DEMO Leitfaden Mikrotunnelbau / Hrsg.: MUNLV NRW / Redaktion: D. Stein, A. Brauer (2003)

Mikrotunnelbau mit hydraulischer Förderung

(z.B. Verfahren AVN [FI-Herreb], mts 1000 [FI-Lovatb], RVS 100 AS und 250 AS [FI-Wirtha], MTB-S [FI-Hazem])

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Bild 7.4.3.3-1: 
Mikrotunnelbauverfahren mit hydraulischer Förderung beim einphasigen Vortrieb [Quelle: visaplan GmbH]

Arbeitsweise und -ablauf

Mikrotunnelbauverfahren mit hydraulischer Förderung sind charakterisiert durch den Vortrieb von Rohren bei gleichzeitigem vollflächigen Abbau der mechanisch- und flüssigkeitsgestützten Ortsbrust durch einen Bohrkopf und kontinuierlicher hydraulischer Abförderung des Bohrkleins mit Hilfe einer Stütz- und Förderflüssigkeit (Spülmittel) von einer unmittelbar hinter dem Bohr- und Steuerkopf angeordneten Abbau- und Brecherkammer nach über Tage. Die Antriebsaggregate für den Bohrkopf sowie für die Steuerzylinder sind unmittelbar in der Vortriebsmaschine angeordnet (Bild 7.4.3.3-2) (Bild 7.4.3.3-3) (Bild 7.4.3.3-4) (Bild 7.4.3.3-5).

Das Spülmittel zirkuliert mit Hilfe von Pumpen durch ein im Rohrstrang mitgeführtes, geschlossenes Förderleitungssystem, das jeweils sukzessive mit dem Einbau eines neuen Vortriebsrohres verlängert wird. Der erforderliche Druck des Spülmittels wird über deren Zu- und Abfluss gesteuert.

Das geförderte Feststoff-Flüssigkeitsgemisch muss in der Regel separiert werden, um zum einen das Spülmittel erneut dem Förderkreislauf zur Verfügung zu stellen, und zum anderen den gewonnenen Feststoff deponierfähig zu machen.

Bei Verwendung von Wasser als Spülmittel genügen in der Regel Absetzbecken (Bild 7.4.3.3-6), bei Bentonitsuspensionen sind Separationsanlagen erforderlich (Bild 7.4.3.3-7).

Tabelle 7.4.3.3-1: 

Anwendungsbereich Mikrotunnelbau mit hydraulischer Förderung

Anwendungsbereich Mikrotunnelbau mit hydraulischer Förderung
Rohrnennweite DN
250 (≤ DN⁄ID ≤ 1200 (max. DN⁄OD 1540)
Rohrwerkstoff
s. (Tabelle 7.4.3.3-1)
Vortriebslänge [m]
Abhängig von Rohrnennweite und Baugrundverhältnissen:
DN⁄ID 250 bis 400: < 120
DN⁄ID 500: < 160
DN⁄ID 600: < 200
DN⁄ID 800: < 250
DN⁄ID 1000: < 400
DN⁄ID 1200: < 500
Mindestüberdeckung [m]
≥ 2 bis 3 DN⁄OD, mind. 2,0 (in Böden mit hoher Durchlässigkeit (k−Wert) sind ggf. größere Werte zu wählen)
Vortriebsleistung (Nettobohrzeit) [m⁄h]
Nennweitenabhängig (Tabelle 3.2.2) ;
abhängig vom Baugrund (Tabelle 3.2.2).
Zu− bzw. Abrüstzeit [d = 8 h]
Je 3 bis 4 in Abhängigkeit des Separationsaufwandes (z.B. Absetzbecken bzw. Separationsanlage)
Startschacht min. Innendurchmesser [m]
Für Rohre 250 ≤ DN⁄ID ≤ 400: Ø 3,0 (2,0 m Baulänge);
Für Rohre 500 ≤ DN⁄ID ≤ 800: Ø 3,2 (2,0 m Baulänge);
Für Rohre DN⁄ID 1000: Ø 3,6 (2,0 m Baulänge), L x B = 4,5 x 3,0 (3,0 m Baulänge);
Für Rohre DN⁄ID 1200: Ø 5,0 (3,0 m Baulänge), L x B = 5,0 x 4,0 (3,0 m Baulänge)
Zielschacht min. Innendurchmesser [m]
Ø 2,0 (2,50)
Personalbedarf
1 Maschinenführer und 3 bis 5 Hilfskräfte (je nach Größe der Anlage)
Einsatzbereich bzw. Bodenklassen nach DIN 18319
In Abhängigkeit von Rohrnennweite und Bohrkopfausbildung bindiges und nichtbindiges Lockergestein
(Tabelle 3.2.2) sowie Festgestein 1).
Bei Grundwasserständen bis max. 30 m über Rohrsohle einsetzbar.
1) Hier nicht behandelt, s. [Stein03]
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Bild 7.4.3.3-2: 

Vortriebsmaschine mit hydraulischer Förderung - Längsschnitt (Verfahren AVN) [FI-Herreb]

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Bild 7.4.3.3-3: 

Standardbohrkopf (Schneidrad) für Lockergestein ausgestattet mit Schälmesser und Stichelköpfen im Zentrum [FI-Herreb]

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Bild 7.4.3.3-4: 

Vortriebsmaschine mit hydraulischer Förderung - Standardbohrkopf in Form von Schneidrädern [FI-Wirtha]

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Bild 7.4.3.3-5: 

Vortriebsmaschine mit hydraulischer Förderung - Felsbohrkopf mit Diskenmeißeln [FI-Herreb]

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Bild 7.4.3.3-6: 

Separation des Bohrkleins durch hintereinander geschaltete Absetzbecken [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

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Bild 7.4.3.3-7: 

Separation des Bohrkleins durch Separationsanlage (Kompaktanlage MAB 300 mit einer Kapazität von 75 t Feststoffmenge/h) [FI-Schau]

 
Tabelle 7.4.3.3-2: 

Mikrotunnelbau mit hydraulischer Förderung: Vortriebsleistung (Nettobohrzeit) im Lockergestein in Abhängigkeit von der Bodenart und der Rohrnennweite nach Herstellerangaben [FI-Wirtha]

Bodenart N−Wert Rohrnennweite
DN⁄ID
Nettobohrzeit
[m⁄10 h]
Locker gelagerter, bindiger und
nichtbindiger Boden ohne Steine

5 bis 15
250 bis 400 20
400 bis 800 20
800 bis 1200 20
Locker gelagerter, bindiger und
nichtbindiger Boden mit Steinen

5 bis 15
250 bis 400 15
400 bis 800 18
800 bis 1200 20
Mitteldicht gelagerter, bindiger
und nichtbindiger Boden ohne Steine

15 bis 30
250 bis 400 18
400 bis 800 18
800 bis 1200 20
Mitteldicht gelagerter, bindiger und
nichtbindiger Boden mit Steinen

15 bis 30
250 bis 400 15
400 bis 800 15
800 bis 1200 18
Dicht gelagerter, bindiger und
nichtbindiger Boden ohne Steine

> 30
250 bis 400 8 bis 12
400 bis 800 15
800 bis 1200 15
Dicht gelagerter, bindiger und
nichtbindiger Boden mit Steinen

> 30
250 bis 400 8 bis 10
400 bis 800 12 bis 15
800 bis 1200 15
 
Tabelle 7.4.3.3-3: 

Nennweitenabhängige Mittelwerte von Vortriebsleistungen auf Basis ausgeführter Mikrotunnelbauvortriebe mit hydraulischer Förderung in Berlin [Möhri]

Rohrnennweite
DN⁄ID
Nettobohrzeit
[m⁄8 h]
Nettobohrzeit + Rüstzeit
[m⁄8 h]
250 10,83 6,19
300 9,82 5,41
400 11,22 6,52
500 11,91 6,69
600 10,82 6,30
800 11,01 6,00
1000 11,65 6,71
1200 11,99 7,23
 

Tabelle 7.4.3.3-4: 

Einsatzbereiche des Mikrotunnelbaus mit hydraulischer Förderung im Lockergestein [Stein03]

Boden-/ Steinklasse nach DIN 18319   Vortriebsrohrnennweite DN/ID   Vortriebsrohrnennweite DN/ID
250 300 400 500 600 800 1000 1200 300 400 500 600 800 1000 1200
LNE 1   X X X X X X X X   X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LNE 2 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LNE 3 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LNW 1 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LNW 2 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LNW 3 X Standardbohrkopf mit Steinbrechereinrichtung X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LBM 1 X X   X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LBM 2 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LBM 3 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LBO 1 X X X X X X X   X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LBO 2 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LBO 3 X X X X X X X X X2) X2) X2) X2) X2) X2) X2)
LNE 1 - S1         X X X X       X X X X
LNE 2 - S1         X X X X X X X X X X X
LNE 3 - S1         X X X X X X X X X X X
LNW 1 - S1         X X X X       X X X X
LNW 2 - S1         X X X X X X X X X X X
LNW 3 - S1         X X X X X X X X X X X
LBM 1 - S1         X X X         Felsbohrkopf mit Steinbrechereinrichtung
LBM 2 - S1     X X X X X X X X X
LBM 3 - S1     X X X X X X X X X
LBO 1 - S1       X X X X        
LBO 2 - S1     X X X X X X X X X X X X X
LBO 3 - S1     X X X X X X X X X X X X X
LNE 1 - S2           X X X       X X X X
LNE 2 - S2           X X X       X X X X
LNE 3 - S2           X X X       X X X X
LNW 1 - S2           X X X       X X X X
LNW 2 - S2           X X X       X X X X
LNW 3 - S2           X X X       X X X X
LBM 1 - S2           X X X       X X X X
LBM 2 - S2         X X X X       X X X X
LBM 3 - S2         X X X X       X X X X
LBO 1 - S2           X X X       X X X X
LBO 2 - S2         X X X X       X X X X
LBO 3 - S2         X X X X       X X X X
LNE 1 - S3           X1) X1) X1)              
LNE 2 - S3           X1) X1) X1)         X X X
LNE 3 - S3           X1) X1) X1)         X X X
LNW 1 - S3           X1) X1) X1)              
LNW 2 - S3           X1) X1) X1)         X X X
LNW 3 - S3           X1) X1) X1)         X X X
LBM 1 - S3           X1) X1) X1)              
LBM 2 - S3           X1) X X         X X X
LBM 3 - S3           X1) X X         X X X
LBO 1 - S3           X1) X1) X1)              
LBO 2 - S3           X1) X X         X X X
LBO 3 - S3           X1) X X         X X X
LNE 1 - S4                              
LNE 2 - S4                           X X
LNE 3 - S4                           X X
LNW 1 - S4                              
LNW 2 - S4                           X X
LNW 3 - S4                           X X
LBM 1 - S4                              
LBM 2 - S4                           X X
LBM 3 - S4                           X X
LBO 1 - S4                              
LBO 2 - S4                           X X
LBO 3 - S4                           X X
1) Nur mit Standardbohrkopf mit aufgeschweißtem Hartmetallgranulat ("Pixwerkzeug")
2) Hier ist eine Reduzierung der Vortriebsleistung von bis zu 40 % einzukalkulieren

 

Anordnung eines Brechers im Bereich des Bohrkopfes

Um die Einsatzgrenzen auch auf Lockergesteine der Zusatzklassen S nach DIN 18319 [DIN18319] und auf Fels mit hohem Trennflächenanteil auszudehnen, werden die meisten Vortriebsmaschinen mit einem Steinbrecher z.B. in Form eines Kreisel- oder Konusbrechers ausgestattet (Bild 7.4.3.3-2) (Bild 7.4.3.3-3) (Bild 7.4.3.3-4) (Bild 7.4.3.3-5) (Bild 7.4.3.3-8). Diese nach dem Kaffeemühlenprinzip arbeitenden Brecher sind so ausgelegt, dass Steine, Blöcke und Felsbrocken bis zu einer maximalen Größe von etwa dmax = 1/3 des Bohrkopfaußendurchmessers auf die jeweils noch förderbare Korngröße gebrochen werden können.

Hochdruckspülsystem

In allen Fällen ist es sinnvoll, zusätzlich ein Hochdruckspülsystem vorzusehen, um unvermeidbare Verschmierungen der Bohrwerkzeuge beim Bohren in bindigen Lockergesteinspartien, aber auch in mit bindigem Lockergestein gefüllten Störzonen im Festgestein zu verhindern, die zu einer erheblichen Reduzierung der Wirksamkeit der Abbauwerkzeuge und damit auch der Vortriebsleistung führen.

Ebenso wie die Bohrwerkzeuge können auch die Brechereinrichtungen in Abhängigkeit der Lockergesteinsarten durch Zusammenballung und hohe Verdichtung des Bohrkleins, aber auch durch Bildung rotierender "Tonmänner" in ihrer Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt werden (Bild 7.4.3.3-8). Diese Zusammenballungen können durch das normale Niederdrucksystem des Spülkreislaufs in der Regel nur ungenügend oder gar nicht gelöst werden [Pheli98] [Godin96] [Rapha93]. Hier bietet sich die Installation eines Hochdruckspülsystems an, bei dem über im Brecherraum oder im Bohrkopf angeordnete Düsen Hochdruckwasserstrahlen mit 300 bar bis 400 bar und einem Volumenstrom von 40 l/min bis zu 50 l/min auf die Bohrwerkzeuge bzw. die Rotorwelle des Brechers einwirken (Bild 7.4.3.3-9) (Bild 7.4.3.3-10) .

Der Einsatz von Hochdruckspülsystemen ermöglicht nach Herstellerangaben [FI-Herre97a] und Praxiserfahrungen [NN95e] eine Steigerung der Vortriebsleistung in bindigen Böden um das zwei- bis dreifache und mehr gegenüber nicht mit diesem System ausgerüsteten Maschinen.

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Bild 7.4.3.3-8: 

Verklebung des Bohrkopfes und des Brecherraumes durch "Tonmänner" [FI-Herreb]

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Bild 7.4.3.3-9: 

Integriertes Hochdruckspülsystem im Brecherraum (AVN-Verfahren) [FI-Herreb] - Anordnung und Funktionsweise

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Bild 7.4.3.3-10: 

Integriertes Hochdruckspülsystem im Brecherraum (AVN-Verfahren) [FI-Herreb] - Funktionstest

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Bild 7.4.3.3-11: 

Ausrüstung, mögliche Anordnung der Komponenten auf der Baustelle und erforderlicher Platzbedarf (ca. L x B = 35 x 4 m) beim Mikrotunnelbau mit hydraulischer Förderung - Draufsicht (am Beispiel des Vortriebes von Rohren DN/ID 600, Baulänge 2,0 m) [Quelle: visaplan GmbH]

 
Tabelle 7.4.3.3-5: 

Vor- und Nachteile des Mikrotunnelbaus mit hydraulischer Förderung

Vorteile

Nachteile

  • Einsatz im Locker- und
    Festgestein mit und ohne
    Grundwasser

  • Hohe, nennweitenunabhängige
    Vortriebsleistung

  • Ggf. große Vortriebslängen
    erzielbar

  • Spülbohrverfahren mit flüssigem Spülmittel,
    dadurch kostenintensiv
    wegen langer Rüstzeiten und
    in der Regel hohen Separationsaufwandes
    (Bohrklein in der Regel nicht direkt
    transportier- und deponierfähig)

  • In der Regel höherer
    Verschmutzungsgrad der Baustelle

  • Größerer Platzbedarf für die
    Baustelleneinrichtung

DEMO Leitfaden Mikrotunnelbau / Hrsg.: MUNLV NRW / Redaktion: D. Stein, A. Brauer (2003)