morgen zu tragen“, erläuterte Diwald. Die Beispiele zeigten aber auch, dass die Energiewende nur von Industrie, Forschung, Wissenschaft und Verbänden gemeinsam zu realisieren sei.
 
Impulse vom Verband
Für Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dieter Hesselmann, Geschäftsführer von Rohrleitungbauverband (rbv) und Bundesfachabteilung Leitungsbau (BFA LTB) gehört die Förderung des Dialoges zwischen Leitungsbauern, Versorgungswirtschaft und Politik dementsprechend zu den wichtigsten Aufgaben des Verbandes. „Aktuelle Infrastrukturthemen werden begleitet und die Interessen der Unternehmen des Leitungsbaus gebündelt, formuliert und in die allgemeine Debatte eingebracht“, erklärt Hesselmann, der den Verband durchaus in der Rolle sieht, entscheidende Impulse bei der Gestaltung der zukünftigen Leitungsinfrastuktur zu geben. Bei der Umsetzung nutzen die Beteiligten Synergieeffekte, die sich aus der Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen in den verschiedenen Bundesländern und der gemeinsamen Interessenvertretung vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB) und dem Rohrleitungsbauverband ergeben.
 
Interesse groß: Viele Mitglieder des rbv folgten der Einladung nach Berlin, um mit Fachleuten der Branche über die Auswirkungen der Energiewende in Deutschland zu diskutieren (Bild: rbv)
Leitungsbauer beziehen Stellung
Die benötigten Ressourcen in Form von qualifizierten Mitarbeitern, fachlichem Know-how und innovativer Technik sind abrufbar – das stellte rbv-Präsident Klaus Küsel in seinem Schlusswort noch einmal unmissverständlich fest. Der Wandel im Leitungsbau ist beim Verband und seinen 650 Mitgliedern angekommen. „Kein Wunder also, wenn sich der rbv und die Leitungsbauer aufgerufen fühlen, hier im nationalen Interesse mitzuwirken und Stellung zu beziehen“, so Küsel. Zudem werden Hoffnungen geschürt. „Die in der dena-Studie aufgezeigten 4.000 km Höchstspannungsleitungen werden sicherlich ein Betätigungsfeld von Baukonzernen sein, die auch schon baulich Anteil an den Windparks haben, allerdings werden in der Detailausführung ein Heer von Mittelständlern benötigt werden“, machte Küsel den Zuhörern Mut. „Die Kombination von großen Planungsstäben, Kommunikationsexperten, Kapitalvermögen und handwerkliche Baudurchführung gelte es daher zu bündeln, ebenso müsse über neue Dienstleistungskonzepte nachgedacht werden.“ Genauso klar sollte allen Beteiligten sein, dass die technische Weiterentwicklung alternativer Energiekonzepte erst am Anfang steht. Aber das Konzept „Deutschland – Land der Ideen“ hat bereits gezündet und wird Auswirkungen auf die Leitungsbaubranche haben. Wer investieren will, Ideen verwirklichen will, Personal ausbilden und weiterbilden möchte, braucht allerdings klare Verhältnisse und politisch zuverlässige Aussagen, die über eine Legislaturperiode hinaus halten – hierin sind sich Küsel und Hesselmann einig.
 
Die Leitungsbauer stehen bereit Verantwortung zu übernehmen, die die nationalen Aufgaben von ihnen fordern, so die Botschaft zum Schluß. Die Politik rief Küsel noch einmal zum Dialog auf, um die Arbeitsteilung zukünftiger Aufgaben langfristig zu koordinieren, gleichzeitig lautet sein Appell an die Mitglieder, den eingeschlagenen Weg, sich die gesamte Palette des Leitungsbaus zu eigen zu machen, weiter zu verfolgen, Aus- und Weiterbildung zu forcieren und die Möglichkeiten, die der rbv seinen Mitgliedern bietet, zu nutzen.

Kontakt

Rohrleitungsbauverband e.V.

Dipl.-Ing. Martina Buschmann

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