Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Kostenermittlung für den Alternativenvergleich

Da der Kanalbau in offener Bauweise das am häufigsten gewählte Bauverfahren darstellt, liegen dazu zwangsläufig die meisten Kostendaten vor.

Pecher/Kellner [Peche91b] stellen bei einer Auswertung der nordrhein-westfälischen Kanalnetze die im (Image 5.7.1.1.3-1) dargestellte Abhängigkeit der einwohnerbezogenen Kanallänge von der Einwohneranzahl fest.

Pecher [Peche92a] gibt die im (Image 5.7.1.1.3-2) dargestellte Zunahme der Kanalbaukosten mit der Einwohneranzahl an. Dabei sind hauptsächlich Neuverlegungen ausgewertet. Als Ursachen der Zunahme nennt er die wachsenden Längenanteile großer Rohrquerschnitte sowie die aufwendigere Baudurchführung in Städten (Abschnitt 5.4.1) .

(Image 5.7.1.1.3-3) zeigt längenspezifische Bruttoinvestitionskosten für die offene Bauweise in Abhängigkeit von der Verlegetiefe. Gegenüber der Erstverlegung eines Kanals sind bei der Erneuerung häufig höhere Kosten aufgrund des vorhandenen Straßenaufbaus und der betrieblichen Randbedingungen zu erwarten (Abschnitt 1.6) (Abschnitt 5.4.1) .

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Image 5.7.1.1.3-1: 

Kanallänge je Einwohner in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl [Peche92a]

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Image 5.7.1.1.3-2: 

Mittlere Kanalbaukosten in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl (Preisstand 1991) [Peche92a]

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Image 5.7.1.1.3-3: 

Spezifische Bruttoinvestitionen für Abwasserkanäle in Abhängigkeit von der mittleren Einbautiefe für mittlere Verhältnisse (offene Bauweise) [Miloj96]

 

Die Kosten von Kanalbaumaßnahmen sind örtlichen und zeitlichen Schwankungen unterworfen. Insofern stellen alle genannten absoluten Zahlen Vergleichsinformationen dar, von denen die tatsächlich festgestellten Baukosten im Einzelfall stark abweichen können. Bei der Ermittlung der wirtschaftlichsten Alternative ist deshalb immer eine konkrete situationsbezogene Kostenermittlung und -bewertung erforderlich. Die Schwankungen betreffen sowohl die längenbezogenen Kosten für einzelne Bauverfahren als auch die Kostenrelationen zwischen den Bauverfahren.

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure [HOAI96a] ordnet die Entwicklung und vergleichende Bewertung baulicher Alternativen der Vorplanungsphase zu. Grundlagen der Alternativenbestimmung sind bei Kanalsanierungen insbesondere

  • die Auswertung der Kanalinspektion incl. der Feststellung der Schadensursachen für Haltungen und Anschlußkanäle und die Beurteilung der vorhandenen Standsicherheit,
  • die Formulierung der hydraulischen und betrieblichen Anforderungen,
  • die Feststellung der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse,
  • die vermessungstechnische Feststellung der zu berücksichtigenden Sohlenhöhen anschließender Haltungen sowie der Anschlußkanäle,
  • die Feststellung des vorhandenen und des herzustellenden Straßenaufbaues sowie die Abstimmung des flächenmäßigen Umfanges der Straßenbauarbeiten,
  • die Feststellung vorhandener Fremdleitungen sowie der Kostenzuordnung bei deren Umlegung,
  • die Vorabstimmung über die örtlichen Eingriffsmöglichkeiten z.B. mit der Verkehrslenkungs- und Naturschutzbehörde.

Die im Rahmen der Vorplanung durchzuführende Kostenschätzung besitzt zwangsläufig nicht die Genauigkeit der der Ausführungsplanung zuzuordnenden Kostenberechnung. Sie muß jedoch die zu erwartenden Projektkosten anhand der wesentlichen Teilleistungen ermitteln. Neben den typischen Teilleistungen der unterschiedlichen Bauverfahren, wie z.B.

  • Baustelleneinrichtung,
  • Straßenbau,
  • Erd- und Verbauarbeiten,
  • Rohrverlegung,
  • Herstellung der Start- und Zielbaugruben,
  • Rohrvortrieb oder -einziehen und
  • Einbringen von Inlinern

können ebenso bauverfahrenstypische Nebenleistungen wie z.B.

  • Reinigung und Inspektion im Rahmen der Baudurchführung,
  • Kalibrierung,
  • Sicherung der Vorflut für Haltungen und Anschlußkanäle,
  • Umlegung von Fremdleitungen,
  • Grundwasserabsenkung,
  • Auffräsen eingezogener Inliner und Einbau von Sonderprofilen im Übergangsbereich zu Anschlußkanälen,
  • Dichtheitsprüfungen,
  • Beweissicherung,
  • Ersatz für Schäden an fremder Bausubstanz oder
  • Ausgleich für Eingriffe in den Naturhaushalt

in Betracht kommen. Außerdem sind die Kosten für Ingenieurleistungen, für die örtliche Bauaufsicht und die Projektleitung zu berücksichtigen.

Die verschiedenen bautechnischen Ansätze der Sanierungsverfahren führen zwangsläufig zu unterschiedlichen Kostenanteilen typischer Teilleistungen der Bauausführung. Für Kanalbau in offener Bauweise nennt Milojevic [Miloj96] die in (Table 5.7.1.1.3-1) dargestellten Kostenanteile. Stein et.al. [Stein88b] geben für den geschlossenen Kanalvortrieb die im (Image 5.7.1.1.3-4) dargestellten Kostenanteile an, während Grunwald [Grunw97a] für Schlauchrelining die im (Image 5.7.1.1.3-5) angegebenen Kostenanteile nennt. Deutlich wird der große Anteil von Straßenbau- und Erd- und Verbauarbeiten beim Kanalbau in offener Bauweise, während insbesondere bei Reliningtechniken die absolut überwiegenden Kostenanteile direkt mit dem Kanal in Verbindung stehen.

 
Table 5.7.1.1.3-1: 

Durchschnittlicher Anteil der einzelnen Kostengruppen für die Rohrquerschnitte DN 300 bis DN 500 bei offener Bauweise [Miloj96]

Kostengruppe Kostenanteile in % für Einbautiefe in m
2,0 3,5 7,0
Aushub und Verbau 33 49 70
Rohrlieferung, −verlegung u. −sicherung 15 11 6
Schächte 12 11 9
Straßenaufbruch u. −wiederherstellung 27 20 10
Wasserhaltung 13 9 5
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Image 5.7.1.1.3-4: 

Kostenanteile bei Kanalneuverlegung bzw.-erneuerung in anderer Trasse in geschlossener Bauweise [Stein88b]

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Image 5.7.1.1.3-5: 

Kostenanteile bei Kanalrenovierung (ohne Grundwasserabsenkung, Profil DN 250) [Grunw97a]

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Image 5.7.1.1.3-6: 

Kostenvergleich offene Bauweise/Mikrotunnelbau beim Bau von Abwasserkanälen oberhalb des Grundwasserspiegels in Berlin (1997) in Anlehnung an [Möhri] - Oberfläche bituminöse Decke

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Image 5.7.1.1.3-7: 

Kostenentwicklung für offene und geschlossene Bauweise in Singapur [Lim90]

 

Investitionskosten sind zwangsläufig in erheblichem Maße den Einflüssen der örtlichen Projektsituation und des Marktes unterworfen. Insofern ist eine zuverlässige und allgemeingültige Angabe bauverfahrenscharakteristischer Kosten oder der Vorteilhaftigkeit bestimmter Bauverfahren nicht möglich. Gleichwohl sind der Literatur einzelne Hinweise zu entnehmen.

(Image 5.7.1.1.3-6) zeigt den Vergleich der Kanalneuverlegung bzw. der Erneuerung in anderer Trasse in offener und geschlossener Bauweise aufgrund einer Vielzahl von in Berlin durchgeführten Baumaßnahmen. Danach kann bereits ab einer Tiefe von 3 Metern von günstigeren Kosten der geschlossenen Bauweise ausgegangen werden. Möhring sieht eine wesentliche Begründung in der kontinuierlichen Nachfrage, die zusammen mit Standardisierungen in der Bauausführung den Anbietern grabenloser Techniken günstigere Kalkulationsvoraussetzungen schaffen [Möhri93a] .

Die Möglichkeit, durch stärkere Berücksichtigung grabenloser Techniken zu einer Kostenreduzierung zu gelangen, beschreiben Lim/Balasubramaniam [Lim90] für das Beispiel Singapurs. Wie im (Image 5.7.1.1.3-7) ersichtlich, konnte das Kostenniveau grabenloser Verfahren von 1983 bis 1987 deutlich gesenkt werden, um dann bis 1989 auf diesem Niveau zu verharren.

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Image 5.7.1.1.3-8: 

Kostenvergleich zwischen Kanalerneuerung in offener und geschlossener Bauweise sowie Renovierung mit Relining [Poole85]

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Image 5.7.1.1.3-9: 

Kostenverhältnisse bei der Erneuerung eines Kanals DN 250 in geschlossener Bauweise und Renovierung im Vergleich zur Erneuerung in offener Bauweise (Situation ohne Anschlußkanäle) [Grunw97a]

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Image 5.7.1.1.3-10: 

Schema zur Bestimmung der direkten Kosten bei Kanalsanierungen [Grunw97a]

(Image 5.7.1.1.3-8) zeigt einen Vergleich zwischen der Erneuerung in offener Bauweise, der Erneuerung in geschlossener Bauweise mittels Berstverfahren sowie der Leitungsrenovierung mittels Relining [Poole85] . Das Relining zeigt sich dabei durchgängig über alle Tiefen als am kostengünstigsten. Ähnlich wie bei Möhring im (Image 5.7.1.1.3-6) ergibt sich auch hier ab etwa 3 Meter Tiefenlage der Kostenvorteil grabenloser Erneuerung. Zusätzlich wird der Einfluß des Verkehrsaufkommens auf die Kosten der offenen Kanalerneuerung dargestellt. Bei hohem Verkehrsaufkommen kann die grabenlose Bauweise auch bei noch geringeren Tiefen wirtschaftlich sein.

Grunwald [Grunw97a] führte Kostenberechnungen für unterschiedliche Bauverfahren anhand einer typischen Modellsituation durch und gibt im (Image 5.7.1.1.3-9) die Kostenrelation der grabenlosen Erneuerung sowie der Renovierung mittels Relining in Bezug auf die konventionelle offene Kanalerneuerung unter für die grabenlosen Techniken günstigen Randbedingungen an. Als vorteilhaft für die grabenlose Bauweise erwiesen sich insbesondere eine möglichst geringe Anzahl von Anschlußkanälen, aufwendiger Straßenbau und notwendige Grundwasserabsenkungen. Während sich auch hier die Renovierung durchgängig als kostengünstigste Alternative anbietet, zeigt sich die grabenlose Bauweise in den üblichen Tiefenlagen als teurer gegenüber der offenen Erneuerung. Erst ab einer Tiefenlage von 5 m kann bei günstigen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit erwartet werden.

Insgesamt kann festgestellt werden, daß bei der Renovierung mittels Relining bei entsprechenden Schäden sehr häufig die günstigsten Projektkosten zu erwarten sind, während die Entscheidung zwischen offener und grabenloser Kanalerneuerung erheblich von den örtlichen Marktbedingungen abhängt.

Auch bei Anschlußkanalsanierungen stellt die Erneuerung in offener Bauweise bisher noch die übliche Technik dar. Dabei sind in der Regel Fremdleitungen zu unterqueren, was in vielen Fällen aufwendige Handschachtungs- und Verbauarbeiten erfordert. Die Erneuerung in geschlossener Bauweise ist demgegenüber unabhängiger von örtlichen Gegebenheiten.

Helms/Miegel [Helms95] haben für verschiedene Situationen der Anschlußkanalsanierung Kalkulationen durchgeführt. Für den Standardfall eines 10 m langen Hausanschlußkanals, der 3 m tief liegt, werden einschließlich der Herstellung der Start- und Zielbaugruben längenspezifische Kosten in Höhe von ca. 1.900 DM/m berechnet, die infolge anderer Längen, Tiefenlagen, Boden- und Grundwasserverhältnisse, vorgefundener Hindernisse und Anschlußkanalanzahl zwischen 480 DM/m und 4.200 DM/m variieren können. Zumindest unter günstigen Bedingungen (größere Anschlußkanallängen und eine größere Anschlußkanalanzahl) kann sich die grabenlose Erneuerung von Anschlußkanälen somit als wirtschaftlich erweisen und bis hin zur "Berliner Bauweise" (Abschnitt 1.9.1) eine sinnvolle Ergänzung der grabenlosen Herstellung der Kanalhaltung darstellen, wobei insbesondere die notwendige Anzahl der Zwischenschächte entscheidend ist.

Die Renovierung von Anschlußkanälen aus Kleinbaugruben und insbesondere durch das Einbringen des Inliners aus der Haltung heraus in den Anschlußkanal ist hinsichtlich der längenspezifischen Kosten ebenfalls stark abhängig von der Anzahl und der Länge der Anschlußkanäle. Gegenüber der offenen Bauweise können Kostenvorteile unter der Voraussetzung renovierfähiger Schäden in jedem Fall bei der Unterquerung von Gleiskörpern, Grünbereichen o.ä. erwartet werden.

Sowohl Helms/Miegel [Helms95] als auch Grunwald [Grunw97a] ermittelten günstigere längenspezifische Kosten grabenloser Techniken bei größeren Anschlußkanallängen. Daraus kann die Vorteilhaftigkeit der gleichzeitigen Sanierung von Anschlußkanälen im öffentlichen Bereich und auf den privaten Grundstücken abgeleitet werden. Hier sollte auch berücksichtigt werden, daß in Anbetracht der stärkeren Inspektionstätigkeit an Haltungen die Anschlußkanalsanierungen noch auf längere Sicht Folgemaßnahmen der Haltungssanierung bleiben. Bei alleiniger Haltungssanierung besteht somit die Gefahr, daß Anschlußkanäle noch lange schadhaft bleiben und im schlechtesten Fall die an ihnen vorhandenen Schäden erst bei neuerlicher Haltungssanierung beseitigt werden.

Da sich die zu sanierenden Haltungen und Anschlußkanäle in unterschiedlichen Abschreibungssituationen befinden und durch die Bauverfahren unterschiedliche Abschreibungsdauern neu induziert werden können, ist zur haltungs- und anschlußkanaldifferenzierten Wirtschaftlichkeitsprüfung die Festlegung unabhängiger Teilmaßnahmen erforderlich. Hierfür spricht auch, daß häufig Kanäle mehrerer Kostenträger (z.B. Kanalnetzbetreiber und Straßenbaulastträger) betroffen sein können.

Bei der anzustrebenden gleichzeitigen Sanierung von Haltungen und Anschlußkanälen ist auf eine kausale Zuordnung der Kosten von Teilleistungen zu den Teilmaßnahmen zu achten. Beispielsweise kann bereits durch die Zuordnung des Auffräsens von Inlinern und des Einbaus von Sonderprofilen an den Anschlußkanälen die Wirtschaftlichkeit der Kanalrenovierung deutlich beeinflußt werden. Die im (Image 5.7.1.1.3-10) prinzipiell dargestellte Form der Kostenschätzung liefert Kosten der Teilmaßnahmen, welche die Ausgangsgrößen für teilmaßnahmendifferenzierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen darstellen. Diese können dann sowohl auf unterschiedliche Nutzungsdauern oder indirekte Wirkungen der Baudurchführung eingehen.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)