Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Mechanische Adhäsion

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Image 5.3.1.2.1-1: 

Schematische Darstellung der "Druckknopfverankerung" [Bisch82]

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Image 5.3.1.2.1-2: 

Schematische Darstellung der geometrischen, wahren und wirksamen Oberfläche [Sasse94]

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Image 5.3.1.2.1-3: 

Skala der Rauheiten nach [Seidl92]

Der Grundgedanke des Modells der mechanischen Adhäsion nach [Biker68] geht davon aus, daß das flüssige Adhäsiv (Beschichtungsmörtel) in den Poren und Vertiefungen der Oberfläche des Adhärens (Betonuntergrund) aushärtet und dort - mechanisch - wie Dübel oder Druckknöpfe verankert ist (Image 5.3.1.2.1-1) .

Wesentliche Voraussetzung hierfür ist, daß das Adhäsiv das Adhärens möglichst gut benetzt und das letztere genügend Poren und Vertiefungen aufweist und eine Benetzung gestattet.

Durch spezielle Verfahren der Untergrundvorbereitung ist es möglich, die wahre Oberfläche zu vergrößern.

Einen Überblick über die im Zusammenhang mit der Oberfläche verwendeten Begriffe gibt (Image 5.3.1.2.1-2) .

Die geometrische Oberfläche beschreibt die Fläche ohne Berücksichtigung von Oberflächenrauheiten.

Sie wird als Bezugsfläche bei der Bestimmung der technischen Haftfestigkeit - als Quotient aus der äußeren Kraft F, die pro Einheit der geometrischen Oberfläche AG aufgebracht werden muß, um den Verbund an den Phasengrenzen zu zerstören - verwendet.

Ein Verfahren zur Bestimmung der technischen Haftfestigkeit, die sogenannte Haftzugfestigkeitsprüfung, wird im (Abschnitt 5.3.1.5) dargestellt.

Der entscheidende Faktor für eine gute Adhäsion in der Grenzfläche ist nicht die Größe der wahren Oberfläche, sondern die der wirksamen Oberfläche (die Größe der tatsächlich vorhandenen Grenzfläche zwischen artfremden Stoffphasen).

Für die Größe der wirksamen Oberfläche spielen die Benetzbarkeitseigenschaften der Festkörperoberfläche und das Netzvermögen der Flüssigkeit eine Rolle.

Die Benetzbarkeit und das Netzvermögen ihrerseits werden von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der am Benetzungsvorgang beteiligten Stoffphasen beeinflußt. Die physikalisch-chemisch bedingten Wechselwirkungen zwischen den Stoffphasen beeinflussen die Menge und Größe der zustande kommenden Kontaktflächen.

Unter wirksamer Oberfläche wird jener Teil der wahren Oberfläche verstanden, von der physikalisch-chemische Wechselwirkungen ausgehen, die zur Adhäsion führen; sie ist die Summe der Mikrokontaktflächen zwischen Adhärens und Adhäsiv.

Aus dem Bereich "Metallkleben" und "Metallbeschichten" mittels Kunstharzen ist bekannt, daß die Adhäsionsfestigkeit mit zunehmender technisch meßbarer Rauhtiefe des metallischen Substrats steigt. Dieses kann mit der mechanischen Verzahnung des Kunstharzes in den technisch meßbaren Rauhtiefen des Substrats erklärt werden.

Untersuchungen an Betonoberflächen zeigen, dass die messbare Rauheit einer Betonoberfläche nicht allein maßgebend für die Adhäsion einer Beschichtung ist [Schäf96] . Einen deutlichen Beitrag liefert die Rauheit dagegen zur Aufnahme von Schubspannungen, die in der Verbundfuge z.B. infolge von Schwinden oder bei biegebeanspruchten Bauteilen auftreten.

Es gibt jedoch Beobachtungen, wie z.B. die Adhäsionsfestigkeiten von Klebstoff auf mikroskopisch nicht porösen Gläsern und Kunststoffen, die nicht mit Verzahnung des Kunstharzes in den technisch messbaren Rauheiten erklärt werden können. Hierzu zählen auch Beobachtungen über die Adhäsion von Kunstharzen auf Zuschlagoberflächen (Quarz, Kalk, Basalt). Diese Beobachtungen führen zu der Annahme, dass submikroskopische Rauheiten auftreten, die submikroskopische Verzahnungseffekte bewirken, welche sich in einer Größenordnung von wenigen nm abspielen, während sich die mikroskopische, technisch messbare Rauheit in der Größenordnung von μm bewegt [Sasse94] (Image 5.3.1.2.1-3) .

Nach [Ruffe93] kann eine Rauheit mit Höhenunterschieden im Millimeterbereich durch Strahlen mit festen Strahlmitteln erreicht werden.

Eine Makrorauheit mit Höhenunterschieden bis zu mehreren Millimetern wird erzeugt, wenn Teile der Betonoberfläche, z.B. nach einem Korrosionsangriff, abgestemmt werden müssen. Makrorauheit ist mit dem Auge gut erkennbar.

Zur Bestimmung der Makrorauheit im Millimeterbereich im Vorfeld einer Beschichtungsmaßnahme wird in [ZTVSIB90] das Sandflächenverfahren angeführt.

Dabei werden 25 bis 50 cm 3 trockener Sand der Körnung 0,1 - 0,5 mm auf die zu untersuchende, trockene Oberfläche geschüttet. Der Sand wird mit einer 5 cm großen Hartholzscheibe durch spiralförmige, sich erweiternde Kreisbewegungen in die Vertiefungen der Oberfläche ohne Druck eingerieben, bis diese gerade gefüllt sind. Anschließend wird der Durchmesser d [cm] des Kreises gemessen und daraus zusammen mit dem Sandvolumen V [cm 3 ] die Rautiefe Rt [mm] ermittelt:

R t = 40 V /(πd 2 ).

Bei nicht mechanisch flächenabtragend vorbereiteten Betonrohrinnenflächen ist dieses Verfahren jedoch nicht anwendbar, da die Innenflächen herstellungsbedingt eine Rauhtiefe im Bereich von < 0,5 mm besitzen und somit von der Körnung nicht mehr erfaßt werden (dies gilt bereits bei nicht in der Schalung erhärteten Betonrohren).

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)