Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Plausibilitätsprüfung und Haltungsbewertung

Ausgangspunkt jeder qualifizierten Netzanalyse ist eine umfassende Untersuchung des Istzustandes des betrachteten Netzes bzw. Teilnetzes. Dabei ist zu beachten, dass die Aussagekraft nachfolgender Prognosen wesentlich von der Vollständigkeit und Konsistenz der zugrundeliegenden Daten sowie deren Analyse im Rahmen der Bewertung des Istzustandes abhängt.

Aus diesem Grund erfolgt vor Beginn der eigentlichen Bewertung des Istzustandes eine umfassende Tiefenprüfung der Daten durch die in "STATUS-Kanal" integrierte Plausibilitätsprüfung. Hier wird nicht nur die Zulässigkeit der verwendeten Zustandbeschreibungen geprüft, sondern vor allem die Konsistenz der Inspektionsdaten vor dem Hintergrund der vorhandenen Stamm- und Zustandsdaten der betrachteten sowie der benachbarten Haltung. Zusätzlich werden bereits bestehende Inspektionsbefunde der jeweiligen Haltung in die Plausibilitätsprüfung einbezogen, um unplausible Schadensentwicklungen identifizieren zu können [Stein04a].

Die gebräuchlichen Systeme zur Zustandsbewertung orientieren sich überwiegend an den bundesministeriellen "Arbeitshilfen Abwasser" [BMVBW04] bzw. am Merkblatt ATV-M 149 [ATVM149a].

Die Zustandsklasse einer Haltung, als Maßstab für die Sanierungspriorität, wird dabei wesentlich durch die Schadensklasse des schwersten Einzelschadens bestimmt und beschreibt folglich einen lokal begrenzten Haltungszustand. Aus dieser Klassifizierung kann nicht abgeleitet werden, wie groß das Schadensausmaß und die Schadensstreuung innerhalb der Haltung und daraus resultierend der verbleibende Abnutzungsvorrat der gesamten Haltung sind.

Um eine möglichst realistische Bewertung des baulichen Haltungszustandes zu erreichen, wurde in "STATUS-Kanal" ein erweitertes Bewertungskonzept integriert, welches die Haltungsbewertung in eine Zustandsklasse als Maß der gegenwärtigen Funktionserfüllung (Sanierungspriorität) und in eine Substanzklasse als Maß der noch innewohnenden Funktionserfüllung (Abnutzungsvorrat) unterteilt.

Vor dem Hintergrund, dass die Substanzklasse Aufschluss über die noch erreichbare technische Restnutzungsdauer und die Art und den Umfang einer erforderlichen Sanierung gibt, ist sie zur Beurteilung des Alterungsverhaltens unverzichtbar [Stein04].

Durch eine über das ATV-M 149 [ATVM149a] hinaus gehende Präzisierung der Schadensklassifizierung durch Einbeziehung relevanter lokaler Randbedingungen, wie z.B. Rohrnennweite, Rohrwerkstoff und Verlegetiefe, erfolgt eine ingenieurmäßige Beurteilung der Inspektionsbefunde hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Standsicherheit, Dichtheit und Betrieb der untersuchten Haltungen [Stein04].

In Folge der wesentlich differenzierteren und realistischeren Beurteilungen wird hierdurch das Risiko von Fehlentscheidungen im Rahmen der Sanierungsplanung deutlich reduziert.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)