Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Statische Berechnungen selbsttragender Auskleidungen in Form von Rohren

Standsicherheitsnachweise für selbsttragende Inliner wurden in der Vergangenheit in Deutschland ausgehend vom ATV-M 143 Teil 3 [ATVM143-3] meist in Anlehnung an das ATV-A 127 [ATVA127:1997] geführt, obwohl die letztgenannte Richtlinie ausschließlich für Neuverlegungen entwickelt wurde und von einem Rohr-Boden-Tragsystem ausgeht (elastisch gebetteter Kreisring). Da dessen kinematisch zulässige Verformungsfiguren ebenso wie die resultierenden Beanspruchungen von denen des Rohr-im-Rohr-Tragsystems (starre Bettung) abweichen, wurden in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, das statische System bestehend aus Inliner und Altrohr unter Berücksichtigung von Vorverformungen und Spaltbildung hinreichend genau zu beschreiben und so insbesondere die Durchführung zuverlässiger Stabilitätsnachweise zu gestatten [Falte94a] [Glock77] [Gaube77] [Wagne92] [Lo94] [Weith97] . Das Ergebnis ist das Merkblatt 127-2 der ATV [ATVM127-2] , in dem folgende Ansätze für Belastungen und Lagerungen, für die Interaktion zwischen Inliner und Altrohr sowie für die Berechnungsverfahren zugrunde gelegt werden.

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Image 5.3.2.6.1-1: 

Zustandsformen des Altrohres [Falte94a]

Da das Verhalten des Systems aus Altrohr und umgebenden Boden einen erheblichen Einfluß auf die Belastungsart und -größe des Inlinersystems hat, werden drei Zustandsformen des Altrohres unterschieden (Image 5.3.2.6.1-1) [Falte94a] :

Lastfall I:

Der Kanal ist im wesentlichen rissefrei und voll tragfähig. Eine Sanierung ist z.B. zur Herstellung der Wasserdichtheit erforderlich. Lediglich der äußere und/oder innere Wasserdruck sind vom Inliner aufzunehmen.

Lastfall II:

Der Kanal hat einen oder mehrere durchgehende Längsrisse und ist allein nicht mehr tragfähig. Aufgrund einer ausreichenden Bettungswirkung des Bodens in der Leitungszone ist er jedoch weiterhin als Rohr-Boden-System standsicher. Wie im Lastfall I ist im allgemeinen die Herstellung der Wasserdichtheit erforderlich, so daß der Inliner gegen äußeren und/oder inneren Wasserdruck bemessen werden muß.

Lastfall III:

Das Rohr-Boden-System ist nicht mehr tragfähig. Eine Sanierung ist zur Wiederherstellung der Trag- und Dichtfunktion erforderlich.

Aussagen über eine mittragende Wirkung des alten Kanals im Lastfall III sind bisher nicht zuverlässig möglich. Im folgenden wird daher in der Darstellung und Beurteilung von analytischen und numerischen Berechnungsansätzen zur Bemessung von Inlinern stets von einem standsicheren Altsystem entsprechend der Lastfälle I und II ausgegangen.

Wie für das Rohr-Boden-System nach [ATVA127:1997] müssen auch für das Rohr-im-Rohr-System [Krätz94] folgende Nachweise geführt werden:

  • Spannungsnachweis
  • Spannungsnachweise sind sowohl für Biegezug- als auch Biegedruckspannungen zu führen. Aufgrund der zu berücksichtigenden geometrisch nichtlinearen Einflüsse sind geeignete FEM-Berechnungen einer analytischen Berechnung im allgemeinen vorzuziehen [Weith97] .

  • Verformungsnachweis
  • Verformungen ergeben sich u.a. aus Auftrieb und geometrisch nichtlinearen Normalkrafteinflüssen. Die entstehende Verformungsfigur ist hinsichtlich ihres Einflusses auf die Funktionsfähigkeit und Dichtheit der sanierten Rohrleitung zu überprüfen.

  • Stabilitätsnachweis
  • Im Stabilitätsnachweis sind grundsätzlich Vorverformungen und Ringspalt sowie geometrisch nichtlineare Einflüsse gemeinsam zu berücksichtigen. Nichtlineare FEM-Berechnungen sind daher einer Überlagerung analytischer Lösungen stets vorzuziehen. Insbesondere für den Fall des Stabilitätsversagens eines ideal kreisrunden Inliners existieren sinnvolle Näherungen, die eine Vordimensionierung und qualitative Überprüfung der FEM-Ergebnisse gestatten.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)