Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Wasserdichtheit

Kanalisationen müssen nach ATV-A 139 [ATVA139:1988] sowie DIN EN 752 [DINEN752c] dauerhaft, funktionssicher und dicht sein. Dies bedeutet, daß weder Stoffe in das Grundwasser gelangen dürfen noch das Grundwasser abgeleitet werden darf, damit eine unzulässige Verunreinigung des Grundwassers und eine unerwünschte Verdünnung des Abwassers vermieden werden.

Zu einem ordnungsgemäßen Betrieb gehört somit auch die vorbeugende Überprüfung der Dichtheit. Als undicht erkannte Abwasserleitungen und -kanäle sind umgehend abzudichten. Der Betrieb undichter Abwasserleitungen und -kanäle kann eine Gewässerbenutzung nach § 3 Nr. 5 oder 6 WHG (Einleiten von Stoffen in das Grundwasser oder Ableiten von Grundwasser) darstellen, die erlaubnispflichtig (§ 2 Abs. 1 WHG), aber nicht erlaubnisfähig ist (§ 6, 7 a, Abs. 1, 34 Abs. 1 WHG, zitiert nach [Ullma94] ).

Wenn Kanalisationsbetreiber ihre Kanäle im Widerspruch zu den geltenden Regeln der Technik nicht in regelmäßigen Abständen untersuchen lassen bzw. nicht die notwendigen Sanierungskonsequenzen ziehen, die von der Wasserrechtsbehörde gefordert werden, stellt dies eine Verletzung wasserrechtlicher Betreiberpflichten dar [Salzw88] .

Daraus ergibt sich für alle Kanalnetzbetreiber die Pflicht, nicht nur neuerrichtete Abwasserleitungen und -kanäle im Rahmen der Bauabnahmeprüfungen auf Wasserdichtheit zu untersuchen, sondern diese auch an bestehenden, in Betrieb befindlichen Entwässerungssystemen in regelmäßigen Abständen im Rahmen der Eigenkontrolle nachzuweisen.

Eine erste offizielle Verpflichtung enthält die Eigenkontrollverordnung des Landes Baden-Württemberg [EigenkontrollVO89] , die im Juli 1988 in Kraft trat. Sie sieht vor, daß bei der

"… Eigenkontrolle der Abwasserkanäle und -leitungen die … (Dichtheit) … regelmäßig zu überprüfen (ist). Mit der Überprüfung der bestehenden Entwässerungsanlagen ist unverzüglich nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu beginnen. Sie ist innerhalb von zehn Jahren abzuschließen. Die Dichtigkeitsüberprüfungen sind mindestens alle zehn Jahre, bei Abwasseranlagen, deren Dichtigkeit nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik nachgewiesen wurde, alle fünfzehn Jahre zu wiederholen."

+Dieser Eigenkontrollverordnung folgten später weitere Verordnungen (Tabelle 4.5.1-1) und Arbeitsblätter der Abwassertechnischen Vereinigung [EKVO93] [SüVO93] [EÜV95] . Im Januar 1996 wurde diese Forderung durch die Neufassung der Landesbauordnung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen auch auf den Bereich der privaten Grundleitungen ausgedehnt. In § 45 Abs. 5 heißt es dort, daß im

"… Erdreich oder unzugänglich verlegte Abwasserleitungen zum Sammeln oder Fortleiten, ausgenommen Niederschlagwasserleitungen und Leitungen, die in dichten Schutzrohren so verlegt sind, daß austretendes Abwasser aufgefangen und erkannt wird, (…) nach der Errichtung oder Änderung von Sachkundigen auf Dichtheit prüfen zu lassen (sind). Die Dichtheitsprüfung ist in Abständen von höchstens 20 Jahren zu wiederholen" [BauONW95] .

Die in den o.a. Verordnungen und Regelwerken vorgeschriebenen quantitativen Dichtheitsprüfungen konnten bis zum Erscheinen des ATV-M 143 Teil 6 [ATVM143-6:1998] im Jahre 1998 nicht realisiert werden, da im Gegensatz zur Prüfung neuverlegter Abwasserleitungen und -kanäle diesbezügliche anerkannte Regeln der Technik zur Durchführung von Dichtheitsprüfungen an in Betrieb befindlichen Entwässerungssystemen fehlten. Der Ausweg wurde in der optischen Inneninspektion gesucht, wohlwissend, daß hiermit Aussagen über die Dichtheit nur in begrenztem Umfang möglich sind (Abschnitt 4.3.2.1) .

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Bild 4.5.1-1: 

Normen und Regelwerke zur Dichtheitsprüfung [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Sanierte Haltungen bzw. Haltungsabschnitte und Rohrverbindungen müssen nach DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] den gleichen Anforderungen genügen, wie neuverlegte Abwasserleitungen und -kanäle. Aus diesem Grund müssen bei der Dichtheitsprüfung sanierter Bereiche die Dichtheitskriterien der Bauabnahmeprüfung nach DIN 4033 [DIN4033:1979] bzw. nach DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] für die im öffentlichen Zuständigkeitsbereich liegenden Abwasserkanäle oder nach DIN 1986 [DIN1986-30:1995] für private Grundstücksentwässerungsleitungen angesetzt werden (Bild 4.5.1-1) .

An dieser Stelle ergibt sich eine Überschneidung der Zuständigkeitsbereiche, da das europäische Normenwerk, insbesondere die DIN EN 752 nur noch zwischen Entwässerungssystemen innerhalb und außerhalb von Gebäuden differenziert, während in den nationalen Normen des DIN und des Regelwerkes der ATV noch zwischen privatem (Grundstücksentwässerung, s. DIN 1986-30 [DIN1986-30:1995] ) und öffentlichem Zuständigkeitsbereich (Kanalnetz, s. DIN 4033 [DIN4033:1979] , ATV-A 139 [ATVA139:1988] , ATV-A 142 [ATVA142:1992] ) unterschieden wird (Abschnitt 1.2) . Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, die durch die europäische Normung verursachte Überlappung der Regelwerke zu beseitigen.

Die Prüfungen bestehender bzw. sanierter Abwasserleitungen und -kanäle unterscheiden sich grundsätzlich nur durch die anzusetzenden Dichtheitskriterien. Die Dichtheitsprüfungen selbst können sich auf

  • Haltungen,
  • Haltungsabschnitte, z.B. zwischen zwei Anschlüssen,
  • Schächte,
  • einzelne Rohre oder
  • einzelne Rohrverbindungen (Muffen)

erstrecken.

Dabei werden zur Zeit folgende Prüfverfahren eingesetzt:

Dichtheitsprüfungen an neuverlegten Abwasserleitungen und -kanälen sind nach DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] vorzugsweise mit Luftüberdruck durchzuführen. Nur in Zweifelsfällen, wenn die Luftüberdruckprüfung kein eindeutiges Ergebnis zeigt, ist auf die Wasserdruckprüfung zurückzugreifen (Bild 4.5.1-2) . Das Ergebnis dieser Prüfung ist dann ausschlaggebend. Damit ist die Wasserdruckprüfung entscheidend, weshalb die Dichtheitskriterien der Luftprüfung schärfer formuliert sein sollten (Abschnitt 4.5.1.2) , damit mit ausreichender Sicherheit bei einem positiven Ausgang der Luftprüfung auch die Wasserdruckprüfung bestanden wird.

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Bild 4.5.1-2: 

Ablaufdiagramm zur Durchführung von Dichtheitsprüfungen in Anlehnung an DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

In Anbetracht der Bedeutung der Dichtheitsprüfung generell und der mit der Prüfung verbundenen Gefahren (Abschnitt 4.5.1.2) werden besondere Anforderungen an die Qualifikation des mit dieser Aufgabe betrauten Personals gestellt. So sind nach DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] bei der Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen nachfolgende generelle Anforderungen "… zu berücksichtigen:

  • entsprechend ausgebildetes und erfahrenes Personal wird zur Überwachung und Ausführung des Bauvorhabens eingesetzt;
  • durch den Auftraggeber eingesetzte Auftragnehmer haben die erforderlichen Qualifikationen, die zur Ausführung der Arbeit notwendig sind;
  • Auftraggeber versichern sich, daß die Auftragnehmer die erforderlichen Qualifikationen besitzen."

Darüber hinaus wird im ATV-M 143 Teil 6, Abschnitt 6 [ATVM143-6:1998] "Anforderungen an das eingesetzte Personal" in Anlehnung an die Landesbauordnung NRW [BauONW95] speziell gefordert, daß "… Dichtheitsprüfungen nur von Fachleuten durchzuführen (sind), die ihre Befähigung sowie die Eignung der eingesetzten Geräte nachgewiesen haben. Das zur Dichtheitsprüfung verantwortlich eingesetzte Personal soll bau-, betriebs- und materialtechnisches Fachwissen über Abwasserleitungen und -kanäle und eine mindestens einjährige Praxis besitzen. Ein Sachkundenachweis ist zu erbringen."

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)