Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Verdünnungs- oder Tracerverfahren

Die Ermittlung des Abflusses mit Verdünnungs- oder Tracerverfahren basiert auf einer Konzentrationsmessung eines Markierungsstoffs. Dem Abwasser wird oberhalb der Meßstelle ein Tracer (Markierungsstoff) bekannter Konzentration in konstanter Dosierung zugegeben. Nach Durchlaufen einer Durchmischungsstrecke wird im Meßquerschnitt seine Verdünnung bestimmt. Es gilt die Kontinuitätsgleichung

QTracer · CTracer = Q · a Tracer

mit:

QTracer = konstante Zugabemenge des Markierungsstoffs,
CTracer = Konzentration des Markierungsstoffs,
Q = Abwasservolumenstrom,
aTracer = analytisch bestimmte Aktivität des Markierungsstoffs im Abwasser,

aus der nach analytischer Bestimmung der Konzentration (Aktivität) des Tracerstoffs im Abwasserstrom direkt der Volumenstrom berechnet werden kann.

Als Markierungsstoffe werden vor allem Salze, Farbstoffe oder radioaktive Stoffe eingesetzt, die nicht bereits im Abwasser vorhanden und in Spurenmengen nachweisbar sind [DIN19559-1] . Höchste Empfindlichkeit wird mit Fluoreszenzfarbstoffen erreicht, die bei Anregung in einem bestimmten Frequenzband Licht einer charakteristischen Wellenlänge emittieren. Eine weitere wichtige Bedingung ist, daß der Tracer die Fließstrecke ohne Reaktionen mit den Inhaltsstoffen des Abwassers passiert. Der bei hydrogeologischen Markierungsversuchen häufig eingesetzte Fluoreszenzfarbstoff mit dem Handelsnamen Uranin ist beispielsweise wenig geeignet. Uranin wird leicht an Feststoffen im Abwasser adsorbiert und ist zusätzlich in zahlreichen Körperpflegemitteln als Farbstoff enthalten. Besser für Messungen im Abwasser eignen sich Fluorescein-Abkömmlinge mit dem Handelsnamen Rhodamin, speziell die Variante Rhodamin WT [Koppe93] .

Der Markierungsstoff wird mit einer Präzisionsdosierpumpe (Image 4.4.1.5.1.4-1) im Oberstrom der Meßstelle kontinuierlich zugegeben. Diese Position muß sehr sorgfältig gewählt werden, da eine vollständige Verteilung des Farbstoffs über den gesamten Querschnitt die Grundvoraussetzung für eine zuverlässige Messung ist. Die Strömung an der Einleitstelle muß hoch turbulent sein oder durch künstliche Einbauten (z. B. einem Kreiszylinder) stark beschleunigt werden, Rückstau oder Speicherkapazitäten an der Einleitstelle müssen unbedingt vermieden werden. Die Meßstelle wird in einer Distanz von mindestens der zehnfachen Nennweite des Gerinnes eingerichtet. Hier wird mit einer Tauchpumpe aus der Mitte des Gerinnes kontinuierlich Wasser durch die Durchflußzelle eines portablen Fluoreszenz-Spektrometers gefördert (Image 4.4.1.5.1.4-2) .

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Image 4.4.1.5.1.4-1: 

Tracerzugabe mit Hilfe einer Präzisionsdosierpumpe

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Image 4.4.1.5.1.4-2: 

Kontinuierliche Bestimmung der Tracer-Aktivität im Abwasserstrom mit einem Fluoreszenzspektrometer

Die gemessene Aktivität des Farbstoffs (abzüglich eines Blindwerts) ist dem Volumenstrom umgekehrt proportional, d. h., je stärker der Tracerfarbstoff verdünnt wurde, desto höher ist der Abfluß. Störungen in der Zulaufstrecke, wie Krümmer oder Abstürze, haben im Gegensatz zu anderen Meßverfahren keinerlei Auswirkung auf die Messung, entscheidend ist ausschließlich die vollständige Durchmischung des Farbstoffs mit dem Abwasser.

Das Verdünnungs- oder Tracerverfahren ist eine hochgenaue Meßmethode, die im Abwasserbereich noch nicht häufig, dafür aber mit Erfolg eingesetzt wurde, beispielsweise bei Abflußmessungen in Kanälen [Turne94] [Krier96] , bei der Überprüfung von festinstallierten Durchflußmeßeinrichtungen auf Kläranlagen [Turne95] [IKT98a] und zur Kalibrierung anderer Meßverfahren [Krier96] . Tracermessungen stellen außerdem eine sehr genaue Methode zur Messung extrem kleiner Abflüsse (Fremdwasserstudien) dar und können auch dort durchgeführt werden, wo andere Meßverfahren wegen fehlender Beruhigungsstrecke versagen.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)